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Evolution

Lebensbausteine aus dem All?

Meteoriten als kosmische Lebensbringer

Für einige Wissenschaftler, darunter auch die Chemikerin Sandra Pizarello von der Arizona State Universität, lautet die Antwort auf das Rätsel der Homochiralität schlicht: Der Anstoß kam aus dem Weltall. Meteoriten, so ihre These, brachten das molekulare Symmetrie-Ungleichgewicht auf die Erde.

Stück des Murchison-Meteoriten, ausgestellt im National Museum of Natural History in Washington © Art Bromage / CC-by-sa 2.0

Einen Hinweis auf ein solches Szenario liefert möglicherweise der Murchison-Meteorit. Dieser im Jahr 1969 in Australien auf die Erde gestürzte kosmische Gesteinsbrocken ist mit 4,5 Milliarden Jahren nicht nur genauso alt wie die Erde, er erweist sich auch als ein Kurier der besonderen Art: In seinem Inneren entdeckten Wissenschaftler mehr als 70 verschiedene Aminosäuren, davon immerhin acht der für das Leben als existenziell geltenden. Und überraschenderweise überwiegen in diesem Aminosäurengemisch die linksdrehenden um mehr als ein Drittel. Könnte diese leichte Dominanz vielleicht schon ausgereicht haben, um das irdische Chiralitätsgleichgewicht zu verschieben?

Linkshändige Meteoritenfracht

Um das herauszufinden, baute Pizarello gemeinsam mit ihrem Kollegen Arthur Weber das Szenario kurzerhand in einem Laborexperiment nach. Sie vermischte eine Lösung, die die für den Murchison-Meteoriten typischen Links-Rechts-Anteile der Aminosäure Isovalin enthielt mit zwei weiteren Kohlenstoffverbindungen, die auf der frühen Erde wahrscheinlich häufig waren, Glycoaldehyd und Formaldehyd. Wie erwartet reagierten die Substanzen miteinander und es entstand Threose, ein einfacher, in vielen lebenden Organismen vorkommender Zucker.

Das Entscheidende war jedoch, dass sich dabei offenbar das Ungleichgewicht in der Chiralität von der Aminosäure auf den Zucker übertragen hatte – allerdings in genau umgekehrter Richtung: Nach dem Experiment fand sich in der Lösung rund fünf Prozent mehr rechtshändige Threose als linkshändige. Warum und wie das Isovalin die Händigkeit des Zuckers beeinflusst, ist auch Pizarello noch ein Rätsel. Aber die Forscherin ist sich sicher, dass die linkshändigen Aminosäuren des Meteoriten die Antwort in sich bergen: „Deswegen fahre ich ja fort, diese vermaledeiten Moleküle zu untersuchen“, erklärt sie.

Asteroid auf dem Weg zur Erde. Auf solchen Brocken lassen sich Aminosäuren nachweisen © State Farm / CC-by-sa 2.0 us

DNA-Basen aus dem Weltall

Dass Meteoriten nicht nur Aminosäuren, sondern auch die Grundbausteine unserer DNA auf die Erde gebracht haben könnten, belegten im Jahr 2011 NASA-Forscher um Jason Dworkin. Sie hatten zwölf kohlenstoffhaltige Meteoriten mittels hochauflösender Massenspektroskopie analysiert – und wurde prompt fündig: In elf der Proben konnten die Forscher Spuren der DNA-Base Adenin nachweisen. Drei der Meteoriten enthielten sogar noch weitere Basenarten. Darunter fanden sich auch erstmals drei DNA-Basen, die auf der Erde nicht oder nur in verschwindend geringer Konzentration vorkommen.

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„Der Fund von Nukleobasen, die für die irdische Biochemie untypisch sind, ist ein starkes Indiz für deren extraterrestrische Herkunft“, sagen die Wissenschaftler. Denn schon vorher hatten Analysen vereinzelte Basen in Meteoritenmaterial entdeckt. Damals konnte aber nicht ausgeschlossen werden, dass diese nachträglich – erst nach dem Sturz des Meteoriten auf die Erde – ins Gestein gelangt waren. Bei der neuen Analyse müssen zumindest die auf der Erde nicht vorkommenden Basen tatsächlich aus dem Weltraum „importiert“ worden sein – und damit wahrscheinlich auch die anderen nachgewiesenen.

Dieser Fund habe weitreichende Bedeutung für unser Bild von der Entstehung des Lebens auf der Erde, konstatieren die Forscher. „Es zeigt uns, dass Meteoriten als eine Art molekulare Werkzeugkästen fungiert haben könnten: Sie lieferten die entscheidenden Grundbausteine für das Leben.“

Kandidat für den Lebensbringer

In ergänzenden Laborexperimenten haben Dworkin und seine Kollegen bereits demonstriert, dass diese DNA-Bausteine tatsächlich unter den Bedingungen des Weltraums entstanden sein könnten: Sie lassen sich durch chemische Reaktionen von Ammonium und Zyanid erzeugen. Beide Chemikalien gelten als im All häufig vorkommend. „Die ersten Zellen auf der frühen Erde entstanden vermutlich aus drei Komponenten: Nukleinsäuren, Proteinen und Zellmembranen. Molekulare Bausteine für all diese Makromoleküle sind nun in Meteoriten identifiziert worden“, erklären die Forscher. Daher sei es wahrscheinlich, dass Meteoriten einst die essenziellen Zutaten für die Lebensentstehung auf die Erde – und möglicherweise auf andere Planeten – brachten.

Allerdings: Auch ihre Theorie ist bisher nur eine von vielen. Trotz aller Fortschritte in der Forschung, modernster Analysemethoden und geballter Rechnerkraft ist die Suche nach der Wiege des Lebens nach wie vor mehr von Hypothesen und sich widersprechenden Theorien geprägt als durch belegtes Wissen. Zwar finden sich gerade in letzter Zeit immer mehr kleine Einzelteile dieses großen Puzzles, ein schlüssiges Gesamtbild scheint aber noch lange nicht in Sicht.

„Wir werden wohl niemals viele konkrete Informationen über die Entstehung des Lebens haben“, erklärt der kanadische Evolutionsbiologie Ford Doolittle. „Aber nur weil wir wahrscheinlich ebenso wenig über den Fall des römischen Reiches wissen, heißt das ja nicht, dass wir nicht darüber reden und spekulieren.“

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Nadja Podbregar
Stand: 25.10.2013

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

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