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Informatik

KI oder Supercomputer – wer macht bessere Wettervorhersagen?

Künstliche Intelligenz erstellt 10-Tages-Wetterprognosen auch ohne physikalisches Wissen

Wetterkarte und KI
Ein neuentwickeltes KI-System kann das Wetter genauso gut vorhersagen wie die bisher gängigen hochkomplexen physikalischen Wettermodelle. © royimzy, Petrovich9/ Getty images

Neuronales Netz statt Supercomputer: Ein neues KI-System kann mittelfristige Wettervorhersagen genauso gut erstellen wie gängige Modelle – ohne auch nur eine physikalische Gleichung zu kennen. Auch ein Supercomputer ist nicht nötig. Stattdessen nutzt die von Google-DeepMind entwickelte künstliche Intelligenz „GraphCast“ nur Wetterdaten und einen einzigen KI-Chip. Trotzdem kann diese KI schnelle und präzise globale Zehn-Tages-Wetterprognosen erstellen und schlägt dabei sogar das aktuell beste numerische Wettermodell, wie das Team in „Science“ berichtet. Dies markiere einen Wendepunkt für die Wettervorhersage.

Das Wetter ist ein extrem dynamisches, komplexes System. Tausende interagierender Faktoren beeinflussen, wie sich eine Wetterlage entwickelt. Um diese Komplexität zu erfassen, nutzen Meteorologen umfangreiche numerische Vorhersagemodelle, die die physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Atmosphäre und ihre Wechselwirkungen mit der Erdoberfläche nachbilden. Auf Basis dieser komplexen Gleichungen und aktueller Wetterdaten liefern diese Systeme dann die Prognosen.

Wetterkarte
Wetterkarte für ein Sturmtief über Europa. © Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz/ CC-by-sa 2.5 ch

„Das zurzeit beste dieser Prognosesysteme, der High Resolution Forecast (HRES) des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF), erzeugt globale Zehn-Tages-Vorhersagen mit einer 0,1-Grad Auflösung innerhalb von rund einer Stunde“, erklären Remi Lam von Google DeepMind und seine Kollegen. Allerdings benötigen solche Systeme dafür auch besonders leistungsstarke Supercomputer.

Neuronale Netzwerke, Wetterdaten und ein KI-Chip

Es geht aber auch einfacher, schneller und sparsamer, wie nun eine von Lam und seinem Team entwickelte künstliche Intelligenz demonstriert. Anders als die gängigen Wettermodelle beruht der Prognose-Ansatz ihres KI-Systems nicht auf physikalischen Gleichungen und komplexen Modellsimulationen. Stattdessen lernt das „GraphCast“ getaufte KI-System typische Entwicklungen des Wetters allein auf Basis historischer Wetterdaten. „Dadurch hat dieses System das Potenzial, auch die Muster in den Daten zu erkennen, die sich nicht so einfach über explizite Gleichungen repräsentieren lassen“, erläutern die Forschenden.

Konkret besteht GraphCast aus gekoppelten neuronalen Netzwerken mit insgesamt 36,7 Millionen Parametern – im Vergleich zu ChatGPT und anderen künstlichen Intelligenzen ist es demnach eher ein kleines Modell, wie Lam und sein Team erklären. Anders als die gängigen Prognosemodelle benötigt das KI-System zudem keinen Supercomputer, sondern ist vergleichsweise sparsam: Dank spezieller KI-Hardware läuft GraphCast auf nur einem Tensor-Prozessor (TPU) von sechs Quadratzentimeter Größe.

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Von einem Wetterzustand zum nächsten

Für sein Training erhielt das KI-System für jede 28 mal 28 Kilometer große Gitterzelle seiner Weltkarte historische Wetterdaten aus der Zeit von 1979 bis 2017. Die in Sechs-Stunden-Abständen erfassten Daten umfassten die wichtigsten Wetterparameter, darunter Windgeschwindigkeit und -richtung, Temperaturen, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck in verschiedenen Höhen. Anhand dieser Daten trainierte GraphCast, die Wetterparameter des jeweils nächsten Zeitpunkts anhand der beiden vorhergehenden Eingaben vorherzusagen.

Nach diesem Training benötigt GraphCast nur zwei Datensätze für seine Wetterprognosen: die aktuellen Wetterdaten und die von sechs Stunden davor. Daraus kann er dann ermitteln, wie das Wetter in jeder der Gitterzellen weltweit wird. „Außerdem ist GraphCast auto-regressiv: Es kann seine eigenen Ergebnisse wieder als Input nutzen, um eine beliebig lange Kette von aufeinander aufbauenden Vorhersagen zu erstellen“, erklären Lam und sein Team. Dadurch kann die künstliche Intelligenz eine globale Zehn-Tages-Prognosen für hunderte Wettervariablen und 28-Kilometer Auflösung erstellen – in weniger als einer Minute.

KI schlägt gängiges Wettermodell

Doch wie treffsicher ist die Wetterprognose von GraphCast? Um das zu testen, ließen Lam und sein Team ihre KI gegen das europäische HRES-Modell antreten. Als Testaufgabe für die Zehn-Tages-Prognose dienten Wetterdaten von 2018 und 2021, die nicht in den Trainingsdaten enthalten waren. Das Ergebnis: „GraphCast schlug das HRES in 90,2 Prozent der 1.380 Variablen“, berichten die Forschenden. Besser war das etablierte HRES-Wettermodell fast nur in den Vorhersagen für die Stratosphäre. Wurden diese Niveaus weggelassen, lag GraphCast sogar in 99,7 Prozent der Fälle vorn.

Interessant auch: Die künstliche Intelligenz sagte Wetterextreme wie Hitze, tropische Wirbelstürme oder atmosphärische Flüsse ebenfalls zuverlässiger voraus als HRES. „Obwohl GraphCast nicht explizit für solche Wetterextreme trainiert wurde, demonstrieren diese Prognose-Leistungen seine Robustheit und sein Potenzial für solche Anwendungen“, konstatieren Lam und seine Kollegen.

Allerdings räumen die Wissenschaftler ein, dass das KI-Modell Schwächen bei der Einschätzung der Unsicherheiten zeigt: Seine Vorhersagen machen gerade bei längerfristigen Prognosen nicht transparent, wie zuverlässig die Vorhersage ist und wie groß die Wahrscheinlichkeit für Abweichungen.

Kein Ersatz, aber eine Ergänzung

Nach Ansicht von Lam und seinem Team hat ihr KI-System jedoch bewiesen, dass sich das Wetter mithilfe solcher lernfähigen Systeme auch ohne aufwendige numerische Modelle und Supercomputer vorhersagen lässt. „Dies markiert einen Wendepunkt in der Wettervorhersage“, schreiben sie. Denn KI-Systeme wie GraphCast könnten Wetterprognosen künftig günstiger, schneller und für breitere Zielgruppen zugänglicher machen.

Gleichzeitig betonen die DeepMind-Forscher aber auch, dass sie GRaphCast nicht als Konkurrenz oder gar Ersatz für gängige numerische Prognosemodelle wie HRES sehen. Diese seien weiterhin unverzichtbar. „Aber unser Ansatz hat das Potenzial, die aktuell besten Prognosemethoden zu ergänzen und zu verbessern“, so Lam und seine Kollegen. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.adi2336)

Quelle: Science, American Association for the Advancement of Science (AAAS)

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