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Biologie

Hunde haben ein feines Ohr für unsere Stimme

Selbst unsere Sprechrichtung liefert ihnen wertvolle Informationen

Er versteht uns besser als wir glauben... © clipdealer

Hunde haben eine noch feinere Antenne für unsere Signale als gedacht: Sie ziehen sogar ihre Schlüsse aus unserer Sprechrichtung. Das belegt ein Experiment deutscher Verhaltensbiologen. Im Versuch konnten die Hunde eine Box mit verborgenem Futter finden, indem sie sich allein an der Sprechrichtung der Bezugsperson orientierten – ohne Blickkontakt oder die Person in anderer Weise sehen zu können.

Hunde haben im Laufe ihrer Domestikation gelernt, unsere Stimmungen zu deuten und auf gesprochene Kommandos oder Gesten zu reagieren. Vor kurzem erst belegten Experimente, dass Haushunde sogar verstecktes Futter aufspüren können, indem sie einfach der Zeigegeste oder Blickrichtung eines Menschen folgen. Dies schaffen Wölfe und selbst unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, nicht. Aber warum?

„Die Fähigkeit der Hunde, auf Signale des Menschen zu achten, wurde durch Domestikation und Zucht gezielt gefördert“, erklären Federico Rossano und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig eine Theorie dazu. Diese soziale Fähigkeit wäre dann heute im genetischen Erbe der Hunde verankert. Theoretisch gäbe es aber noch eine andere Erklärung: Es könnte auch daran liegen, dass jeder einzelne Hund schon vom Welpenalter an an Menschen gewöhnt ist. Je älter er wird, desto besser hat er daher gelernt, deren Signale zu verstehen.

Die Stimme hinter der Wand

Rossano und seine Kollegen haben beide Theorien nun in einem Experiment überprüft – und gleichzeitig getestet, ob Hunde es auch schaffen, verstecktes Futter nur durch akustische Hinweise zu finden. Denn bisher galten visuelle Signale und vor allem der Augenkontakt als entscheidend für den guten „Menschenverstand“. Der Versuchsaufbau bestand aus einer großen Holzbarriere und zwei identischen Holzboxen.

Hund beim Stimmentest: Im Experiment wissen die Hunde, dass sich in einer Schachtel etwas zu fressen befindet, aber nicht, in welcher. Sie folgen nun der menschlichen Stimme, um die Nahrung zu finden. © MPI f. evolutionäre Anthropologie

Zu Beginn des Experiments duckte sich die Versuchsleiterin hinter die Barriere und legte versteckt Futter in eine der beiden Boxen. Dann hockte sie sich geduckt so zwischen beide Boxen, dass sie zwar der leeren am nächsten war, aber mit dem Gesicht zur gefüllten Box saß. Sie sagte nun mit freudiger Stimme in Richtung der vollen Box: „Schau mal hier, dies ist aber fein!“ Anschließend sollte der Hund eine der beiden Boxen auswählen.

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Die Crux dabei: Folgt der Hund dabei einfach nur der Stimme der Person, landet er bei der leeren Box. Interpretiert er dagegen die Richtung, in die sie beim Sprechen gewandt ist, dann weist ihm diese – ähnlich wie eine Zeigegeste – den Weg zum Futter.

Besser als Kleinkinder

Wie sich zeigte, verstehen die Hunde sehr gut, dass nicht die Position der Person entscheidend ist, sondern die Richtung, in die sie gewandt ist: „Die meisten der Hunde folgten der Stimme der Studienleiterin mit Erfolg und fanden das versteckte Futter“, sagt Rossano. „Sie meisterten die Aufgabe ebenso gut wie Kleinkinder, wenn nicht besser.“ Und dies vom ersten Versuch an, wie die Forscher betonen.

Dass die Hunde sich tatsächlich an der Sprechrichtung orientierten, belegte ein Kontrollversuch: Sprach die Versuchsperson nicht in Richtung der gefüllten Box, sondern nach hinten gegen die Wand, fanden die Hunde das Futter nicht. „Das belegt, dass Hunde verstecktes Futter auch ohne visuelle Signale – allein über akustische Informationen – finden können“, so die Forscher. Dies widerlege auch die Annahme, dass Augenkontakt zur Bezugsperson für diese Kommunikation zwischen Hund und Mensch nötig sei.

Kontakt zum Menschen ist entscheidend

Um herauszufinden, ob diese Fähigkeit der Hunde angeboren oder erlernt ist, wiederholten Rossano und seine Kollegen den Versuch mit Welpen im Alter von acht bis 14 Wochen. Einige dieser Welpen lebten in einer Menschenfamilie und hatten daher bereits regelmäßig Kontakt mit Menschen, andere lebten im Zwinger unter Artgenossen.

Vor die Aufgabe mit den Boxen gestellt, zeigten sich zwischen beiden Gruppen deutliche Unterschiede: Die Welpen, die in engem Kontakt mit Menschen aufwuchsen, schnitten genauso gut oder teilweise sogar besser ab als die erwachsenen Hunde: Allein an der Sprechrichtung der Versuchsperson erkannten sie, wo sich das Futter verbarg. „Welpen mit wenig Kontakt zum Menschen wählten hingegen scheinbar zufällig die richtige oder falsche Schachtel“, berichtet Rossano.

Prädisposition durch Zucht verstärkt

Nach Ansicht der Forscher könnte dies darauf hindeuten, dass Hunde mit Menschen vertraut sein müssen, um deren akustische Signale verstehen und interpretieren zu können. Es könnte also für die Theorie sprechen, dass jedes einzelne Tier dies erst lernen muss. Andererseits aber lernen Welpen so schnell, „ihre“ Menschen zu verstehen, dass dies für eine Voranpassung spricht – eine Prädisposition, die im Laufe der Domestikation verstärkt wurde.

„Hunde, die dem Menschen gegenüber besonders aufmerksam waren, wurden möglicherweise als Haustiere bevorzugt“, sagt Rossano. In jedem Fall aber belegt auch dieses Experiment erneut, wie gut der Hund schon die kleinsten Signale von uns Menschen zu lesen und zu verstehen weiß. (Proceedings of the Royal Society B, 2014; doi: 10.1098/rspb.2013.3201)

(Royal Society, 07.05.2014 – NPO)

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