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Umwelt

Fehlbildungen durch Glyphosat bestätigt

Herbizid verursacht schon in geringer Konzentration Entwicklungsstörungen bei Amphibien

verkümmerte Kaulquappe
Kümmerwuchs (oben) bei einer Krallenfrosch-Kaulquappe, die in Glyphosat-belastetem Wasser aufgewachsen ist. © Hannah Flach / Universität Ulm

Brisantes Timing: Während die EU über eine Zulassungsverlängerung für das umstrittene Herbizid Glyphosat berät, bestätigt eine Studie dessen Schadwirkung auf Amphibien – und möglicherweise andere Organismen. Demnach verursacht Glyphosat schon in geringen Konzentrationen massive Fehlbildungen bei Kaulquappen. Dies gilt auch für den reinen Wirkstoff ohne weitere chemische Zusätze. Sogar am weltweiten Amphibiensterben könnte das Mittel mitschuld sein, wie das Team erklärt.

Glyphosat ist eines der weltweit am häufigsten eingesetzten Herbizide – doch der Unkrautvernichter ist stark umstritten. Denn seit Jahren mehren sich die Hinweise darauf, dass die Substanz für Mensch und Tier schädlich sein könnte. So steht Glyphosat unter anderem in Verdacht, nervenschädigend und krebserregend zu sein und den Hormonhaushalt zu stören. 2022 wies ein Forschungsteam der Universität Ulm zudem nach, dass ein gängiges Glyphosat-Spritzmittel massive Fehlbildungen bei Amphibienlarven hervorruft.

Herz-Fehlbildung
Links das Herz einer gesunden Kontroll-Kaulquappe, rechts das Herz einer Forschlarve, die in Glyphosat-belastetem Wasser aufwuchs. © Hannah Flach / Universität Ulm

Unklar blieb dabei jedoch, ob das Glyphosat für die Fehlbildungen verantwortlich ist oder ob Zusatzstoffe des Spritzmittels oder erst die Kombination aus beidem die Schadwirkung verursachte. 2017 wurde die Zulassung von Glyphosat in der EU trotz der strittigen Studienlage noch einmal um fünf Jahre verlängert.

Krallenfroschlarven im Herbizidtest

Jetzt liefert ein neues Experiment Klarheit. In diesem testete ein Team um Hannah Flach von der Universität Ulm, wie sich verschiedene Konzentrationen reinen Glyphosats ohne Zusatzstoffe auf die Entwicklung von Krallenfroschlarven (Xenopus laevis) auswirkt. Dafür ließen sie die Froschlarven in Wasser mit Glyphosat-Gehalten von 0,1 Milligramm pro Liter bis zu 243 Milligramm pro Liter aufwachsen – Konzentrationen, wie sie weltweit auch in natürlichen Gewässern zu finden sind.

Die Spanne in Bächen, Tümpeln und anderen Gewässern reicht in Europa von relativ niedrigen Werten wie in Deutschland mit 0,0025 mg/l über Frankreich mit 0,086 mg/l bis zu 12,46 mg/l in Portugal. In Ländern außerhalb Europas wird Glyphosat jedoch in weit größerem Ausmaß eingesetzt, entsprechend hoch kann dort die Belastung der Gewässer sein. So wurden in China schon 15,21 Milligramm pro Liter und in Argentinien sogar 105 Milligramm pro Liter gemessen.

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Fehlbildungen schon bei geringsten Konzentrationen

Die Tests ergaben: Auch das reine Glyphosat löste signifikante Fehlbildungen bei den Kaulquappen aus. Dazu gehörten verkürzte, verkrümmte Körper, missgebildete Hirnnerven, verkleinerte Herzen und ein verlangsamter Herzschlag. „Die dem Herbizid-Reinstoff ausgesetzten Kaulquappen zeigen zudem ein verändertes Schwimmverhalten“, berichtet Seniorautorin Susanne Kühl von der Universität Ulm. Je höher die Glyphosat-Konzentration, desto schwerer waren die Fehlbildungen und desto unruhiger bewegten sich die Kaulquappen.

„Überraschend für uns war, dass einige Defekte bereits bei der niedrigsten Konzentration auftraten, die wir getestet haben, also bei 0,1 Milligramm pro Liter“, berichtet Flach. „Das sind Konzentrationen, die in natürlichen Gewässern in vielen Ländern teils mehrfach überschritten werden.“ Nähere Analysen lieferten zudem erste Anhaltspunkte dafür, dass das Glyphosat die Entwicklung der Hirnnerven sowie die Aktivität eines für die korrekte Herzentwicklung wichtigen Gens bei den Tieren hemmt.

Mitschuld am Amphibiensterben?

„Unsere Beobachtungen legen nahe, dass diese Effekte allein auf das Glyphosat zurückgehen und unabhängig von anderen Zusatzstoffen des Herbizids sind“, schreiben Flach und ihr Team. Damit bestätigt die Studie, dass Glyphosat erhebliche Fehlbildungen bei Amphibien und wahrscheinlich auch anderen Organismen verursachen kann. Denn auch bei anderen Tierarten wurden bereits erhöhte Sterberaten, Wachstumsdefekte, Organschäden und Verhaltensstörungen durch Glyphosat festgestellt.

„All diese Evidenzen sprechen dafür, dass dieses Herbizid breite Auswirkungen auf die Tierwelt hat und für Lebewesen neu bewertet werden muss“, sagt Kühl. Sie und ihre Kollegen halten es zudem für durchaus wahrscheinlich, dass Glyphosat zum weltweiten Amphibiensterben beigetragen hat und immer noch beiträgt. Damit liefert die Studie weitere Argumente dafür, die Nutzung von Glyphosat zu verbieten oder zumindest einzuschränken.  Hinzu kommt, dass Glyphosat längst in die Nahrungskette gelangt ist und auch im menschlichen Urin nachgewiesen wurde. (Ecotoxicology and Environmental Safety, 2023; doi: 10.1016/j.ecoenv.2023.115080)

Quelle: Universität Ulm

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