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Astronomie

Streit um „interstellaren“ Meteor

Warum Astronomen bis heute über ein 2014 über dem Pazifik verglühtes Objekt debattieren

Meteor
Kam der am 8. Januar 2014 über dem Pazifik verglühte Meteor von einem anderen Stern? Darüber streiten Astronomen bis heute.© solarseven/ iStock

Extrasolarer „Fremdling“ oder nicht? Im Januar 2014 raste ein kosmischer Feuerball über den Pazifik – doch woher kam er? Einige Astronomen halten ihn für ein interstellares Objekt, andere argumentieren energisch dagegen. Auch einige 2023 vom Meeresgrund geborgene, möglicherweise extrasolare Schmelzkügelchen liefern Diskussionsstoff. Denn nach neuen Analysen bezweifeln einige Forscher, dass die Sphärulen von diesem Meteor stammen. Was ist da los?

Ob der zigarrenförmige Brocken Oumuamua, ein „fremder“ Asteroid in der Jupiterbahn oder der interstellare Komet 2l/Borisov: Immer wieder fliegen Objekte extrasolar Herkunft durch unser Sonnensystem – Brocken aus fremden Planetensystemen. Einige rasen ebenso schnell wieder hinaus, wie sie gekommen sind, andere jedoch werden von der solaren Schwerkraft eingefangen oder kollidieren mit einem der Planeten.

Lichtkurven
Lichtkurven des Meteors CNEOS 2014-01-0 in zwei Darstellungen. © Brown und Borovicka 2023/ CC-by-nc-nd 4.0

Ungewöhnlich schnell und stabil

Ein solches interstellares Objekt könnte am 8. Januar 2014 mit der Erde kollidiert und in einer hellen Feuerspur in der Atmosphäre verglüht sein. Für die extrasolare Herkunft dieses Meteors sprachen vor allem seine gegenüber der Planeteneben stark geneigte Flugbahn und die ungewöhnlich hohe Geschwindigkeit: Das rund 50 Zentimeter große Objekt raste mit rund 60 Kilometern pro Sekunde durch die Luft.

Ungewöhnlich auch: Der CNEOS 2014-01-08 getaufte Meteor blieb trotz des enormen Drucks bei seiner Atmosphären-Passage erstaunlich stabil: „Mit einem Staudruck von 194 Megapascal zum Zeitpunkt der größten Helligkeit hatte dieser Meteor die höchste Materialfestigkeit aller 273 im CNEOS-Katalog erfasste Boliden“, berichteten die Astronomen Amir Siraj und Abraham Loeb von der Harvard University in einer Studie von 2023. Sie kamen zu dem Schluss, dass dieser Meteor interstellaren Ursprungs sein müsste.

Auch das US-Verteidigungsministerium (DoD) veröffentlichte 2022 einen auf geheimen Satellitendaten beruhenden Bericht, nach der das Objekt zu 99,9 Prozent interstellaren Ursprung sei. Allerdings beruhte auch diese Einschätzung primär auf der nur über sehr kurze Zeit verfolgbaren Flugbahn des Meteors.

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Diskrepanzen in den Messdaten

Doch andere Experten sind weniger überzeugt: 2023 erschien eine Analyse, in der Astronomen Peter Brown Jiri Borovicka auf erhebliche Ungereimtheiten in den Messdaten hinwiesen. Demnach sind die auf Basis von Tempo und Helligkeit ermittelten Angaben zur Energie des Meteors um ein Mehrfaches höher als es die begleitenden Infraschall-Erschütterungen nahelegten. Zudem war der Meteor für die angenommene hohe Geschwindigkeit ungewöhnlich leuchtschwach, wie die Astronomen erklären.

„Um diese Merkmale zu erklären, müsste der Meteor eine ungewöhnlich geringe Abtragungsrate, eine extrem aerodynamische Form und hohe Dichte und Festigkeit besitzen“, konstatieren die Forscher. Doch weder ein Brocken aus Gestein noch aus Eisen können diese spezielle Kombination erfüllen. „Die einfachste Erklärung für die ungewöhnlichen Eigenschaften von CNEOS 2014-01-08 ist es unserer Ansicht daher, dass vor allem seine Geschwindigkeit stark überschätzt wurde“, so das Team. Dies sei bei den Satellitenmessungen des DoD gerade bei hohen Geschwindigkeiten durchaus häufiger der Fall.

