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Ernährung

Streit um Dioxin in Eiern

Hat die Verbraucherpolitik versagt?

Die Dioxinfunde in Eiern von Freilandhühnern haben zu einem Streit zwischen Umweltorganisationen und Verbraucherministerin auf der einen Seite und beispielsweise dem Bundesverband Deutsches Ei (BDE) auf der anderen Seite geführt. Während erstere die in Stichproben gefundenen Werte zwar für bedenklich, aber nicht als akute Gesundheitsgefahr einstuften, warf der BDE der Verbraucherpolitik von Bundesministerin Künast Versagen vor.

In Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten Kontrollen ergeben, dass in den letzten Jahren zwischen sieben und 28 Prozent der dort verkauften Freiland-Eier mit erhöhtem Dioxin-Gehalt belastet waren.

Neue Grenzwerte sollen Verbraucher schützen

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„Dioxin soll in unseren Lebensmitteln nicht vorkommen. Deshalb müssen wir alles tun, damit es aus der Umwelt verschwindet“, sagte Verbraucherschutzministerin Renate Künast. Eine akute Gesundheitsgefahr bestehe aber nach Aussage des Bundesinstituts für Risikobewertung bei den gefundenen Werten nicht, berichtete Künast. Ins Rollen gekommen war der Dioxin-Skandal offenbar auch, weil seit dem 1. Januar 2005 neue EU-Grenzwerte den Schutz vor zuviel Dioxin sicherstellen sollen. Lange gab es keinen Grenzwert für das Gift. Seit dem 1. Januar 2005 gilt nun EU-weit eine Obergrenze von 3,5 Pikogramm (Billionstel Gramm) pro Gramm Fett. In Baden-Württemberg variierten die Werte der untersuchten Eier aber zwischen 4,3 und 22,2 Pikogramm.

„Eier sind heute nicht stärker mit Dioxin belastet als vor einem Monat. Seit erstem Januar aber gibt es einen neuen Grenzwert dafür. Es ist auffällig, dass Länder, die im Bundesrat immer pro Käfighaltung gestimmt haben, jetzt plötzlich erhöhte Dioxinwerte melden. Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern hielten es offensichtlich nicht für nötig, rechtzeitig entsprechende Kontrollen durchzuführen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Belastete Eier müssen vom Markt genommen und belastete Böden saniert werden“, sagte der Agrarexperte Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

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Der BUND befürworte möglichst niedrige Grenzwerte für Dioxin in Lebensmitteln. Die Aufnahme von Dioxinspuren durch vom Boden pickende Hühner spreche nicht gegen die artgerechte Tierhaltung, sondern mache deutlich, wie verbreitet Chemiegifte in der Umwelt bereits seien.

Weiger: „Alle Anstrengungen müssen darauf gerichtet sein, die großflächige Verteilung chemischer Substanzen aus industriellen Verbrennungsprozessen und aus der chemischen Industrie zu minimieren. Sonst droht langfristig die Gefahr, dass keine Lebensmittel mehr unter natürlichen, tiergerechten und gesunden Umständen produziert werden können. Das wäre nicht nur schlecht für unsere Ernährung, es würde auch gegen die Grundsätze des Tier- und Umweltschutzes verstoßen.“

„‚Hühner zurück in die Käfige‘ ist aber aus verschiedenen Gründen keine Lösung des Problems“, erklärte auch Manfred Krautter, Chemie-Experte von Greenpeace. „Eier machen bei der Gesamtaufnahme von Dioxin nur einen kleinen Anteil von rund drei Prozent aus. Über Fisch, Milch- und Fleischprodukte nehmen wir mehr als 90 Prozent des Dioxins zu uns. Wenn sich bei den drei Prozent etwas ändert, macht das in der Gesamtbilanz kaum einen Unterschied.“

BDE fordert ehrliche Verbraucheraufklärung

Der Bundesverband Deutsches Ei (BDE) dagegen warf der Verbraucherpolitik von Bundesministerin Künast Versagen vor. „Die Aussagen von Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast zur aktuellen Diskussion erhöhter Dioxin-Werte in Freilandeiern sind genau das Gegenteil ehrlicher Verbraucheraufklärung“, so Dr. Bernd Diekmann, Vorsitzender vom Bundesverband Deutsches Ei (BDE). Über Jahre hinweg habe die Ministerin wissentlich die Verbraucher im Unklaren darüber gelassen, dass Freilandeier systembedingt mit Dioxinen belastet sein können.

Den Verbrauchern sei die wichtige und seit langem bekannte Produktinformation wissentlich vorenthalten worden, dass auf und im Boden abgelagerte Dioxine von freilaufenden Hühnern aufgenommen werden und in die Nahrungskette gelangen können. Auch von den Hühnern aufgenommene Bodenwürmer können Dioxinquellen sein. Zwar könne der Verbraucher wegen der Geringfügigkeit der Belastungen weiterhin unbedenklich Eier aller Haltungsformen genießen, aber der Umstand gezielter und tendenziöser Informationsvorenthaltung sollte ihn nachdenklich stimmen.

Der BDE übt zugleich scharfe Kritik an den Schlussfolgerungen und Schuldzuweisungen von Bundesministerin Künast, die behauptet, man könne über ein geeignetes Bodenmanagement der Dioxinkontamination entgegen wirken. Dies sei absurd.

Unterdessen hat Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast die Bundesländer dazu aufgerufen, ihrer Pflicht zur Kontrolle des Dioxingehalts bei Freiland-Eiern nachzukommen. Bei Überschreiten der zulässigen Grenzwerte müssten die Länder umgehend und rigoros zu handeln, so die Ministerin.Dioxin wird als krebserzeugendes Umweltgift eingestuft, ist nach Ansicht des Verbraucherministeriums aber in kleinen Mengen ungefährlich. Über Nahrungsmittel und die Umwelt nimmt jeder Mensch davon auf. Es kommt vor allem deswegen in Freiland-Eiern vor, weil frei laufende Hühner beim Picken unter freiem Himmel deutlich mehr natürliches Dioxin aufnehmen als Hühner in Käfigen.

(Bundesregierung, Greenpeace, BUND, Bundesverband Deutsches Ei, 18.01.2005 – DLO)

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