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Physik

Materie aus dem „Nichts“

E=mc2: Physiker ermitteln Zeitdauer für die Teilchenbildung aus dem Vakuum

BEamline
Bei entsprechend hohen Energien können aus dem Vakuum reale Teilchen entstehen. Diese Schaffung von Materie aus dem "nichts" könnte in dieser Anlage, der Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF) am European XFEL bald möglich sein. © HZDR/ Science Communication Lab

Stoppuhr für Einsteins Formel: Bei starker Energiezufuhr kann selbst aus dem Vakuum neue Materie in Form von Teilchen entstehen – das besagt Einsteins berühmte Formel E=mc2. Doch wie lange dauert es, bis beispielsweise ein Elektron-Positron-Paar aus den Quantenfluktuationen des Vakuums entsteht? Das haben Physiker jetzt berechnet. Ihr Ergebnis: Diese Teilchenpaare entstehen nicht instantan, wohl aber sehr, sehr schnell: Sie benötigen weniger als ein bis zwei Trilliardstel Sekunden.

Im Jahr 1905 stellte Albert Einstein seine wohl berühmteste Formel auf: E=mc2. Sie besagt, dass Masse und Energie äquivalent sind und daher Materie in Energie umgewandelt werden kann und umgekehrt. Praktisch erfahrbar wird dies bei Explosionen, bei dem durch Kernfusion erzeugten Sonnenlicht oder auch in Experimenten, bei denen Materieteilchen und ihre Antimaterie-Gegenparts sich unter Energiefreisetzung auslöschen. In all diesen Fällen wandelt sich Materie – zumindest zum Teil – in Energie um.

Einsteins Formel
Energie und Masse sind äquivalent, deshalb können virtuelle Teilchenpaare im Vakuum in ausreichend starken elektrischen Feldern zu realen Teilchen werden. © HG: sakkmesterle/ Getty images

Elektronen und Positronen aus dem Vakuum

Doch auch das Umgekehrte ist möglich: Materie kann aus dem Nichts entstehen, wenn man entsprechend große Energie aufwendet. Ein Beispiel dafür ist die Bildung von Teilchenpaaren aus dem Vakuum: Aufgrund der Quantenfluktuation ist das Vakuum nie wirklich leer, sondern von unzähligen virtuellen Teilchenpaaren erfüllt. Diese verschwinden allerdings so schnell wie sie auftauchen und haben keine Masse – sie werden daher unter normalen Umständen nie zu echten Teilchen.

Das ändert sich jedoch, wenn man genügend Energie in Form eines starken elektrischen Feldes zuführt. Je stärker das elektrische Feld, desto mehr Masse entwickeln die kurzlebigen Zwillings-Paare. Haben sie eine bestimmte Schwelle erreicht, die beispielweise der Masse eines realen Elektrons und Positrons entspricht, gelingt diesen Teilchen der „Sprung“ in die Realität – sie werden zu echten Teilchen und damit zu Materie.

Dafür sind allerdings enorme elektrische Spannungen von rund 1.000 Billiarden Volt pro Meter nötig – Werte, die bisher weder vom Blitz noch in Laboren erzeugt werden können. Trotzdem können Physiker diese Materiebildung aus dem Nichts erforschen, indem sie sich diesen extremen Bedingungen theoretisch mit komplexen Modellen und Berechnungen annähern.

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Wie lange dauert die Teilchenbildung?

Genau dies ist nun Matthias Diez von der Universität Graz und seinen Kollegen gelungen. Sie haben erstmals ermittelt, wie lang es dauert, bis aus starken elektrischen Feldern im Vakuum Materie entsteht. Denn wie sie erklären, lässt sich dies als ein Tunnelprozess beschreiben. Dabei schaffen die starken elektrischen Felder tiefe Täler und hohe Berge in einer Potentiallandschaft. Bei ausreichend hoher Energie können die virtuellen Teilchenpaare die Berge „durchtunneln“ und so am Ende zu echten Elektronen und Positronen werden.

„Mit unserer Studie bezifferten wir die Verweildauer von Elektronen und Positronen in diesem Tunnel“, erklärt Seniorautor Christian Kohlfürst vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. „Denn dieser Prozess verläuft nicht instantan.“ Die Physiker analysierten auf Basis quantenmechanischer und semiklassischer Modelle, was im Vakuum mit den virtuellen Teilchen in dieser „Tunnellandschaft“ passiert.

Zwei Peaks im Vakuum

Es zeigte sich: Während des Übergangs von virtuellen zu echten Teilchen gibt es zwei aufeinanderfolgende Peaks der Teilchendichte im Vakuum. Der erste entsteht auf dem Höhepunkt der eingebrachten Energie. „Dieser Peak wird vom elektrischen Feld nicht beschleunigt, wie man es bei geladenen Teilchen erwarten würde“, berichten die Physiker. Demnach handelt es sich bei den zu diesem Zeitpunkt detektierten Teilchen noch nicht um reale Elektronen und Positronen – sie müssten auf das Feld reagieren.

Kurz danach zeigt sich jedoch ein zweiter Peak in der Teilchendichte. Zwar sind auch die dabei auftretenden Teilchenpaare noch instabil und kurzlebig. Doch ihre Wellenmerkmale zeigen, dass sie bereits begonnen haben, auf die Lorentzkraft des elektromagnetischen Felds zu reagieren: Wegen ihrer gegensätzlichen Ladung sorgt das Feld dafür, dass diese Prä-Elektronen und Prä-Positronen in entgegengesetzte Richtungen abgelenkt werden. „Damit haben wir einen Weg gefunden, um Prä-Partikel zu identifizieren, die dazu bestimmt sind, real zu werden“, erläutern Diez und seine Kollegen.

Vom Nichts zu Materie in Zeptosekunden

Mithilfe dieser Methode gelang es den Physikern erstmals, die Zeit zu ermitteln, die bis zur Bildung der realen Teilchen vergeht. Das Ergebnis: Es dauert rund ein bis zwei Zeptosekunden – Trilliardstel Sekunden – bis Elektronen und Positronen aus der Leere des Vakuums in der Realität auftauchen. Diese winzige Zeitspanne ist kaum messbar, doch sollte sich der zweigipfelige Prozess bestätigen, dann könnte dies Möglichkeiten eröffnen, das spontane Entstehen von Materie im Vakuum auch im Experiment zu zeigen.

„Unsere Arbeit ist Grundlagenforschung und basiert auf der Quantenelektrodynamik, die das Wechselspiel von geladenen Teilchen und dem Elektromagnetismus auf Quantenebene beschreibt“, sagt Kohlfürst. Doch die Ergebnisse könnten auch die Festkörper-, Astro- oder Plasmaphysik von theoretischer und praktischer Bedeutung sein. „Bisher sind zwar selbst die leistungsfähigsten Laser nicht stark genug, um die nötigen elektrischen Felder aufzubauen“, so der Physiker. Aber pfiffige Kombinationen aus starken Lasern und Elektronen- oder Ionen-Strahlen könnten das ändern und künftig solche Experimente ermöglichen. (Physics Letters B, 2023; doi: 10.1016/j.physletb.2023.138063)

Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

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