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Geowissen

Riesiges Wasserstoff-Reservoir entdeckt

Ausgasungen in albanischer Mine deuten auf großes H2-Vorkommen im Untergrund hin

Forscher im Bergwerk
Auf dem Weg in die Tiefe: Ein Forschungsteam ist Wasserstoff-Ausgasungen in der Bulqizë-Mine in Albanien nachgegangen. © F-V. Donzé

Rohstoff aus der Tiefe: Unter einem Bergwerk in Albanien könnte ein riesiges Wasserstoff-Reservoir liegen – es wäre der erste Nachweis eines größeren unterirdischen H2-Vorkommens. Indiz dafür sind starke Wasserstoff- Ausgasungen – allein an den punktuellen Messstellen treten rund 200 Tonnen Gas pro Jahr  aus der Mine aus. Ihre Quelle ist wahrscheinlich das in der Tiefe liegende Ophiolit-Gestein – eine Formation, die weltweit vorkommt, wie Forschende in „Science“ berichten. Dies könnte bedeuten, dass es auch anderswo große Wasserstoff-Vorkommen gibt.

Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Doch das H2-Gas muss bisher chemisch gewonnen werden – beispielsweise durch die Elektrolyse von Wasser oder die Methan-Reduktion. Die Wasserstoff-Produktion ist dementsprechend aufwendig und teuer. Bisher galt dies aber als alternativlos, weil Wasserstoff keine größeren Reservoire im Untergrund bildet – so jedenfalls dachte man. Das Gas galt als zu flüchtig und zu leicht biologisch abbaubar, um sich in größeren Mengen in der Erdkruste anzureichern.

Gasmessungen
Forscher um Laurent Truche beim Probennehmen im Bergwerk. Aus diesem Tümpel steigen Blasen mit Wasserstoffgas auf. © L. Truche

Ausgasungen in der Tiefe einer Chrom-Mine

Doch jetzt haben Forschende eine Entdeckung gemacht, die alles verändern könnte: Das Team um Laurent Truche von der Universität Grenoble-Alpes hat erstmals Indizien für ein großes Wasserstoff-Reservoir im Untergrund gefunden. Für ihre Studie hatten sie Gasmessungen in der rund 40 Kilometer nordöstlich von Tirana gelegenen Bulqizë-Chrom-Mine in Albanien durchgeführt. In diesem Bergwerk wurden bereits mehrfach flammbare Gase in den untersten Stollen nachgewiesen, auch mehrere Gasexplosionen gab es.

Als Truche und sein Team die Luft und mehrere Wasseraustritte in der Mine untersuchten, stießen sie auf deutlich erhöhte Wasserstoff-Werte. „Wir beobachteten intensive Ausgasungen in den tieferen Ebenen des Bergwerks, vor allem in 500 bis 1.000 Meter Tiefe“, berichten sie. „In Wassertümpeln und Rinnsalen ist eine konzentrierte und intensive Blasenbildung zu sehen.“ Analysen ergaben, dass das dort austretende Gas zu 84 Prozent aus Wasserstoff besteht, weitere 13,2 Prozent sind Erdgas und rund 2,7 Prozent Stickstoff.

Mehr H2-Gas als irgendwo sonst

Doch wie viel Wasserstoff tritt in der Bulqizë-Mine aus? Um das zu ermitteln, installierte das Team ein Netzwerk von Wasserstoff-Sensoren und Durchflussmessern in den Schächten der Mine und in 38 Bohrlöchern. Sechs Jahre lang überwachten Truche und sein Team so die Wasserstoff-Austritte im Bergwerk.

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Das Ergebnis: „Pro Jahr werden in der Mine mindestens 200 Tonnen Wasserstoff freigesetzt“, berichten die Wissenschaftler. „Diese Ausgasungsraten sind jedoch Minimalwerte, die allein auf dem punktuell Gemessenen beruhen – keine Hochrechnung auf das gesamte Volumen. Wir haben nur einen Bruchteil der gesamten aus der Mine austretenden Luft überwacht.“

Doch schon diese Gasmengen sind rekordverdächtig: „Die Menge übertrifft die wenigen bisher dokumentierten Wasserstoff-Ausgasungen aus hyperalkalischen Quellen und Gasaustritten bei weitem“, schreiben Truche und seine Kollegen. Das Besondere an der Entdeckung sei auch, dass dieser große Ausstrom aus fast reinem Wasserstoffgas bestehe.

Bulqizë-Mine
Die albanische Bulqizë-Mine liegt über einer chromreichen Ophiolit-Gesteinsformation. © L. Truche

Ophiolit-Gestein als Wasserstoff-Speicher?

Das wirft die Frage auf, woher der Wasserstoff kommt. Als wahrscheinlichste Quelle sehen die Geologen die mächtige Formation aus Ophiolit-Gestein, in der das Bergwerk liegt. Ophiolite bestehen aus ozeanischem Krustengestein, das durch die Plattentektonik auf die Kontinentsockel geschoben wurde. Diese ehemalige Meereskruste bildet dadurch auf vielen Landmassen ausgedehnte geologische Formationen – auch in Südeuropa.

„Dieser Ophiolit-Gürtel erstreckt sich über mehr als 3.000 Kilometer von der Türkei bis nach Slowenien“, berichten Truche und sein Team. Das von vielen tektonischen Verwerfungen und Rissen durchzogene Massiv reicht bis zu sechs Kilometer weit in die Tiefe. Doch bisher galten solche Ophiolit-Formationen – vom Chrom abgesehen – als eher rohstoffarm. „Die Öl- und Gasindustrie hat die Ophiolite in der Vergangenheit weitgehend ignoriert, weil man sie für die Kohlenwasserstoff-Gewinnung für ungeeignet hielt“, erklären die Forschenden.

Wasserstoff-Förderung könnte rentabel sein

Doch der Wasserstoff in der Bulqizë-Mine wandelt nun das Bild. Denn wie die Wissenschaftler ermittelten, könnten allein im Ophiolit-Gestein unter dem Bergwerk zwischen 5.000 und 50.000 Tonnen Wasserstoff gespeichert sein. Dieser stammt höchstwahrscheinlich aus geochemischen Reaktionen der Minerale und sammelte sich im Laufe der Zeit in den Poren des Gesteins an. „Damit haben Ophiolite das Potenzial, reiche Reservoire von qualitativ hochwertigem Wasserstoffgas zu enthalten“, konstatieren Truche und sein Team.

Nach Ansicht der Forschenden könnte diese Entdeckung die Suche nach neuen Energie-Ressourcen und die Gewinnung von Wasserstoff substanziell verändern. „Bestimmte Ophiolite können ökonomisch abbaubare Ansammlungen von H2-Gas enthalten“, erklären sie. „Man könnte den Wasserstoff in solchen geologischen Kontexten kommerziell rentabel extrahieren, weil sich das Gas in Verwerfungszonen fängt und konzentriert.“

Wo weitere geeignete Formationen liegen und wie viel Wasserstoff in ihnen vorhanden ist, muss nun untersucht werden. (Science, 2024; doi: 10.1126/science.adk9099)

Quelle: American Association for the Advancement of Science (AAAS)

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