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Geowissen

Supervulkan ließ Erdplatte rotieren

Mantelplume unter Madagaskar verursachte tektonische Fernwirkung bis nach Europa

Erdplatten
Als Afrika und Indien sich trennten, wanderte der Subkontinent nicht nur nach Norden, der obere, ozeanische Teil der Indischen Platte drückte auch nach Westen – aber warum? © GFZ

Tektonische Fernwirkung: Ein urzeitlicher Supervulkan unter Madagaskar könnte eine entscheidende Rolle für die heutige Tektonik des Mittelmeerraums gespielt haben. Denn dieser Mantelplume spaltete vor 105 Millionen Jahren die Erdkruste und drückte Indien von Afrika weg, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten. Dabei wurde die Indische Erdplatte gedreht und ihre Nordseite rammte von Osten her die Region des heutigen Mittelmeers – mit Folgen bis heute.

Der Mittelmeerraum ist das Ergebnis einer komplexen tektonischen Geschichte: Gleich drei Erdplatten wirkten an der Bildung ihres Vorläufers, der Tethys, mit und hinterließen ein Mosaik aus Mikrokontinenten und Fragmenten alter ozeanischer Krustenstücke. Ursache dafür ist einerseits die Kollision Afrikas mit Eurasien, anderseits aber der von Osten in diese Region hineindrückende Ausläufer der Indischen Erdplatte.

Rätsel um Westdrift der Indischen Platte

Nach dem Zerfall des Südkontinents Gondwana löste sich auch Indien von Afrika und begann vor gut 110 Millionen Jahren eine Nordwanderung. Dabei bestand die Indische Platte jedoch nicht nur aus der heutigen Landmasse des Subkontinents, sondern umfasste nach Norden hin einen weit größeren ozeanischen Krustenteil. Dieser Plattenteil stieß als erster an die Südgrenze von Eurasien und wurde dabei sukzessive in die Tiefe gedrückt und subduziert.

Doch bisher gab es keine tektonische Erklärung dafür, warum sich die Indische Platte mit diesem nördlichen, ozeanisch geprägten Teil auch nach Westen bewegte. „Die Ost-West-Konvergenz, die vor rund 105 Millionen Jahren die Subduktion entlang des Tethys-Ozeans auslöste, lag senkrecht zu den gängigen Plattenbewegungen“, erklären Douwe van Hinsbergen von der Universität Utrecht und seine Kollegen.

Um dieses Rätsel zu lösen, hat das Team die Trennung Indiens von Afrika und die damit verknüpften Prozesse und Kräfte noch einmal in einem Modell Schritt für Schritt nachvollzogen.

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Supervulkan als Motor

Das Ergebnis: „Wir finden keinen tektonischen Treiber, der die Plattengrenzen-Bildung vor 105 Millionen Jahren praktikabel erklären könnte“, berichten die Forscher. Stattdessen identifizierten sie einen möglichen nicht-tektonischen Auslöser für die Plattenbewegungen: einen urzeitlichen Supervulkan vor der Küste Südost-Afrikas. Diese Morondava-Vulkanprovinz wurde von einem Mantelplume gespeist – einem großen Aufstrom heißen Magmas aus dem unteren Erdmantel.

3D-Modell
Das 3D-Modell zeigt, wie der Mantelplume eine Drehbewegung auslöst, die die Platten im Süden auseinander schiebt, im Norden aber gegeneinander drückt. © Alisha Steinberger/ GFZ

Die Spuren des Morondava-Supervulkans sind noch heute nachweisbar: Von seiner immensen Aktivität zeugen unter anderem Flutbasalte auf Madagaskar und im Südwesten Indiens. Das Entscheidende jedoch: Die neuen Simulationen legen nahe, dass dieser Supervulkan vor rund 105 Millionen Jahren so viel Magma in die Erdkruste presste, dass er diese dehnte und Indien vom Süden Afrikas wegdrückte, wie van Hinsbergen und sein Team berichten.

Rotation mit Folgen bis ins Mittelmeer

Das hatte Folgen auch für die weitere tektonische Entwicklung: Die Indische Platte wanderte dadurch nicht nur nach Norden, sondern wurde vom Druck des Mantelplumes auch allmählich gedreht. Verstärkt wurde diese Rotation durch die tiefer in den Mantel hinabreichende Kontinentkruste des Subkontinents: Er wirkte wie eine Art Anker für die Indische Platte und ließ sie um ihn als Fixpunkt rotieren. Das wiederum drückte den Nordrand der Indischen Platte mit beträchtlichem Druck nach Westen und in das Tethysgebiet hinein.

„Unsere Ergebnisse zeigen damit, dass Mantelplumes einen nichttektonischen Mechanismus für die Rotation großer Erdplatten darstellen können“, schreiben die Wissenschaftler. „Noch weit entfernt vom Kopf des Plumes kann dies dann divergente und konvergente Plattengrenzen schaffen.“ Im konkreten Fall verursachte dies die Prozesse, durch die das Tethysmeer und später das Mittelmeer entstanden. Ihre Folgen dauern bis heute an: Viele Erdbeben im östlichen Mittelmeerraum gehen letztlich auf die vor 105 Millionen Jahren begonnenen Subduktionsprozesse zurück.

Ursprung aller Plattentektonik?

Darüber hinaus erhellt die Rekonstruktion aber auch etwas Grundsätzlicheres: Die Ergebnisse legen nahe, dass auch Mantelplumes tektonische Prozesse auslösten können. Das stützt eine Theorie, nach der solche Aufwallungen von Magma aus dem Erdinneren einst die Plattentektonik überhaupt erst in Gang brachten. (Nature Geoscience, 2021; doi: 10.1038/s41561-021-00780-7)

Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

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