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Astronomie

Was die „Musik der Sterne“ verrät

Asteroseismologie verbessert Entfernungsmessungen großer Sternkataloge

Sternenhimmel
Astronomen haben bisher Milliarden Sterne und ihre Entfernungen kartiert. Wie genau diese Vermessungen sind, kann auch die "Musik der Sterne" verraten – die Asteroseismologie. © idizimage/ Getty images

Stellare Rhythmen: Das subtile Vibrieren ferner Sterne kann einiges über ihr Innenleben verraten – ähnlich wie Musik die genutzten Instrumente erkennen lässt. Jetzt haben Astronomen diese „Musik der Sterne“ genutzt, um auch die Entfernungen ferner Sterne genauer zu bestimmen. Mithilfe der Asteroseismologie überprüften sie die auf der Verschiebung der Sichtwinkel – der Parallaxen – beruhenden Messwerte großer Weltraumteleskope wie Gaia und Kepler. Dies hilft dabei, Sternkataloge genauer zu machen.

Sterne sind sehr dynamische Himmelskörper: In ihrem Inneren verschmelzen Atome, Teilchen und Strahlung werden frei und gewaltige Ströme aus heißem Plasma bewegen sich vom Kern zur Oberfläche und zurück. Diese Prozesse erzeugen Vibrationen und seismische Wellen, die kreuz und quer durch das Sterneninnere laufen – ähnlich wie Erdbebenwellen durch das Innere der Erde. Und wie bei unserem Planeten können diese stellaren Schwingungen einiges über ihren Stern verraten.

Sternbeben
Prozesse im Inneren der Sterne erzeugen seismische Wellen. Diese lassen sich an winzigen Veränderungen der Helligkeit und Lichtfrequenzen des Sterns ablesen. © ESA/ATG, CC-by-sa 3.0 IGO

Messbar wird das subtile Vibrieren ferner Sterne mithilfe der Asteroseismologie: Astronomen machen dabei winzige Oszillationen in der Frequenz und Helligkeit des Sterns durch hochauflösende Lichtspektren sichtbar.

Wie groß ist der Parallaxenversatz?

Jetzt haben Astronomen um Saniya Khan von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) das Beben ferner Sterne für einen weiteren Zweck belauscht: um die stellaren Entfernungen zu vermessen. Große Kartierungen wie die des Gaia-Weltraumteleskops nutzen bisher meist die Parallaxenmethode, um die Distanz zu fernen Sternen zu bestimmen. Dabei betrachtet man den Stern aus unterschiedlichen Winkeln und ermittelt, wie stark er sich gegenüber dem Hintergrund verschiebt.

Das Problem jedoch: „Es ist bekannt, dass es bei Entfernungen jenseits von rund 3.600 Lichtjahren einen Parallaxenversatz von rund zehn Mikrobogensekunden gibt“, erklären die Astronomen. Zwar gibt es dafür Korrekturwerte, wie genau diese jedoch sind, ist strittig. Deshalb haben Khan und ihr Team nun die Asteroseismologie zu Hilfe genommen. „Die Asteroseismologie ist die einzige Methode, mit der wir die Genauigkeit der Gaia-Parallaxen über den ganzen Himmel sowohl für helle wie für lichtschwächere Sterne überprüfen können“, so Khan.

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„Red Clump“-Sterne als Standardkerzen

Für diese Messung wählte die Astronomen zunächst knapp 3.500 Sterne aus, die sich besonders gut als „Prüflineale“ eignen – sogenannte „Red Clump“-Sterne (Roter Klumpen). Dabei handelt es sich um Rote Riesen, die den Wasserstoffvorrat in ihrer Hülle verbraucht haben und in deren Kern die Fusion von Helium einsetzt. Als Folge dieses Heliumbrennens sackt der Rote Riese wieder in sich zusammen – er wird zum „Red Clump“. „In diesem Stadium haben diese Sterne sehr ähnliche Kernmassen und Helligkeiten“, erklärt das Team.

Noch wichtiger jedoch: Diese „Red Clump“-Sterne haben auch relativ einheitliche asteroseismische Vibrationen. „Sie gelten daher als eine Art ‚Standardkerzen'“, erklären Khan und ihr Team. Für ihre Studie analysierten sie das Lichtspektrum dieser Sterne und werteten dabei neben Informationen zu Zusammensetzung und Alter auch die im Frequenzspektrum sichtbaren Oszillationen aus. „Über diese können wir die Größe eines Sterns ermitteln – ähnlich wie man am Klang eines Streichinstruments erkennt, ob es eine Geige oder ein Cello ist“, sagt Koautor Andrea Miglio von der Universität Bologna.

Anders als bisher gedacht

Aus der Kombination der Sternengröße und weiterer Daten konnten die Astronomen ermitteln, wie viel Licht diese Sterne aussenden. Vergleicht man dies dann mit der von uns aus sichtbaren Helligkeit, erlaubt dies Rückschlüsse auf die Entfernung der Lichtquelle. „Das stellare Frequenzspektrum verrät uns, wie weit weg ein Stern liegt. Deshalb haben wir der ‚Musik‘ dieser Sterne gelauscht“, sagt Khan. Die Messungen seien die bisher grundlegendste asteroseismische Überprüfung der Gaia-Parallaxenwerte auf Basis solcher Sterne.

Das Ergebnis: Für viele Sterne und ihre Parallaxen stimmen die bisher eingesetzten Korrekturfaktoren – aber nicht für alle. Denn anders als angenommen scheint sich der verfälschende Versatz nicht gleichmäßig mit der Helligkeits-Magnitude und damit der Entfernung des Sterns zu vergrößern. „Stattdessen deuten unsere Daten darauf hin, dass es eine signifikante Abhängigkeit von der Position am Himmel gibt“, berichten die Astronomen. Gerade bei sehr hellen Sternen ist der Versatz demnach größer als es der Korrekturfaktor nahelegt, bei anderen ist er dagegen geringer.

„Methoden wie die unsere spielen eine entscheidende Rolle für die Verbesserung der Parallaxenmessungen von Gaia“, erklärt Khan. „Dies hilft uns, unseren Platz im Universum zu bestimmen, und trägt zu Verbesserungen einer ganzen Reihe von Unterbereichen der Astronomie und Astrophysik bei.“ (Astronomy and Astrophysics, 2023; doi: 10.1051/0004-6361/202347919)

Quelle: Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne

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