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Astronomie

Zweite Fusionsvariante in der Sonne nachgewiesen

Neutrinodetektor Borexino findet Teilchen aus Proton-Elektron-Proton-Fusion

Schema des Proton-Proton-Fusionszyklus mit den beiden alternativen Startreaktionen: Vier Protonen verschmelzen zu einem Heliumkern. Dargestellt ist die Hauptkomponente des Zyklus, die etwa 91% der Fusionsleistung der Sonne ausmacht. Der Rest entfällt auf zwei weitere Teilzyklen mit 7Be- und 8Be als Zwischenprodukten, die ebenfalls Neutrinos emittieren. In der linken Schleife ist die übliche Startreaktion (pp), die Verschmelzung zweier Protonen gezeigt. Das Neutrino teilt sich hier die Reaktionsenergie mit einem Positron. Rechts exemplarisch die seltenere pep-Reaktion, die zusätzlich ein Elektron einbezieht. Hier erhält das Neutrino praktisch die gesamte Reaktionsenergie. © MPI für Kernphysik

Der Neutrinodetektor Borexino im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor hat neue Einsichten in die Fusionsprozesse im Herzen der Sonne gewonnen. Mit ihm konnten Forscher nun erstmals Neutrinos aus der seltenen Fusionsreaktion von zwei Protonen und einem Elektron nachweisen. Die Resultate bestätigen die gängigen Modellvorstellungen zur Energieerzeugung der Sonne.

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Die Sonne ist in ihrem Kern als gigantischer Fusionsreaktor, der durch seine eigene Schwerkraft stabilisiert wird. Dabei verschmelzen bei einer Temperatur von rund 15 Millionen Grad netto jeweils vier Protonen zu einem Heliumkern, bestehend aus zwei Neutronen und zwei Protonen. In dieser Bilanz werden jeweils noch zwei Positronen und zwei Neutrinos freigesetzt. Die Neutrinos stellen ideale Sonden dar, um näheren Einblick in den solaren Fusionsofen zu gewinnen, da sie dank ihrer schwachen Wechselwirkung mit Materie die Schichten der Sonne nahezu ungehindert durchdringen und direkte Information über die Verhältnisse im Zentrum liefern.

Verschiedenen Fusionsreaktionen in der Sonne

Nach dem gängigen Sonnenmodell dominiert der so genannte Proton-Proton- Zyklus, der mit der Verschmelzung zweier Protonen (pp-Reaktion) startet. Die hieraus entstehenden Neutrinos haben recht niedrige Energie und waren daher lange Zeit schwer aufzuspüren. Borexino hat aber in den letzten Jahren den pp-Neutrinofluss indirekt bestätigt und zwei weitere Komponenten aus diesem Fusionszyklus direkt nachgewiesen. Offen blieb aber noch der Nachweis einer alternativen Startreaktion, bei der zwei Protonen und ein Elektron zu einem Deuteriumkern unter Aussendung eines Neutrinos verschmelzen (pep-Reaktion).

Dieses Neutrino hat höhere Energie und lässt sich besser nachweisen, jedoch ist diese Reaktion 400mal seltener, da sich hierfür drei Teilchen treffen müssen. Forscher des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik und der Technischen Universität München haben nun zusammen mit ihren Kollegen der internationalen Borexino-Kollaboration im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor neue Erkenntnisse über die solaren Fusionszyklen gewonnen. Den Forschern ist es nun erstmals gelungen, Neutrinos aus der pep-Reaktion zu sehen und die beobachtete Häufigkeit ist in guter Übereinstimmung mit der Vorhersage aus dem Sonnenmodell

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Nachweis nur mit „Tricks“ möglich

Das Sonnenneutrino-Experiment Borexino befindet sich im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor, wo 1.500 Meter Gestein schon einmal einen großen Teil der kosmischen Strahlung abschirmen. Ein schalenförmiger Aufbau, der den inneren Teil von 300 Tonnen einer speziellen Flüssigkeit zum Nachweis der Neutrinos umgibt, hilft, die Umgebungsstrahlung weiter zu reduzieren. Mit Borexino können täglich etwa 50 solare Neutrinos beobachtet werden, aber für den Nachweis der oben erwähnten pep-Neutrinos mussten die Forscher weitere Tricks anwenden.

Ein Problem war das radioaktive Kohlenstoff-Isotop C-11, das durch Beschuss mit den wenigen restlichen Myonen aus der kosmischen Strahlung gebildet wird und eine Halbwertszeit von etwa 20 Minuten hat. „Wir können den Ort eines C-11-Kerns lokalisieren und diesen Bereich dann für eine gewisse Zeit von der Datenaufnahme auszuschließen, bis das C-11 sicher zerfallen ist“, so Werner Maneschg, der diese Methode im Rahmen seiner Doktorarbeit am MPI für Kernphysik mitentwickelt hat. „Das übrige Detektorvolumen steht dabei weiter zur Verfügung“.

Für die Identifizierung der C-11 Zerfälle ist es unabdingbar, jene kosmischen Myonen zu erkennen, die diese Kerne erzeugen. Dazu dient ein sogenanntes Myon-Veto, das den eigentlichen Borexino-Detektor vollständig umgibt. Myonen, die das Veto durchqueren, erzeugen in ihm elektromagnetische Cherenkov-Strahlung, die von Lichtsensoren nachgewiesen wird. Dieses Detektorsystem wurde von Wissenschaftlern der TU München konzipiert und realisiert. „Die Nachweiseffizienz von Borexino für Myonen liegt über 99,99% und dies ist die Voraussetzung für die erfolgreiche Identifikation der pep-Neutrinos“, so Quirin Meindl, Doktorand am Physik-Department der TU München.

(Max-Planck-Institut für Kernphysik, 16.09.2011 – NPO)

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