Auf sexuelle Reize antworten Körper und Geist bei Frauen eher getrennt, während die Reaktionen bei Männern eher aufeinander abgestimmt sind. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie eines internationalen Forscherteams. Die Wissenschaftler berichten über ihre Meta-Analyse zur Übereinstimmung zwischen subjektivem Empfinden und physiologisch messbaren Anzeichen sexueller Erregung in der Online-Ausgabe des Springer-Journals „Archives of Sexual Behavior“.
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Sexuelle Reaktionen des Menschen sind eine dynamische Kombination aus kognitiven, emotionalen und physiologischen Prozessen. Die Forscher um Meredith Chivers von der Queen‘s University in Kingston, Kanada, und ihre internationalen Mitarbeiter Michael Seto, Martin Lalumière, Ellen Laan und Teresa Grimbos befassten sich mit der Frage, in welchem Maß sich das persönliche Empfinden sexueller Erregung in physiologischer Aktivität der Genitalien niederschlägt.
Sie wollten aber auch wissen, ob sich im Rahmen einer Meta-Analyse mehrerer psychophysiologischer Studien zu diesem Thema geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen lassen.
Daten von mehr als 4.400 Frauen und Männern analysiert
Die Wissenschaftler arbeiteten deshalb auf der Grundlage von 134 Studien, die zwischen 1969 und 2007 erschienen sind. Sie alle untersuchten das Maß an Übereinstimmung zwischen subjektivem Empfinden sexueller Erregung und physiologisch messbaren Reaktionen der Genitalien. Insgesamt basierten diese Studien auf den Daten von über 2.500 Frauen und 1.900 Männern.
Die Teilnehmer machten Angaben zum Grad ihrer Erregung während und nach dem Kontakt mit einer Vielzahl sexueller Reize – die so genannte subjektive Erregung. Mithilfe unterschiedlicher Methoden hielten die Wissenschaftler gleichzeitig die physiologischen Reaktionen fest, darunter den Grad der Erektion bei den Männern und Veränderungen der genitalen Durchblutung bei den Frauen.
Geschlechtsspezifische Unterschiede
Bei Männern ließ sich dabei nach Angaben der Wissenschaftler ein größeres Maß an Übereinstimmung zwischen subjektiv empfundener und physiologischer Erregung feststellen als bei Frauen. Bei der Suche nach Faktoren, die eine Erklärung für diese geschlechtsspezifische Diskrepanz liefern könnten, identifizierten die Wissenschaftler insbesondere zwei methodologische Unterschiede.
Im Hinblick auf das Maß an Übereinstimmung zwischen subjektiver und physiologischer Erregung spielte die Art der sexuellen Reize – also etwa ihr Inhalt oder die Art der Präsentation, beispielsweise visuell oder akustisch – bei den Männern keine Rolle, bei den weiblichen Teilnehmern allerdings schon. Waren Frauen bei Inhalt und Präsentation einer größeren Anzahl und Bandbreite von sexuellen Reizen ausgesetzt, ergab sich auch ein höheres Maß an Übereinstimmung.
Verständnis der sexuellen Erregung verbessert
Auch der Zeitpunkt der Beurteilung der subjektiven Erregung spielte nach Angaben der Forscher eine Rolle. Wurden die Teilnehmer am Ende jedes sexuellen Reizes um eine Beurteilung gebeten, lagen die Reaktionen der Männer enger beieinander als die der Frauen. Geschah dies jedoch bereits vorher, ging das Maß an Übereinstimmung bei den Männern auf das der Frauen zurück.
Die Wissenschaftler ziehen aus ihren Resultaten folgende Schlussfolgerung: „Die Beurteilung der sexuellen Erregung von Männern und Frauen ist als wesentlicher Bestandteil theoretischer Studien zur menschlichen Sexualität von ganz erheblicher Bedeutung, auch beispielsweise bei der Behandlung sexueller Dysfunktionen – das Wissen um die Zusammenhänge ist Grundlage für weitere theoretische und praktische Entwicklungen in der Erforschung der menschlichen Sexualität. Für das Verständnis der sexuellen Erregung, das Wesen von Geschlechtsunterschieden und das Entstehen sexueller Reaktionen sind unsere Erkenntnisse wegweisend.“
(Springer-Journal Archives of Sexual Behavior, 05.01.2010 – DLO)