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Medizin

Gen macht Grippevirus von 1918 tödlich

Gen-Übertragung wandelt harmlosen Vogelvirus in virulenten Erreger

Ein einziges Gen könnte für die verheerende Virulenz des Grippevirus von 1918 verantwortlich gewesen sein. Wissenschaftler der Universität von Wisconsin-Madison haben dies entdeckt, als sie Gene des Erregers isolierten, analysierten und wieder zum Leben erweckten. Der damalige Ausbruch der Spanischen Grippe gilt als eine der tödlichsten Pandemien in der Geschichte der Menschheit, 20 Millionen Menschen starben dabei.

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Der Virologe Yoshihiro Kawaoka von der amerikanischen Universität von Wisconsin-Madison und der Universität Tokio beschreibt in seiner Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature Experimente, in denen er harmlose Viren gentechnisch so manipulierte, dass sie an Potenz gewannen. Seine Forschungen zeigen, dass schon eine kleine genetische Änderung ausreichen kann, um milde Varianten des Grippevirus in weitaus gefährlichere und leichter übertragbarere Formen umzuwandeln. „Das Ersetzen nur eines Gens reicht aus, um den Virus pathogener zu machen“, erklärt Kawaoka.

Die Ergebnisse könnten Wissenschaftlern helfen zu verstehen, warum die Epidemie von 1918, ein weltweiter Ausbruch der Grippe, der Millionen Menschen zum Opfer fielen, sich so schnell ausbreitete und so hohe Todesraten hervorrief, so Kawaoka, der seit 20 Jahren an Influenzaviren arbeitet. Die Resultate könnten darüber hinaus Aufschluss in die Mechanismen geben, mit deren Hilfe tierische Stämme des Virus einen Wirtswechsel vornehmen und damit eine potenzielle Bedrohung für den Menschen darstellen.

Zwei Gene kritisch für Virulenz

In den späten 1990er Jahren war es Wissenschaftlern gelungen, eine Handvoll von Genen des 1918er Virus aus den Überresten einiger Opfer der Pandemie zu isolieren. Diese Gene wurden anschließend sequenziert, darunter auch die beiden kritischen Gene die für die Produktion von Hämaglutinin und Neuramidase verantwortlich sind, zwei Proteinen, die es dem Virus ermöglichen, in Zellen einzudringen und sie zu infizieren.

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Kawaoke und sein Team implantierten diese beiden Gene in eine milde Form des Influenza A Virus und infizierten Mäuse mit dem gentechnisch veränderten Erreger. „Hier demonstrieren wir, dass das Hämaglutinin des 1918-Virus seine Pathogenität auf die normalerweise unschädlichen Viren verstärkt hat“, konstatieren sie in ihrem Natureartikel. Darüberhinaus erzeugten die veränderten Viren in den Mäusen Symptome – Infektion der gesamten Lunge, Entzündungen und starke Blutungen – ähnlich denen, die bei den Erkrankten der 1918 Epidemie aufgetreten waren.

Seit langem suchen Historiker und Virologen die Antwort auf die Frage nach der verheerenden Wirkung des 1918 Erregerstammes. Bisherige Theorien reichten von einem Mangel an moderner medizinischer Versorgung und Antibiotika über den geschwächten Gesundheitszustand vieler Opfer durch den vorangegangenen Krieg bis hin zu den schlechten sozialen Verhältnissen dieser Zeit. „Aber es gab auch Wissenschaftler, die glaubten, der Virus könnte sich in seiner Virulenz unterschieden haben“, erklärt Kawaoke. Seine Ergebnisse bestätigen diese Theorie nun.

Ein anderes wichtiges Ergebnis der Forschungen ist die Erkenntnis, dass das 1918 Virus wahrscheinlich ursprünglich von Vögeln auf den Menschen übergesprungen ist. Vögel gelten als eines der Hauptreservoire für Influenza a Viren, es ist jedoch bekannt, dass die Vogelstämme des Erregers Rezeptoren auf der Virenoberfläche tragen, die sich leicht von denen der menschlichen Stämme unterscheiden. Doch nach Angaben von Kawaoke unterbindet dies eine artübergreifende Infektion nicht vollständig. „Die Rezeptoren der genmanipulierten Viren erkannten ihr Gegenstück in menschlichen Zellen ohne große Probleme, obwohl sie von einem Vogelstamm kamen. Das erklärt, warum sie sich so leicht auch zwischen Menschen ausbreiten.“

(University Of Wisconsin-Madison, 08.10.2004 – NPO)

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