Anzeige
Evolution

Der erste Akt…

Stanley Millers Experiment

Oktober 1951, Universität von Chicago. Der Student Stanley Miller besucht eine Vorlesung des Nobelpreisträgers Harold Urey, in der dieser Theorien zur Zusammensetzung der frühen Atmosphäre der Erde erörtert. Urey vertritt die Vorstellung, dass in einer reduzierenden Atmosphäre mit Methan, Ammoniak und Wasserstoff die besten Voraussetzungen gegeben seien, um organische Verbindungen, die Bausteine des Lebens, entstehen zu lassen. Und er schlägt vor, dass irgend jemand doch mal ein entsprechendes Experiment konzipieren könnte – ein Vorschlag, den der junge Miller prompt befolgt.

Stanley Miller in seinem Labor 1970 © Scripps Institution of Oceanography Archives

„Wird wahrscheinlich eh nicht funktionieren“

„Also ging ich zu ihm und sagte: Ich würde diese Experimente gerne machen“, erzählt Miller später in einem Interview mit Sean Henahan von Access Excellence und fährt fort: „Zuerst versuchte Urey mir die ganze Sache auszureden. Als er merkte, dass ich fest entschlossen war, erklärte er, es sei ein sehr riskantes Experiment und würde wahrscheinlich ohnehin nicht funktionieren und er sei schließlich verantwortlich dafür, dass ich nach den drei Jahren meiner Graduate-Zeit einen Abschluss bekäme.“ Doch Miller bleibt stur und schließlich einigen sich beide auf eine sechsmonatige Testphase.

Urerde im Labor

Wie sich herausstellt, braucht der Forscher jedoch nur ein paar Wochen, um die Sensation perfekt zu machen. Ausgehend von den Annahmen Ureys beginnt er, sich eine Urerde im Laborformat zu basteln. In einem Glaskolben brodelt bald Millers „Urozean“, im Kolben darüber wabert die „Atmosphäre“, eine Mischung aus Methan(CH4), Ammoniak (NH3), Wasserstoff (H2) und dem aus dem Wasser aufsteigenden Wasserdampf.

Wiederentdeckte Proben eines Experiments von Miller aus dem Jahr 1958 © Scripps Institution of Oceanography, UC San Diego

Um jede Kontamination auszuschließen, verfrachtet der Forscher anschließend den gesamten Versuchsaufbau nach dem Befüllen für 18 Stunden in einen Autoklaven. Die Gasmischung setzt Miller kontinuierlichen elektrischen Entladungen aus – den „Blitzen“ seiner Miniaturwelt. Diese sollen die Energie für Reaktionen der Gase untereinander liefern.

Lebensbausteine aus dem Nichts

Und tatsächlich: „Wir wussten sehr schnell, dass etwas geschehen war, als sich nach einigen Tagen die Farbe der Flüssigkeit änderte“, erklärt Miller. In dem „Urozean“ des Forschers finden sich plötzlich einfache organische Verbindungen wie Formaldehyd und Cyanwasserstoff, aber auch Aminosäuren wie Glycin. Aus dem wässrigen Urozean ist eine nahrhafte „Ursuppe“ geworden.

Anzeige

Zum ersten Mal hatte damit ein Forscher experimentell bewiesen, dass unter den vermeintlich so lebensfeindlichen Bedingungen der frühen Erde – reduzierende Atmosphäre und hohe Temperaturen – tatsächlich wichtige Bausteine des Lebens entstehen können.

Die baryonischen akustischen Oszillationen hinterließen subtile Schwankungen in der Galaxienverteilung. © Zosia Rostomian/ LBNL

In der Wissenschaftswelt stößt Millers Ergebnis allerdings zunächst auf pure Ungläubigkeit. Ohne den guten Ruf und den Einfluss seines Mentors Urey wäre Millers Bericht vermutlich niemals in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science erschienen. Doch der simple Versuchsaufbau und die gute Reproduzierbarkeit sorgen schon bald dafür, dass Millers Ursuppenversuch weltweit Schule macht.

Auch die inzwischen eher als unwahrscheinlich geltende Millersche Atmosphärenmischung mit Methan und Ammoniak scheint dabei kein Hindernis zu sein: Ähnliche Experimente mit Stickstoff- und Kohlendioxidhaltigen reduzierenden Atmosphären lassen ebenfalls die begehrten Amino-, Karbon- oder Fettsäuren entstehen. Die in diesen Ursuppenexperimente der 2. Generation erzeugten Biomoleküle füllen inzwischen schon ganze Bücher, auch fast alle der 20 als essenziell geltenden Aminosäuren sind darunter vertreten.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. 10
  22. |
  23. 11
  24. |
  25. weiter

Nadja Podbregar
Stand: 25.10.2013

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Spurensuche in der Ursuppe
Rätsel um die Entstehung des Lebens

Die Bühne...
Welche Bedingungen herrschten auf der Urerde?

Der erste Akt...
Stanley Millers Experiment

Wassersuppe statt Kraftbrühe?
Warum die Ursuppe möglicherweise ausscheidet

Bio-Pfannkuchen statt Ursuppe
Mineraloberflächen als Katalysatoren

Life in the Sheets
Entstand das Leben im blättrigen Glimmer?

Zellmembran gesucht
Wie entstand die erste Zelle?

Geysire als Wiege des Lebens?
Geothermale Felder könnten einst günstige Bedingungen geboten haben

Henne oder Ei?
Das DNA-Protein-Problem und die RNA-Welt

Links oder rechts?
Das Problem der Chiralität

Lebensbausteine aus dem All?
Meteoriten als kosmische Lebensbringer

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Mikrobengenom verrät Überlebensstratgie der ersten Lebewesen
Essigsäure-Stoffwechsel eines Ur-Bakteriums entschlüsselt

Heiße Tümpel an Land waren Wiege des Lebens
Geothermische Brühe entspricht Chemikaliencocktail im Inneren von Zellen

Ursuppe: Meteoriten brachten DNA-Bausteine
Zahlreiche verschiedene Basen der Erbmoleküle in Proben entdeckt

Miller-Experiment: „Ursuppe“-Proben wiederentdeckt
Neuanalyse wirft neues Licht auf die Bildung der ersten Lebensbausteine

Tonblasen als Ort der Lebensentstehung?
Hohlräume mit semipermeabler Hülle könnten günstige Bedingungen für Bildung der ersten Biomoleküle geboten haben

Symmetriebrüche in kosmischer „Ursuppe”
Teilchenbeschleuniger erzeugt winzige Blasen symmetriebrechender Quarks

Dossiers zum Thema