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Physik

Wasserstoff zeigt exotischen Quantenzustand

Neuartige Paarbildung von Elektronen in stark verdichtetem Wasserstoffplasma

Wasserstoff
Wasserstoff kann unter bestimmten Bedingungen einen exotischen Zustand einnehmen, bei dem die Elektronen benachbarter Atome Paare bilden. © Blackjack3D/ iStock

Neuartige Reaktion: Wasserstoff kann unter Druck einen exotischen Zustand einnehmen, der bisher nur von ultrakalten Quantenflüssigkeiten bekannt war. Dabei bilden Elektronen benachbarter Atome trotz Abstoßung Paare und die Energie des Wasserstoffs nimmt dadurch trotz Anregung ab statt zu, wie Physiker berichten. Ihre Berechnungen legen nahe, dass ein ionisiertes Wasserstoff-Plasma unter Druck ein solches „Roton-artiges“ Verhalten zeigen müsste – und dass dieses in Freie-Elektronen-Lasern nachweisbar sein könnte.

Normalerweise reagieren Atome bei Energiezufuhr durch Strahlung mit einer Anregung: Sie schwingen stärker, ihre Elektronen nehmen höhere Energieniveaus ein. Als Folge dieses photoelektrischen Effekts kann ein Atom Elektronen verlieren und ionisiert werden, häufiger gibt es die überschüssige Energie aber einfach wieder als Photon ab. Je höher die Energie der auftreffenden Strahlung, desto energiereicher ist das angeregte Atom – normalerweise.

Roton-artiges Verhalten
Die Paarbildung bei Elektronen benachbarter Wasserstoffatome zeigt sich an einer Röntgenstreuungsanomalie und einer Senke im Energiespektrum. © Jan Vorberger

Paarbildung unter Druck

Doch es gibt ein Phänomen, bei dem sich diese normale Reaktion scheinbar umkehrt: Unter extremen Bedingungen reagieren die Atome auf die Energiezufuhr nicht mehr mit einer Zunahme ihrer Anregung, sondern scheinen sogar an Energie zu verlieren. Dies wurde unter anderem in ultrakalten Quantenfluiden beobachtet. Wenn sich bei ihnen die Wellenlänge der Schwingungen dem mittleren Abstand der Atome annähert, sinkt die über Fluktuationen messbare Energie des Systems.

Physiker bezeichnen dieses Phänomen als „Roton-artiges“ Verhalten. Sie führen diesen exotischen Zustand darauf zurück, dass die Elektronen der dicht aneinander gedrängten Atome unter diesen Bedingungen ihre Abstoßung überwinden und Paare bilden. Unklar war jedoch bisher, ob dieser Zustand auch in sogenannter „warmer dichter Materie“ auftreten kann, beispielsweise einem stark komprimierten Plasma, und ob er überhaupt nachweisbar wäre.

Roton-Verhalten auch in dichtem Wasserstoffplasma

Genau das haben nun Paul Hamann von der Universität Kiel und sein Team für den Wasserstoff theoretisch untersucht. Dabei ermittelten sie mithilfe physikalischer Modelle, ob das Roton-artige Verhalten auch in teilweise ionisiertem Wasserstoff-Plasma vorkommen könnte – solche Plasmen kommen in astronomischen Objekten wie Sternen, im Inneren von Gasplaneten und auch in Fusionsreaktoren vor. Daher ist es wichtig, die Reaktion solcher Plasmen möglichst genau zu kennen.

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Es zeigte sich: „Unsere Ergebnisse bestätigen, dass dieser Effekt auch in warmem, dichtem Wasserstoff beobachtbar sein müsste“, berichten die Physiker. Demnach kann auch ein Wasserstoffplasma dieses Roton-artige Verhalten zeigen und die dafür typischen Elektronenpaare bilden. Dies geschieht, wenn die Elektronendichte im Wasserstoffplasma höher liegt als rund 50 Trilliarden Elektronen pro Kubikzentimeter und die Temperatur bei gut 40.000 Kelvin liegt, wie Hamann und seine Kollegen ermittelten.

Beschießt man dieses dichte Plasma dann mit energiereichen Röntgenstrahlen, löst die Anregung das Roton-artige Verhalten aus. „Interessanterweise zeigt unsere Analyse, dass dieses Roton-Merkmal bei Wasserstoff nicht nur möglich ist, es wird sogar durch die Präsenz von Wasserstoff-Ionen noch substanziell stabilisiert“, so das Team.

In Freie-Elektronenlasern nachweisbar

Allerdings wirft dies die Frage auf, ob dieser exotische Zustand des Wasserstoffs auch experimentell nachweisbar ist. Wie die Physiker ermittelten, ist dies der Fall: „Bei den typischen Photonenenergien der Röntgenstreuungsexperimente in Freie-Elektronen-Lasern zwischen sechs und neun Kiloelektronenvolt sollten die Streuungssignale dieses Zustands bei Nutzung von zwei Detektoren detektierbar sein“, berichten sie. Dies setzt jedoch eine hohe Auflösung der Streuungswinkel und Frequenzen voraus.

„Diese Auflösungen sollten aber in Reichweite kommender Röntgenstreuungsexperimente an Freie-Elektronen-Lasern sein“, konstatieren die Forscher. Damit liegt der Ball jetzt im Feld der Experimentalphysik, die nun versuchen muss, den neuartigen Wasserstoffzustand auch praktisch nachzuweisen. Relevant wäre dies für das dichte Innere astronomischer Objekte, aber auch für die Kernfusion. (Physical Review Research, 2023; doi: 10.1103/PhysRevResearch.5.033039)

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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