Hinzu kommt: Auch die Flugbahn Meteors – ein potenzielles Indiz für seine extrasolare Herkunft – ist nach Analysen von Brown und Borovicka weniger exotisch als landläufig angenommen: „Es gibt fünf weitere Feuerbälle in der USG-Datenbank, die hyperbolische Bahnen zeigen“, berichten sie.

Schmelzkügelchen
Fund eines Schmelzkügelchens am Meeresgrund vor Papua-Neuguinea. © Loeb et al. 2023/ CC-by-nc-nd 4.0

Interstellare Schmelzkügelchen vom Meeresgrund

Um endlich Klarheit über den „interstellaren Meteor“ zu bringen, machten Loeb und sein Team im Jahr 2023 eine Suchexpedition nach Relikten des Meteors. Mithilfe eines Magnetschlittens suchten sie dafür den Meeresgrund in einem Gebiet nördlich von Papua-Neuguinea ab – in einem Gebiet, über dem der Brocken laut Messdaten einer nahen Seismometer-Messstation auf Manus Island verglüht sein sollte. Tatsächlich entdeckte das Team rund 700 metallische Sphärulen – und fünf der 57 näher analysierten Schmelzkügelchen erwiesen sich als außergewöhnlich.

„Die einzigartigen Sphärulen zeigen einen Überschuss von Beryllium, Lanthan und Uran, der mehr als drei Größenordnungen über dem für das Sonnensystem typischen Standard liegt“, berichteten Loeb und sein Team. Der hohe Schwermetallgehalt könnte ihrer Ansicht nach auch erklären, warum der interstellare Meteor so dicht und stabil war. Die Astronomen sehen ihre Resultate als Indiz dafür, dass CNEOS 2014-01-08 aus dem Magmaozean eines extrasolaren Himmelskörpers stammen muss.

Truck statt Feuerball?

Doch auch zu diesen Funden gibt es Widerspruch: Einige Astronomen argumentieren, dass die exotische Zusammensetzung der Sphärulen auch sehr irdische Ursachen haben kann, darunter anthropogene Umweltbelastungen. Ein Team um Benjamin Fernando von der Johns Hopkins University in Baltimore bezweifelt dagegen, dass die Kügelchen überhaupt von dem Meteor CNEOS 2014-01-08 stammen. Denn sie haben die seismischen Daten der Manus-Messstation noch einmal genauer analysiert.

Das überraschende Ergebnis: Die beiden maßgeblichen seismischen Signale stammen wahrscheinlich beide nicht vom Feuerball. „Das erste ist statistisch nicht vom Hintergrundrauschen unterscheidbar, das zweite zeigt Merkmale einer lokalen Herkunft“, berichten Fernando und sein Team. Konkret ermittelten sie anhand der zeitlichen Veränderungen der Erschütterungen, dass diese wahrscheinlich von einem Lastwagen stammen, der auf der am Observatorium entlangführenden Straße vorbeifuhr.

Echte seismische Signale des Meteors konnte das Team dagegen nicht identifizieren. Fündig wurden sie jedoch in den Messdaten des internationalen Atomtest-Überwachungsnetzwerks. Dort entdeckten Fernando und seine Kollegen eine Signatur, die möglicherweise den wahren Ort zeigt, an dem der Feuerball verglüht – allerdings liegt dieser rund 100 Kilometer vom Fundort der Sphärulen entfernt.

„Der Ort des Feuerballs lag in Wirklichkeit weit von der Stelle entfernt, an der die Expedition nach den Meteor-Relikten gesucht hat“, sagt Fernando. Die am Meeresgrund gefundenen Schmelzkügelchen seien demnach zwar möglicherweise interstellaren Ursprungs, stammen aber eher nicht vom Meteor CNEOS 2014-01-08. (MDPI Signals, 2022; doi: 10.3390/signals4040035; Astrophyical Journal Letters, submitted 2023; doi: 10.48550/arXiv.2306.14267; arXiv 2023, doi: 10.48550/arXiv.2308.15623; Geophysical Journal, submitted 2024; arxiV 2403.03966)

Quelle: ArXiv, Johns Hopkins University

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