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Sonnensystem

Risiko großer Einschläge unterschätzt?

Nachmessung von Kratern könnte auf häufigere Einschläge großer Asteroiden hindeuten

Einschlag
Die Erde könnte häufiger von großen Asteroiden mit einem und mehr Kilometer Durchmesser getroffen werden als bislang gedacht. © solarseven/ Getty images

Kosmisches Bombardement: Die Erde könnte in den letzten eine Million Jahren mehr große Asteroideneinschläge erlebt haben als bisher angenommen – das jedenfalls schließen einige NASA-Forscher aus ihrer Neuvermessung von vier großen Einschlagskratern. Demnach sind diese Krater eineinhalb bis doppelt größer als es frühere Messungen nahelegten. Den Forschern zufolge könnten demnach Treffer durch Asteroiden von mehr als einem Kilometer Größe gut viermal häufiger vorkommen als gedacht.

Unser Planet wurde im Laufe der Erdgeschichte immer wieder von größeren und kleineren Asteroiden getroffen. Einige verursachten regionale oder globale Katastrophen, andere könnten die Entstehung der Kontinente und des Lebens gefördert haben. Doch wie groß ist das Risiko für den Einschlag eines potenziell katastrophalen Asteroiden? Bisher galt das Einschlagsrisiko für größere Brocken als relativ stabil und eher gering: Nur einmal alle 600.000 bis 700.000 Jahre dürfte ein Asteroid von mehr als einem Kilometer Größe einschlagen, so die gängige Schätzung.

Itturalde
Die Itturalde-Struktur in Bolivien in einer Aufnahme der Shuttle Radar Topography Mission (SRTM). Neueren LIDAR-Vermessungen zufolge könnte dieser Krater mehr als doppelt so groß sein wie das Radarbild nahelegt. © NASA

Einschlagskrater neu vermessen

Das Problem jedoch: Wie oft es solche größeren Einschläge auf der Erde gab, ist schwer zu ermitteln. Denn Erosion und Plattentektonik haben die meisten älteren Krater überdeckt oder zerstört. Bei den wenigen noch identifizierbaren großen Einschlagskratern ist es zudem meist schwer, die genauen Maße zu ermitteln – die Kraterränder sind oft kaum noch zu erkennen, überwachsen oder von Sediment überdeckt.

Deshalb haben James Garvin vom Goddard Space Flight Center der NASA und sein Team nun vier größere Krater aus den letzten eine Million Jahren mithilfe hochauflösender Daten neu vermessen. Dafür nutzten sie ein neues, auf Basis von satellitengestützten LIDAR-Messungen erstelltes digitales Höhenmodell, das eine Auflösung von zwei bis vier Metern in horizontaler und ein bis zwei Metern in vertikaler Richtung hat. Zusätzlich zogen sie Stereoaufnahmen der betreffenden Regionen hinzu.

Eineinhalb- bis zweifach so groß

Bei den vier Kratern handelt es sich um den 800.000 Jahre alten Pantasma-Krater in Nicaragua, den rund 900.000 Jahre alten Zhamanshin-Krater in Kasachstan, den gut eine Million Jahre alten Bosumtwi-Krater in Ghana und die als möglicher Einschlagskrater geltende Kreisstruktur von Itturalde in Bolivien, die erst rund 30.000 Jahre alt ist. Bisherigen Schätzungen nach sind diese Krater zwischen acht und 15 Kilometer groß – und damit deutlich kleiner als beispielsweise das Nördlinger Ries, das durch einen ein Kilometer großen Asteroiden verursacht wurde.

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Doch die Neuvermessung durch Garvin und sein Team zeichnet nun ein anderes Bild. Ihrer computergestützten Analyse zufolge entsprechen die bisher geschätzten Kratergrößen nur dem inneren Ring der komplexen Krater, der eigentliche Kraterrand liegt jedoch weiter außen. Sie ermittelten dadurch beispielsweise für den Zhamanshin-Krater einen Durchmesser von 30,4 Kilometern statt der bisherigen zwölf. Für Pantasma kommen sie auf 35,4 statt 14 Kilometer und für Bosumtwi auf 26,8 statt acht Kilometer. Für die Kraterstruktur von Ittoralde ermittelten Garvin und seine Kollegen 23,2 oder 30,4 Kilometer statt acht.

Zwölf große Einschläge statt nur ein bis zwei?

Damit sind die vier Krater eineinhalb bis zweimal größer als bisher angenommen und liegen nun in einem ähnlichen Größenbereich wie das rund 25 Kilometer große Nördlinger Ries. Auch sie wurden demnach durch einen Asteroiden von einem Kilometer Durchmesser oder mehr verursacht. Wie Gavin und seine Kollegen errechneten, hätte jeder der vier Einschläge eine Energie von 400.000 bis 730.000 Metatonnen TNT freigesetzt. „Diese Energie liegt deutlich über der Schwelle, ab der Teile der Erdatmosphäre weggesprengt werden und sich Impaktglas global verteilt“, schreiben die Forscher.

Nach Ansicht von Garvin und seinem Team spricht dies dafür, dass die Häufigkeit solcher größeren Einschläge bisher unterschätzt worden ist. Die vier untersuchten Krater zeigen, dass in den letzten eine Million Jahren gleich vier Asteroiden von einem und mehr Kilometer Durchmesser die Erde getroffen haben – statt nur einer alle 600.000 bis 700.000 Jahre. Berücksichtige man dann noch, dass Landflächen nur knapp ein Drittel der Erdoberfläche ausmachen, könnte die wahre Häufigkeit größerer Einschläge sogar bei rund einem Dutzend pro eine Million Jahre liegen, so das Team.

Neuvermessung nicht unumstritten

Allerdings: Die Neubewertung der vier Kraterdurchmesser ist nicht unumstritten. Einige Wissenschaftler bezweifeln, dass es sich bei dem von Garvin und seinem Team identifizierten Außenrand wirklich um den Kraterrand handelt. „Diese Strukturen sind so subtil, dass ich nicht glaube, dass sie von einem echten strukturellen Rand stammen“, kommentierte der Planetenforscher Gordon Osinski von der Western University gegenüber „Science“. Stattdessen könnte es sich bei den leichten Aufwölbungen auch um ausgeworfenen Einschlagstrümmer handeln.

Zwar betont auch Garvin, dass ihre Studie noch kein stichfester Beweis ist. Er hält es aber für unwahrscheinlich, dass sekundäre Strukturen trotz Erosion auch nach einer Million Jahren noch so deutlich nachweisbar wären. Dennoch räumen auch die Forscher um Garvin ein, dass weitere Untersuchungen vor Ort nötig sind, um ihre Messdaten zu bestätigen. Sie haben zudem bereits damit begonnen, auch einige weitere, etwas ältere Einschlagskrater noch einmal neu zu analysieren. (54th Lunar and Planetary Science Conference 2023, Contribution Nr. 2806 (PDF))

Quelle: 54th Lunar and Planetary Science Conference 2023, Science

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