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Physik

Stärkstes Magnetfeld des Universums erzeugt

Schwerionen-Kollisionen erzeugen kurzlebiges Magnetfeld mit einer Trillion Gauß

Schwerionen-Kollision
Bei der Kollision von Schwerionen entsteht ein immens starkes Magnetfeld, das auch das erzeugte Quark-Gluon-Plasma beeinflusst. © Tiffany Bowman, Jen Abramowitz/ Brookhaven National Laboratory

Stark, aber kurz: Physiker haben in einem US-Teilchenbeschleuniger das wahrscheinlich stärkste Magnetfeld des Universums erzeugt. Es hat die enorme Feldstärke von einer Trillion Gauß, hält aber nur winzige Sekundenbruchteile an. Die enormen Magnetkräfte entstehen, wenn Schwerionen im Teilchenbeschleuniger seitlich versetzt miteinander kollidieren und ein Quark-Gluon-Plasma erzeugen. Die dabei auftretenden Effekte geben Einblick in den Kosmos direkt nach dem Urknall, aber auch in die Starke Kernkraft.

Wenige Sekundenbruchteile nach dem Urknall gab es noch keine Atome oder Kernbausteine – Quarks und Gluonen bewegten sich frei umher. Dieses Quark-Gluon-Plasma bildete die „Ursuppe“, aus der alle Materie im Kosmos entstanden ist. Um diesen Zustand zu erforschen, erzeugen Physiker winzige, kurzlebige Tröpfchen des Quark-Gluon-Plasmas, indem sie in Teilchenbeschleunigern Schwerionen wie Gold- oder Bleikerne mit hohen Energien miteinander kollidieren lassen.

STAR-Detektor
Teilchenspuren im STAR-Detektor des Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) erlauben Rückschlüsse darauf, ob bei einer Schwerionen-Kollision ein Magnetfeld entsteht und wie stark es ist. © Roger Stoutenburgh, Jen Abramowitz/ Brookhaven National Laboratory

„Das bei diesen relativistischen Schwerionen-Kollisionen erzeugte Quark-Gluon-Plasma ermöglicht es uns, die fundamentalen Eigenschaften der Materie unter extremen Bedingungen zu erforschen“, erklären die Physiker der STAR-Kollaboration. Frühere Experimente haben bereits gezeigt, dass dieses „Ur-Plasma“ die flüssigste Flüssigkeit im Universum ist, keinerlei innere Reibung besitzt und daher schneller rotieren kann als jedes andere Fluid.

Atomkern-Kollisionen im Beschleuniger

Jetzt haben die Physiker ein weiteres Geheimnis des Quark-Gluon-Plasmas gelüftet. Für ihr Experiment hatten sie den Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) am Brookhaven National Laboratory in den USA genutzt, um Atomkerne von Gold, Ruthenium oder Zirkonium zu beschleunigen und sie mit Energien von bis zu 200 Gigaelektronenvolt kollidieren zu lassen. Bei diesen Schwerionen-Kollisionen entsteht jeweils für rund 100 Quadrillionstel Sekunden ein Quark-Gluon-Plasma.

Das Entscheidende jedoch: Manchmal kollidieren diese Schwerionen nicht genau frontal, sondern treffen sich leicht seitlich versetzt. Dies verleiht der entstehenden Teilchenwolke samt Plasma einen Drall, durch den Quarks, Gluonen und noch nicht zerfallene, positiv geladenen Protonen aneinander vorbeiwirbeln. Theoretische Vorhersagen zufolge müsste dies ein starkes Magnetfeld erzeugen. Doch wie stark dieses Magnetfeld tatsächlich ist und wie es sich auf das Quark-Gluon-Plasma auswirkt, blieb unklar.

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Eine Trillion Gauß – für 100 Quadrillionstel Sekunden

Diese Messung ist nun dem Team der STAR-Kollaboration erstmals gelungen. Anhand der Flugbahnen der bei den Kollisionen erzeugten Teilchen ermittelten sie, dass im Quark-Gluon-Plasma tatsächlich ein starkes Magnetfeld entsteht. Dessen Feldstärke erreicht 1018 Gauß – eine Trillion Gauß. „Dies ist wahrscheinlich das stärkste Magnetfeld in unserem Universum“, erklärt Koautor Gang Wang von der University of California in Los Angeles.

Zum Vergleich: Das Erdmagnetfeld hat eine Stärke von rund 0,5 Gauß, ein Kühlschrankmagnet kommt auf rund 100 Gauß. Das jetzt im Teilchenbeschleuniger erzeugte Magnetfeld ist noch einmal rund tausendmal stärker als die Felder der Magnetare – extrem dichten, schnellrotierenden Neutronensternen, die zu den stärksten Magneten des Kosmos gehören. Allerdings hält das Rekord-Magnetfeld im Teilchenbeschleuniger nicht lange an: Schon nach 10-23 Sekunden – rund 100 Quadrillionstel Sekunden – verschwindet es wieder.

Magnetfeld
Bei der seitlichen Kollision zweier schwerer Atomkerne entsteht ein extrem starkes Magnetfeld (B). Dieses erzeugt durch Faraday-Induktion ein elektromagnetisches Feld im Quark-Gluon-Plasma, das die Bahnen geladener Teilchen ablenkt. Die Stärke der Ablenkung erlaubt Rückschlüsse auf die elektrische Leitfähigkeit des Plasmas. © Diyu Shen/ Fundan University

Elektromagnetisches Feld auch im Quark-Gluon-Plasma

Dennoch gelang es den Physikern, den Effekt des ultrastarken Magnetfelds auf das Quark-Gluon-Plasma zu beobachten. „Dies ist die erste Messung, die zeigt, wie das Magnetfeld mit dem Quark-Gluon-Plasma wechselwirkt“, sagt Koautor Diyu Shen von der Fudan Universität in China. Im Speziellen wollte das Team wissen, ob der Magneteinfluss ein korrespondierendes elektromagnetisches Feld im Quark-Gluon-Plasma induziert und wie stark dieses ausfällt.

Tatsächlich enthüllten die Messungen, dass die wirbelnde Wolke aus freien Quarks und Gluonen stark auf das Magnetfeld reagiert. „Wir sehen ein Muster der ladungsabhängigen Ablenkung, die nur durch ein elektromagnetisches Feld im Quark-Gluon-Plasma ausgelöst worden sein kann – ein klares Zeichen für eine Faraday-Induktion“, erklärt Koautor Aihong Tang vom Brookhaven National Laboratory. Demnach hat das Quark-Gluon-Plasma eine sehr hohe Leitfähigkeit.

Leitfähige und magnetische Ursuppe des Kosmos

Dieser Ergebnisse geben damit neue Einblicke in die fundamentalen Eigenschaften der kosmischen „Ursuppe“. Dies wiederum verrät, unter welchen Bedingungen damals die ersten Materiebausteine entstanden. So könnten die Magnetfelder im Quark-Gluon-Plasma dazu führen, dass sich geladene Teilchen je nach Ladung und magnetischem Spin räumlich trennen. „Unsere Studie liefert starke Belege für ein solches Magnetfeld und damit eine Voraussetzung für diesen chiralen Magneteffekt“, erklärt Shen.

Die neuen Erkenntnisse könnten aber auch verraten, wie sich die Starke Kernkraft unter solchen Bedingungen verhält. „Denn die von der Starken Kernkraft vermittelten Interaktionen der Quarks und Gluonen müssten sich in einem extremen elektromagnetischen Feld verändern“, erklärt Wang. (Physical Review X, 2024; doi: 10.1103/PhysRevX.14.011028)

Quelle: Brookhaven National Laboratory

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