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Medizin

Plazeboeffekt im Gehirn sichtbar gemacht

Bildgebung liefert genaue Einblicke

Wie eine wirkungslose Tablette, vom Arzt als Schmerzmittel gepriesen, tatsächlich Schmerzen lindern kann, haben Wissenschaftler der Universitätsklinik Hamburg entdeckt. Mithilfe der Kernspintomographie und kurzen schmerzhaften Hautreizen durch einen Infrarotlaser konnten sie den Plazeboeffekt im Gehirn sichtbar machen: Die so genannte Präfrontalregion des Gehirns wurde bei der Erwartung einer schmerzlindernden Wirkung aktiviert, während die Aktivität in typischen schmerzrelevanten Regionen wie dem Thalamus zugleich vermindert wird.

Erwartung und Glaube reduzieren den Schmerz

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Schmerz ist das Resultat eines Zusammenspiels von physiologischen und psychologischen Vorgängen, die auch die individuellen Erwartungen, Hoffnungen und das Vertrauen gegenüber der Behandlung und dem Behandelnden einschließen. Diese Phänomene sind seit langem in Form der Plazeboanalgesie bekannt, bei dem die bloße Erwartung und der Glaube einer wirksamen schmerzlindernden Behandlung den Schmerz bedeutend reduzieren, auch wenn lediglich ein pharmakologisch unwirksames Mittel verabreicht wird. Der Plazeboeffekt ist so stark, dass die Wirksamkeit echter Medikamente in kontrollierten Studien erst dann als gesichert gilt, wenn sie die eines Plazebos deutlich übertrifft.

In der Vergangenheit wurde der Plazeboeffekt überwiegend als unspezifisches Phänomen betrachtet. Erst die moderne Bildgebung – positronenemissionstomographie (PET), funktionelle Magnetreso¬nanztomographie (fMRT) und Vielkanal-Elektroenzephalographie und -Magnetenzephalographie (EEG/MEG) – liefert genauere Informationen darüber, was im Gehirn des Menschen unter dem Einfluss von Erwartung und Glaube nach Plazebogaben passiert, welche Bedeutung Lernvorgänge haben und welche Hirnregionen daran beteiligt sind.

Körpereigene Schmerzlinderung wird verstärkt

Es zeigt sich, dass die Präfrontalregion des Frontallappens unter dem Einfluss einer erwarteten Schmerzlinderung bei Plazebogaben verstärkt aktiviert wird, während gleichzeitig die Aktivität in den typischen schmerzrelevanten Hirnregionen des Thalamus, der Insel und der mittleren Anteile des anterioren Gyrus Cinguli vermindert wird.

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Eine besondere Schlüsselregion, über die das Präfrontalhirn den Plazeboeffekt vermitteln könnte, ist der weit vorne gelegene Anteil des anterioren Gyrus Cinguli, der sowohl mit dem Schmerzsystem des Gehirns als auch mit dem Frontalhirn eng vernetzt ist. Zudem ist diese Region reich an Opiatrezeptoren und anatomisch und funktionell gekoppelt an absteigende Bahnen zum Hirnstamm und Hinterhorn des Rückenmarks, die seit langem als Vermittler körpereigener Schmerzhemmung bekannt sind. PET-Untersuchungen aus dem Karolinska-Institut in Stockholm zeigten, dass sowohl Plazebos als auch Opiate in dieser Region des limbischen Systems ihre Hauptwirkung im Gehirn entfalten.

Neuere Studien aus der Hamburger fMRT-Arbeitsgruppe belegen, dass die Plazebo-bedingte Vorerwartung zunächst die ventromedialen Anteile der Präfrontalregion aktiviert, bevor der rostrale anteriore Gyrus Cinguli aktiviert wird, der wahrscheinlich die eigentliche Schmerzhemmung bewirkt.

Über diese Ergebnisse berichtete Prof. Dr. Jürgen Lorenz in Leipzig beim Deutschen Schmerzkongress der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS).

(idw – Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes, 11.10.2004 – DLO)

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