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Geowissen

Antarktis: Erste Überblicks-Karte der Eisbewegungen

Eisströme fließen anders als gedacht

Antarktischer Eis-Schild © W. Hagen / Universität Kiel

Forscher haben die erste vollständige Karte der Eisbewegungen in der Antarktis erstellt. Das aus hunderten von hochaufgelösten Satellitenaufnahmen zusammengesetzte Mosaik schließt gewaltige Lücken im Wissen der Eisforscher. „Bisher hatten wir für die gewaltige Fläche der Ostantarktis, die 77 Prozent des gesamten Kontinents einnimmt, keine brauchbaren Daten“, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“. Nur ein paar einzelne Eisbereiche im Küstenbereich seien erforscht gewesen. Ein umfassendes Bild der Fließwege und Eisgeschwindigkeiten in kontinentalem Maßstab liefere erst die neue Karte.

Die neue Karte enthüllt, wie verästelt und komplex das Fließverhalten der Eismassen rund um den Südpol ist. So nahmen viele der Gletscher auf ihrem Weg zur Küste einen ganz anderen Weg als bisher gedacht, berichten Eric Rignot von der University of California in Irvine und seine Kollegen. Für andere könne man nun erstmals sehen, aus welchen Gebieten im Inland ihr Eis stammt. „Dieser Blick auf die Eisbewegungen definiert unser Verständnis darüber neu, wie das Eis solcher Eiskappen fließt“, sagen die Forscher. Das habe weitreichende Bedeutung für die Rekonstruktion und Vorhersage der Eisdecken-Entwicklung. Die Eiskappe über dem Südpol enthält einen Großteil des gesamten Eisvorrats der Erde. Ihre Entwicklung prägt daher sowohl die globalen Klimamuster als auch das Verhalten der Meeresspiegel.

Radardaten von fünf Satelliten und aus zwei Jahren

Für die Karte kombinierten die Forscher Radardaten von fünf Satelliten verschiedener Raumfahrtagenturen, darunter auch „Envisat“ von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Die insgesamt 900 daraus resultierenden Bildreihen deckten den Zeitraum von 2007 bis 2009 ab. Mehr als 3.000 Erdumkreisungen absolvierten die Satelliten dafür.

Mit Hilfe der im Antarktis-Mosaik eingefangenen Fließmuster können Forscher nun besser vergleichen, wo das Eis langsamer oder schneller strömt. „Die gemessenen Eisgeschwindigkeiten reichen von wenigen Zentimetern bis zu einigen Kilometern pro Jahr“, schreiben die Forscher. Das entspreche einer Spannbreite von fünf Größenordnungen.

Fließgeschwindigkeiten der antarktischen Eismassen in logarithmischer Abstufung und in einer Auflösung von 300 Metern pro Pixel. Schwarze Linien: Hauptscheiden der Eisbewegung. © E. Rignot, J. Mouginot, B. Scheuchl / Science

Gletscher-Zubringer gleiten teilweise wie auf Schmierseife

Mit Hilfe der neuen Karte entdeckten die Forscher unter anderem einen zuvor unbekannten Grat, der sich einmal quer von Osten nach Westen durch den gesamten Kontinent zieht. Außerdem identifizierten sie zahlreiche neue „Zubringer“, die das Eis vom Inland zu den Küstengletschern transportieren. Anders als bisher gedacht gleiten diese gewaltigen Eisströme dabei selbst im Kontinentinneren teilweise wie auf Schmierseife: Feuchtes Sediment, Schmelzwasser oder andere Gleithilfen lassen die Eisdecke an manchen Stellen besonders schnell rutschen, an anderen bremst ein rauerer Untergrund sie aus.

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Dadurch bewege sich das Eis nicht so gleichförmig wie bisher gedacht, sondern je nach Ort sehr unterschiedlich, schreiben die Forscher. Durch dieses Gleiten seien die Eisströme von Küsten und Innerem weitaus enger miteinander verbunden als angenommen. „Das ist eine entscheidende Information, um den zukünftigen Meeresspiegelanstieg vorhersagen zu können“, sagt Thomas Wagner von der US-Raumfahrtbehörde NASA, die das Projekt finanzierte. „Wenn wir Eis an den Küsten verlieren, weil sich der Ozean erwärmt, dann öffnen wir dadurch auch den Hahn, der das Eis aus dem Inneren abfließen lässt.“ (Science, 2011; DOI:10.1126/science.1208336)

(Science, 22.08.2011 – NPO)

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