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Medizin

Viren als Krebstherapeuten

Parvoviren töten bösartige Hirntumorzellen

Computersimulation der Oberfläche eins Parvovirus © Jan Cornelius, Deutsches Krebsforschungszentrum

Die Erfolgschancen der Behandlung sind minimal: Weder Operation noch Chemotherapie oder Bestrahlung können das rapide Wachstum des sehr bösartigen Hirmtumors Glioblastoms verhindern. Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben nun möglicherweise eine neue Therapiestrategien entdeckt. Durch die Injektion der ansonsten harmlosen Parvoviren in den Hirntumor sollen die Krebszellen abgetötet und das Wachstum gestoppt werden.

Das Glioblastom geht von Gliazellen, den Stützzellen des Gehirns, aus. „Die Tumoren sind extrem schwer zu behandeln“, erklärt Professor Dr. Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Der Tumor kann nur dann operativ entfernt werden, wenn dadurch keine schweren Schäden im benachbarten gesunden Hirngewebe gesetzt werden. Aber auch nach einer Operation bleiben fast immer Tumorzellen zurück und nehmen ihr rapides Wachstum rasch wieder auf. Auch eine zusätzliche Chemo- oder Strahlentherapie verhindert dies nicht. „Derzeit überleben nur 50 Prozent der Patienten das erste Jahr“, sagt Unterberg. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 2.000 Menschen an diesem bösartigen Karzinom.

Parvoviren könnten zu einer wirksamen Waffe gegen den gefährlichen Tumor werden, denn sie verfügen über besondere Fähigkeiten: Die winzigen, hüllenlosen Erreger können sich in Tumorzellen vermehren und diese abtöten. Eine Heidelberger Forschergruppe beschäftigt sich mit einem bestimmten Typ der Parvoviren, die vor allem Nagetiere befallen, dem H-1 Virus.

Erstmals konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die zerstörerische Wirkung des H-1 Virus besonders ausgeprägt in Zellen bösartiger Hirntumoren auftritt und bereits eine geringe „Virendosis“ dafür ausreichend ist. „Die Viren beginnen bereits innerhalb von 24 Stunden mit ihrer Vermehrung und töten die Tumorzellen rasch ab“, sagt Dr. Geletneky von der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Warum die Viren als Zellkiller agieren, ist nicht klar, hängt möglicherweise aber mit einem bestimmten viralen Eiweißstoff, dem NS-1 Protein, zusammen. Die wegweisenden Ergebnisse der Heidelberger Untersuchung wurden kürzlich im „International Journal of Cancer“ veröffentlicht. Eine klinische Erprobung ist für die nächsten Jahre geplant.

Weitere Tests mit genetisch veränderten Viren?

Ziel der Forschungsarbeiten ist der klinische Test des bisher getesteten H-1 Virus bei Patienten. Dabei sollen die Viren zielgerichtet direkt in den Hirntumor injiziert werden. „Der Vorteil einer Anwendung bei Glioblastomen ist, dass die Tumorerkrankung im Gegensatz zum Beispiel zum Pankreaskarzinom, bei dem Parvoviren ebenfalls untersucht werden, fast immer auf das Gehirn beschränkt ist“ stellt Geletneky fest. „Wir können daher die Viren in hoher Dosierung direkt an den Ort der Erkrankung bringen.“

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Doch es gibt auch weiterführende Perspektiven: Die Forscher ziehen Virusvarianten in Betracht, zum Beispiel Parvoviren, in deren Erbgut spezielle Gene eingeschleust wurden, die eine Immunantwort gegen die Krebszellen auslösen oder einen Giftstoff produzieren, der die Zelle abtötet. Ebenso wichtig ist natürlich, vorab zu klären: Können die Viren dem Patienten schaden? „In Tierversuchen haben die ins Gehirn injizierten Viren bislang keinerlei entzündliche oder toxische Reaktion hervorgerufen“, sagt Geletneky.

(Universitätsklinikum Heidelberg – idw, 26.07.2004 – AHE)

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