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Zellbiologie

Wir haben zwei Arten von Betazellen

Bauchspeicheldrüse enthält zwei Unterarten von insulinproduzierende Zellen

Betazellen
Die hier grün fluoreszierenden Zellen sind Betazellen aus der Bauchspeicheldrüse einer Ratte. Diese Zellen sind auch bei uns Menschen für die Insulinproduktion unverzichtbar. © Masur/ CC-by-sa 3.0

Überraschende Entdeckung: Bei den insulinproduzierenden Betazellen in unserer Bauchspeicheldrüse gibt es zwei Subtypen, wie neue Analysen enthüllen. Diese beiden Unterarten unterscheiden sich in ihrer Form und Größe, im Ausmaß ihrer epigenetischen Anhänge und in ihrer Reaktion auf Blutzucker. So schüttet der Subtyp ßHI schneller Insulin aus und kommt bei Menschen mit Diabetes Typ 2 häufiger vor. Das könnte neue Ansätze für Diagnose und Therapie bieten, so das Team im Fachjournal „Cell Metabolism“.

Die Betazellen in unserer Bauchspeicheldrüse sind für die Kontrolle des Blutzuckerspiegels unverzichtbar. Sie produzieren bei Bedarf das Blutzuckerhormon Insulin, das die Aufnahme von Glucose aus dem Blut in die Zellen fördert. Dies sorgt dafür, dass weder zu viel noch zu wenig Blutzucker im Körper zirkuliert. Bei einem Diabetes gerät dieses System jedoch aus dem Gleichgewicht: Bei Diabetes Typ 2 werden die Betazellen durch eine Autoimmunreaktion zerstört, beim Typ-2-Diabetes stellen sie ihre Funktion aus Überlastung nach und nach ein.

Ohne die Betazellen ist jedoch eine Kontrolle unseres Blutzuckerspiegels nicht möglich. Arbeiten sie nicht mehr, muss daher Insulin von außen zugeführt werden. Umso wichtiger ist es, die Funktion, Eigenheiten und Anfälligkeiten der Betazellen möglichst genau zu kennen.

Gibt es verschiedene Arten von Betazellen?

An diesem Punkt setzen Erez Dror vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und seinen Kollegen an. Sie sind einer Spur nachgegangen, die bis in die 1960er Jahre zurückreicht. Schon damals hatten Wissenschaftler festgestellt, dass nicht alle Betazellen gleich sind. „Die frühen Studien haben Unterschiede in der Glucose-Schwelle, im Umgang mit Calcium und in der Insulin-Ausschüttung gefunden“, berichten die Forschenden

Doch ob es sich dabei nur um zufällige Variationen handelte oder ob es womöglich verschiedene Unterarten der Betazellen gibt, blieb offen. Um diese Frage zu klären, haben Dror und sein Team nun das Epigenom der Betazellen von Mäusen und menschlichen Pankreas-Zellkulturen genauer analysiert. Diese Anhänge an der DNA beeinflussen die Genaktivität, indem sie das Ablesen eines Gens direkt blockieren oder indem sie die Verpackung des Erbgutstrangs an dieser Stelle verdichten. Auch das legt das betroffene Gen still.

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Histonmodifikation
In Weiß ist in dieser Zellinsel aus dem Mäuse-Pankreas die Histonmodifikation H3K27me3 zu erkennen. Sie unterscheidet die beiden Betazelltypen voneinander. © MPI für Immunbiologie und Epigenetik

Zwei Subtypen unterscheidbar

Die Analysen ergaben: Die Betazellen bilden zwei Untergruppen, die sich anhand ihres Epigenoms klar unterscheiden lassen. „Alle Zellen unterschieden sich ein wenig, aber diese beiden Betazell-Subtypen sind klar und konsistent voneinander getrennt“, sagt Seniorautor J. Andrew Pospisilik vom Van Andel Institute in den USA. Hauptmerkmal dieser Subtypen ist die Konzentration der epigenetischen Markierung H3K27me3. Diese lagert sich an die zur DNA-Verpackung gehörenden Histonproteine an und legt dadurch Gene still.

„Wir haben festgestellt, dass sich die Betazellen in zwei epigenetisch unterschiedliche Untergruppen aufteilen: eine mit hohem (ßHI) und eine mit niedrigem (ßLO) Gehalt für diese spezifische Histonmodifikation“, berichtet Dror. Nähere Untersuchungen enthüllten, dass sich die ßHI- und ßLO-Subtypen auch in ihrer Form, Größe, internen Struktur und Funktion unterscheiden.

Unterschiede in der Reaktion auf Blutzucker

Interessant dabei: Die beiden Betazell-Subtypen reagieren leicht unterschiedlich auf einen Anstieg des Blutzuckerspiegels. Die rundlicheren ßHI-Zellen schütten bei hohen Glucosewerten sehr schnell große Mengen an Insulin aus. Die ßLO-Zellen reagieren dagegen langsamer und scheinen eher für die längerfristige Kontrolle und Stabilisierung des Blutzuckerspiegels wichtig zu sein. „Sie sind Spezialisten, die jeweils eine eigene Rolle bei der Insulinproduktion besitzen“, erklärt Pospisilik.

Wie das Team feststellte, sind die Anteile der beiden Betazell-Subtypen nicht bei allen Mäusen und Menschen gleich hoch: Bei einem Typ-2-Diabetes kommen in der Bauchspeicheldrüse mehr schnell und stark reagierende ßHI-Zellen vor. Die langsameren ßLO-Zellen haben dagegen einen geringeren Anteil als normal.

Neue Ansätze für die Diabetes-Therapie

Damit könnte die Entdeckung der beiden Betazell-Subtypen auch neue Ansätze für die Diagnose und Therapie dieser Diabetesform liefern. „Wenn wir die beiden Betazelltypen und ihre Beziehung zueinander besser verstehen, könnte uns dies ein klareres Bild des Diabetes geben und auch neue Möglichkeiten einer Behandlung“, sagt Pospisilik. Denn anders als die DNA können epigenetische Anhänge durch äußere Faktoren verändert werden, beispielsweise durch Einflüsse der Ernährung und Lebensweise, aber auch bestimmte chemische Wirkstoffe.

„Das Entscheidende ist, dass epigenetische Veränderungen rückgängig gemacht werden können“, sagt Pospisilik. Das eröffne neue Möglichkeiten der Therapie. (Cell Metabolism, 2023; doi: 10.1016/j.cmet.2023.03.008)

Quelle: Van Andel Research Institute, Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik

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