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Umwelt

Es gibt auch „gute“ Tiere in der Wasserleitung

Grundwassertiere als Heinzelmännchen der Trinkwaserversorgung

Tiere in der Wasseleitung – Igitt! Oder doch nicht? Offenbar kommt es darauf an, um welche es sich handelt. Wasserasseln wie jüngst gefunden, sind schädlich, echte Grundwasserbewohner aber sind nicht nur nützlich, sie sind auch Raritäten, lebende Fossilien aus der Ära der Dinosaurier.

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In den Leitungen der meisten Wasserversorger leben Tiere. „Tiere im Trinkwasser sind aber nicht immer schlecht. Wenige, echte Grundwassertiere in geringer Anzahl zeigen, dass es sich um gutes, wohlgeschütztes und sauberes Wasser handelt“, erklärt Hans Jürgen Hahn, Leiter der Arbeitsgruppe Grundwasserökologie der Universität Koblenz-Landau. Wasserasseln (Asselus aquaticus) oder andere Tiere aus Oberflächengewässern gefährdeten dagegen die Qualität des Trinkwassers – besonders, wenn sie in Massen vorkommen.

In den letzten Wochen wurde – zum Teil sehr erregt – über Wasserasseln in Trinkwasserleitungen berichtet. Die dargestellten Probleme wie verstopfte Wasserhähne und Asselkot und -kadaver im Trinkwasser seien aber die Ausnahme, betont Hahn. Ein solcher Massenbefall komme nur dort vor, wo die Leitungsnetze sehr alt und überdimensioniert seien und das Rohwasser hohe Mengen organischer

Stoffe enthalte. Dringen in solche Netze Arten aus Oberflächengewässern ein, wie die Wasserassel, könnten sie sich explosionsartig vermehren.

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Grundwassertiere als Heinzelmännchen

Fast immer finden sich dagegen echte Grundwassertiere in geringer Zahl in den Leitungsnetzen. Sie seien die „Heinzelmännchen der Trinkwasserversorgung“. „Dass unser Trinkwasser so sauber aus der Leitung kommt wie wir es erwarten, verdanken wir vor allem den Lebewesen im Grundwasser. Sie fressen und zersetzen eingetragene Schadstoffe und reinigen so unser Trinkwasser. Echte Grundwasserorganismen weisen darauf hin, dass es sich um sauberes Grundwasser handelt – ein Qualitätsmerkmal“ so Hahn.

Lebende Fossilien

Aber nicht nur diese Ökosystemdienstleistungen, wie Fachleute sagen, machen die Tiere des Grundwassers so wertvoll. Viele von ihnen sind uralt und sehr selten. Brunnenkrebse zum Beispiel sind lebende Fossilien, die schon vor 300 Millionen Jahren, lange vor den Dinosauriern, die Oberflächengewässer der Steinkohlenzeit besiedelten. Irgendwann damals müssen sie in das Grundwasser eingewandert sein, wo sie heute noch fast unverändert leben. Sie zählen zu den seltensten Grundwassertieren mit acht Arten in Deutschland. Zwei davon, besonders urtümliche

Brunnenkrebsarten, wurden in den letzten Jahren in Württemberg neu entdeckt und gelten als wissenschaftliche Sensation.

Biologen gehen davon aus, dass im Grundwasser Deutschlands noch viele unbekannte Tierarten ihrer Entdeckung harren. Aber nur wenige Wissenschaftler, wie zum Beispiel die Arbeitsgruppe Grundwasserökologie an der Universität in Landau, erforschen die Tierwelt des Grundwassers. Die Landauer Wissenschaftler wollen herausbekommen, wie Grundwasserökosysteme überhaupt funktionieren und welche Umweltfaktoren darüber entscheiden ob bestimmte Arten vorkommen oder

nicht.

Tiere als Gütezeiger

„Letztendlich geht es um Bioindikation, das bedeutet, wie lässt sich anhand der Tiere der Zustand und die Qualität des Grundwassers beschreiben. Lassen sich anhand von Veränderungen der Grundwasserfauna Schädigungen an Feuchtgebieten vorhersagen und wie lassen sich Grundwassertiere schützen“, erläutert Hahn. Nur gesunde Grundwasserökosysteme mit all ihrer Tieren und Mikroorganismen lieferten auch gesundes Trinkwasser.

Deshalb untersuchen die Biologen derzeit auch mit einem mehrjährigen Forschungsprojekt, finanziert durch die KSB-Stiftung in Frankenthal/Pfalz, das Vorkommen und die Verteilung von Grundwassertieren im Leitungsnetz eines großen süddeutschen Wasserversorgers. „In unserem Wasserwerk kommen nur sehr wenige Tiere vor – alles echte Grundwasserbewohner“ begeistert sich Jörg Bork, der Projektleiter. „Es ist wirklich spannend herauszufinden, wie die Tiere in das Leitungsnetz gelangen, wo sie sich dauerhaft aufhalten können, und warum sie dort aber unter normalen Umständen keine Massenvorkommen ausbilden“.

Wichtig sei, so Bork und Hahn, dass die Wasserversorger das Vorkommen von Tieren in ihrem Leitungsnetz akzeptieren und differenziert betrachten. Entscheidend sei, zu wissen, um welche Arten es sich handelt und wie hoch die Besiedlungsdichten sind. Die Kunden erwarteten schließlich von ihrem Wasserversorger klare Informationen über den Zustand ihres wichtigsten Lebensmittels.

(Universität Koblenz-Landau, 23.07.2009 – NPO)

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