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Astronomie

Sind „Vampirsterne“ Trios statt Duos?

Materie-absaugende Be-Sterne könnten durch Interaktion in Dreiersystemen entstehen

Be-Stern
Be-Sterne (vorne) sind schnellrotierende, massereiche Sterne, die von einer Gasscheibe umgebenen sind. Doch wie entstehen sie? © ESO/ L. Calçada

Versteckter Dritter im Bunde: Die massereichen, von einer großen Plasmascheibe umgebenen Be-Sterne gelten als stellare Vampire – sie haben einem Begleiter Material abgesaugt. Jetzt legen neue Analysen nahe, dass viele dieser Vampirsterne nicht nur einen, sondern gleich zwei Begleiter haben könnten. Erst diese Dreier-Interaktion könnte einen der Partner in „aussaugbare“ Nähe zum Be-Stern gebracht haben, wie Astronomen erklären. Ob dieses Szenario stimmt, muss allerdings erst noch geklärt werden.

Be-Sterne sind massereiche, oft bläulich leuchtende Riesensterne, die gleich mehrere ungewöhnliche Eigenschaften haben: Sie rotieren so schnell, dass sie sich nahe am Maximum der noch stabilen Drehung bewegen. Durch diese schnelle Rotation sind diese Sterne deutlich abgeplattet und zudem von einer Scheibe aus Gas und Plasma umgeben. Astronomen vermuten, dass dieses Material nicht vom Be-Stern selbst stammt, sondern von einem nahen Begleiter, den der Be-Stern seiner Hülle beraubt hat.

Vampirstern
Gängiger Annahme nach erhalten Be-Sterne ihre Rotation und Scheibe, weil sie einem nahen Begleitstern Material abgesaugt haben. © ESO/M. Kornmesser/ S.E. de Mink

Allerdings: Bisher konnten nur bei sehr wenigen dieser „Vampirsterne“ nahe Begleiter gefunden werden. Daher ist bisher offen, ob die Hypothese des ausgesaugten Partnersterns zutrifft oder nicht.

Bewegung der „Vampirsterne“ im Visier

Um diese Frage zu klären, haben Astronomen um Jonathan Dodd von der University of Leeds sich nun die Be-Sterne noch einmal genauer angeschaut. Für ihre Studie nutzten sie die Daten des europäischen Weltraumteleskops Gaia, um die Bewegungen von gut 10.000 Vampirsternen und „normalen“ Riesensternen der Spektralklasse B zu analysieren und zu vergleichen. Ziel war es dabei zu ermitteln, ob sich die Rate von Doppelsystemen bei beiden Sterntypen unterscheidet.

„Wir beobachten dafür, wie sich die Sterne über kurze und lange Zeitperioden von sechs Monaten und zehn Jahren durch den Himmel bewegen“, erklärt Dodd. „Wenn es nur ein Stern ist, bewegt er sich auf gerader Linie. Gibt es mehr als einen, sehen wir ein leichtes Schwanken oder im besten Fall eine Spiralbewegung.“

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Wo sind die nahen Begleiter geblieben?

Das überraschende Ergebnis: „Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wenn die Be-Sterne weniger oft einen Begleiter haben als die B-Sterne“, berichtet Dodd. „Wir hatten jedoch erwartet, dass sie eine höhere Rate von Begleitsternen aufweisen würden.“ Doch wie ist dies zu erklären? Ist die Hypothese vom Aussaugen eines Begleiters als Ursache für Plasmascheibe und schnelle Rotation der „Vampirsterne“ womöglich doch falsch?

Auf der Suche nach einer Erklärung zogen die Astronomen einen weiteren Sternenkatalog hinzu und schauten sich nun auch das weitere Umfeld der von ihnen ins Visier genommenen Be-Sterne an. Dabei zeigte sich: Bei den Vampirsternen war zwar signifikant seltener ein Partnerstern in naher Entfernung zu sehen als bei B-Sternen. Doch für Begleitsterne in weiterer Entfernung traf dies nicht zu.

Das Problem: In so weitem Abstand ist ein Partnerstern außer Reichweite für das Absaugen von Material – und kann daher nicht die direkte Ursache für die Eigenheiten der Be-Sterne sein. „Diese Ergebnisse stellen uns vor ein Dilemma“, schreiben die Astronomen.

Zu schmächtig, um sichtbar zu sein?

Allerdings gaben sich Dodd und sein Team damit noch nicht zufrieden. Denn es gibt keine astrophysikalische Erklärung dafür, warum die Be-Sterne weniger häufig enge Doppelsysteme bilden sollten als ihre B-Stern-Artgenossen, wie sie erklären. Stattdessen vermuteten die Astronomen eine andere Erklärung: Vielleicht existieren die nahen Begleiter der Be-Sterne durchaus, sind aber wegen ihres ausgesaugten Zustands für uns nicht sichtbar.

„Wir postulieren, dass das scheinbare Fehlen von Be-Doppelsternen den Beleg dafür liefert, dass es bei diesen Sternen ausgesaugte, ihrer Hülle beraubte Partner gibt“, erklären Dodd und sein Team. „Solche Begleitsterne wären mit den Mitteln unserer Studie nicht detektierbar, weil sie zu nahe, zu massearm und zu leuchtschwach sind, um eine Abweichung des Photozentrums vom Massenzentrum des Systems zu erzeugen.“

Dritter im Bunde als „Katalysator“?

Und nicht nur das: Das Team geht davon aus, dass auch die nachgewiesenen, weiter entfernten Begleitsterne der Be-Sterne in diesem Szenario eine wichtige Rolle spielen. Denn ihr Schwerkrafteinfluss könnte dazu beigetragen haben, den nahen Partnerstern näher an den Be-Stern und damit in die „Fänge“ des Vampirsterns zu treiben. „Wir vermuten, dass die Dreifach-Natur dieser Sternsysteme eine wichtige Rolle für diese Migration spielt und damit auch für die Bildung der Be-Sterne insgesamt“, konstatieren die Astronomen.

Allerdings: Ob ihre Vermutung zutrifft, muss nun erst noch überprüft werden – idealerweise durch einen Vampirstern, bei dem beide Begleitsterne zu erkennen sind. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2023; doi: 10.1093/mnras/stad3105)

Quelle: University of Leeds

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