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Astronomie

Wir liegen direkt an der großen Leere

Kartierung enthüllt erstmals die Struktur des lokalen Voids und seinen Einfluss

local void
Unser Milchstraße liegt direkt am Rand einer ungewöhnlichen leeren Zone des Universums. Die Struktur dieses lokalen Voids haben Astronomen jetzt erstmals kartiert. © R. Brent Tully

Nahe am großen Nichts: Die Milchstraße liegt direkt am Rand einer großen Zone kosmischer Leere. Unsere Galaxie balanciert dabei auf einer dünnen Materiebrücke, die sich mitten durch diesen lokalen Void zieht, wie die erste Kartierung der lokalen Leere enthüllt. Sie zeigt zudem, dass diese materiearme Zone im All einen erheblichen Einfluss auf die Bewegung der Milchstraße und der gesamten Lokalen Gruppe hat, wie die Forscher im Fachmagazin „Astrophysical Journal“ berichten.

Die Materieverteilung im Universum ist von einem Netz großräumiger Strukturen geprägt: Dichte Filamente und riesige Klumpen von Gas und Galaxien wechseln sich dabei mit leereren Bereichen ab. Der Laniakea-Supercluster, die kosmische „Heimat “ unserer Milchstraße, ist Teil dieser kosmischen Großstruktur. Er enthält neben der Lokalen Gruppe und dem Virgo-Galaxienhaufen auch den lokalen Void – eine riesige, eher leere Zone im All in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.

Am Rand der leeren Zone

Der lokale Void erstreckt sich von uns aus gesehen über 40 Prozent des Himmels und beginnt direkt am Rand der Lokalen Gruppe. „Der größte Teil der Materie in unserer Galaxie und ihren Nachbarn muss ursprünglich aus diesem lokalen Void stammen“, erklären Brent Tully von der University of Hawaii und seine Kollegen. „Unsere Beziehung zu dieser Struktur ist daher fundamental, um die Details unserer komischen Nachbarschaft zu verstehen.“

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Der lokale Void (schwarz) ist mit einem ganzen Netzwerk aus Voids (gelb, blau, grün) verbunden. © Daniel Pomarède/ University of Hawaii

Das Problem jedoch: „Der Void ist so groß, dass er auf beiden Seiten weit über die galaktische Ebene hinausragt, dennoch ist ein großer Teil von ihm verdeckt“, sagt Tully. Genau das machte es bisher schwer, die Form, Größe und Struktur dieser Leere genauer zu studieren. Jetzt jedoch ist es den Forschern erstmals gelungen, den lokalen Void zu kartieren. Dafür nutzten sie einen astronomischen Datensatz, der die Entfernung von rund 18.000 Galaxien umfasst.

Auf Basis dieser Daten sowie dem Wissen über Galaxienbewegungen und die kosmische Expansion erstellten die Forscher ein Modell, das die Kartierung der Materieverteilung in unserem kosmischen Umfeld ermöglichte.

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Komplexe Struktur

„Der lokale Void hat keine einfache Struktur. Jetzt haben wir zum ersten Mal eine Karte, die seine ganze Komplexität enthüllt“, sagen Tully und seine Kollegen. Demnach umfasst der lokale Void einen Raumbereich von rund 200.000 Kubikmegaparsec und ist aus mehreren besonders leeren Unterbereichen zusammengesetzt. „Die tiefsten Minima liegen nahe der äquatorialen Ebene der Milchstraße in den für uns verdeckten Regionen“, berichten die Astronomen.

Wie die Kartierung enthüllt, ist die lokale Leere nicht isoliert, sondern Teil eines ganzen Netzes von kosmischen Voids. Über mehrere Zonen geringer Materiedichte ist sie mit zwei noch größeren Voids in ihrer Nachbarschaft verbunden, den Hercules- und Sculptor-Voids. „Kleinere Materiefilamente trennen den lokalen Void von einem Tunnel, der diese beiden Voids verbindet“, berichten Tully und sein Team.

Wir liegen auf einer Brücke durch die Leere

Überraschend jedoch: Die Milchstraße und die Lokale Gruppe sind Teil einer Materiebrücke, die sich quer durch die lokale Leere zieht. „Ein sehr dünnes Filament reicht vom Virgo-Cluster zum Perseus-Cluster und überspannt dabei auf dramatische Weise ein tiefes Minimum im lokalen Void“, berichten die Astronomen. „Den Beginn dieses Filaments bildet die lokale Schicht, die auch die Milchstraße umfasst.“

Die Milchstraße liegt unmittelbar am Rand dieser Materiebrücke in einer Zone, die selbst schon relativ stark ausgedünnt ist. „Wir leben direkt am Rand einer Leere“, konstatieren die Astronomen. Die Tatsache, dass eine solche Materiebrücke mit einer ganzen Kette von Galaxien darauf mitten durch die leerste Stelle des lokalen Voids ziehe, sei bemerkenswert.

Massenbewegungen
Die türkisfarbenen Linien zeigen die Bewegungsrichtungen der größten Massenkonzentrationen an. © University of Hawaii

Abstoßender Pol

Die unmittelbare Nähe der großen Leere bleibt nicht ohne Folgen: Wie die Astronomen ermittelten, hat der lokale Void einen starken Einfluss auf die Bewegung der Milchstraße und der Lokalen Gruppe. Seine abstoßende Wirkung drückt unsere Heimatgalaxie mit rund 200 bis 250 Kilometer pro Sekunde von sich weg.

Das Spannende daran: Damit könnte die leere Zone dem vor einigen Jahren identifizierten „Dipole Repeller“ entsprechen – einem abstoßenden Pol im nahen Kosmos, der prägend für die Bewegung unserer Milchstraße ist. Zusammen mit der anziehenden Wirkung des nahen Virgo-Superclusters ist der lokale Void demnach für immerhin rund die Hälfte der relativen Bewegung unserer Galaxie verantwortlich, wie die Forscher berichten. (The Astrophysical Journal, 2019; doi: 10.3847/1538-4357/ab2597)

Quelle: University of Hawaii at Manoa

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