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Energie

Großwärmepumpen könnten Wärmebedarf Deutschlands decken

Studie: Potenzial übersteigt Bedarf deutlich – drei Voraussetzungen für schnellen Ausbau

Wärmepumpen
Wärmepumpen boomen. Doch weit sinnvoller und effizienter als einzelne Kleinanlagen wären Großwärmepumpen für Fernwärmenetze und Industrieprozesse. © Fraunhofer IEG/ Frank Wiedemeier

Größer ist effizienter: Großwärmepumpen könnten den gesamten Wärmebedarf Deutschlands für Gebäude und Industrieprozesse bis 200 Grad problemlos decken – auch ohne luftbasierte Wärmepumpen, wie eine Studie aufzeigt. Demnach liegt das Potenzial für Wärme aus Geothermie, Gewässern, Abwärme und Grubenwasser bei gut 1.500 Terawatt, der deutschlandweite Bedarf bei rund 1.000 Terawatt. Für einen schnellen Ausbau müssen allerdings drei Voraussetzungen erfüllt werden, so die Forschenden.

Die Wärmeversorgung von Gebäuden hinkt bei der Dekarbonisierung bisher hinterher: Rund 80 Prozent der Energie für das Heizen und die Warmwasseraufbereitung liefern bisher fossile Brennstoffe. Zwar erleben jetzt kleine, luftbasierte Wärmepumpen einen Boom, doch weitaus effizienter und sinnvoller wäre eine Wärmeversorgung durch Fernwärme und entsprechende Großanlagen. Studien zeigen, dass dafür vor allem die oberflächennahe und tiefe Geothermie, Grundwasser-Aquifere oder auch Grubenwasser und die Abwärme von Industrieanlagen oder Rechenzentren nutzbar wären.

Fernwärme-Leitungen
Reparaturarbeiten an bestehenden Fernwärmeleitungen. © Srdjanns74/ Getty images

Fokus auf Großwärmepumpen

Doch würden diese Wärmequellen reichen? Das haben nun Forschende um Fabian Ahrendts von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG für Agora Energiewende näher untersucht. Im Fokus stand dabei die Frage, wie gut sich der Bedarf Deutschlands für Wärme und Warmwasser bis 200 Grad durch Großwärmepumpen decken lässt. Als Großwärmepumpen gelten dabei Anlagen ab einer Heizleistung von 500 Kilowatt pro Einheit, wie sie typischerweise für Fernwärmenetze eingesetzt werden.

Für die Studie klärten die Forschenden zunächst, wie viele Großwärmepumpen zurzeit schon in Deutschland im Einsatz sind und welche Leistungen sie bringen. Durch Recherche und Herstellerbefragungen ermittelten sie dann die Entwicklungspotenziale beispielsweise bei erreichbaren Temperaturen, Wirkungsgraden und Flexibilität sowie das Potenzial der nutzbaren Wärmequellen für solche Anlagen.

Wärmebedarf könnte gedeckt werden

Das Ergebnis: Deutschland könnte seinen gesamten Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad aus nachhaltigen Quellen wie der oberflächennahen und tiefen Geothermie, der Abwärme und der Wasserwärme decken. Das Potenzial solcher über Großwärmepumpen nutzbaren Wärme liegt den Berechnungen zufolge bei rund 1.500 Terawattstunden. Demgegenüber steht ein jährlicher Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad von insgesamt etwas über 1.000 Terawattstunden, wie die Studie ergab.

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„Deutschland verfügt über mehr Umwelt- und Abwärmequellen als wir brauchen, um den gesamten Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad zu decken“, sagt Simon Müller von Agora Energiewende. „Mit Großwärmepumpen werden diese Wärmequellen großflächig für die Fernwärmeversorgung und in der Industrie nutzbar.“ Die in Wärmenetzen und für die industrielle Prozesswärme benötigten Temperaturen ließen sich schon heute durch Großwärmepumpen bereitstellen.

Kombination mit Großwärmespeichern entlastet das Stromnetz

Ein Vorteil der Anlagen im Großmaßstab: Um das Stromnetz vor allem im Winter nicht unnötig zu belasten, laufen sie nur dann, wenn genügend Strom verfügbar ist. Die überschüssige Wärme wird in Großwärmespeichern zwischengespeichert. In Zeiten, in denen die regenerative Stromerzeugung gering und die Preise auf dem Strommarkt hoch sind, kann dann die Wärme aus den Speichern genutzt werden. Die Großwärmespeicher müssen dafür so ausgelegt sein, dass sie die maximale Wärmelast im Mittel über 15 bis 21 Stunden decken könnten, wie das Team erklärt.

„Dieser flexible, grünstromgeführte Wärmepumpeneinsatz entlastet durch die Kopplung mit dem Wärmesektor die Stromnetze, vermeidet unnötige Drosselungen der erneuerbaren Stromproduktion und verbessert zudem die CO₂-Bilanz der Wärmeerzeugung“, schreiben Ahrendts und seine Kollegen.

Bisher noch Nischenprodukt

Bisher ist das Potenzial der Großwärmepumpen hierzulande weitgehend ungenutzt: Anfang 2023 waren in Deutschland nur 30 Großwärmepumpen-Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 60 Megawatt in Betrieb. Damit ist diese Technologie in Deutschland noch ein Nischenprodukt. Zum Vergleich: Bei den Vorreitern Norwegen und Schweden liegt der Anteil an Großwärmepumpen in der Fernwärmeversorgung schon jetzt bei 13 beziehungsweise acht Prozent, im europäischen Durchschnitt bei 1,2 Prozent.

Immerhin sind hierzulande mindestens 30 weitere Großwärmepumpenprojekte mit einer Gesamtleistung von rund 600 Megawatt bereits im Bau oder in Planung. Um allerdings bis 2045 mindestens 70 Prozent der Fernwärme in Deutschland über solche Anlagen bereitzustellen, bräuchte es einen durchschnittlichen Zubau von jährlich vier Gigawatt neuer Großwärmepumpenleistung bis 2045, wie das Team errechnet hat. Ausgehend von der typischen Leistungsverteilung bisheriger Anlagen entspräche dies rund 340 bis 410 Großwärmepumpen.

Was sind die Voraussetzungen für einen Ausbau?

Aber wie wäre ein so rasanter Ausbau zu bewerkstelligen? Die Studie nennt dafür drei Voraussetzungen. Der erste ist ein klarer Ausbaupfad basierend auf einer verbindlichen kommunalen Wärmeplanung. Dies sei entscheidend, damit auch Hersteller Planungssicherheit bekommen und sie auf Basis einer gesicherten Nachfrage das Angebot ausbauen können, erklären die Forschenden.

An diesem Punkt setzt die zweite Voraussetzung an: Nötig wäre eine strategische Ausweitung des Wärmepumpen-Angebots und eine größere Effizienz in der Produktion. So sind Großwärmepumpen heute meist noch aufwendige Einzelanfertigungen. Hier könnte durch die Standardisierung von Herstellungsprozessen ein schnellerer Hochlauf der Produktion erfolgen. Das sei auch zentral für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche, so die Wissenschaftler.

Finanzielle und regulatorische Nachteile beheben

Die dritte Voraussetzung ist laut der Studie der Abbau von Preisnachteilen gegenüber fossilen Energieträgern. Wichtig dafür wäre die Einführung von zeitvariablen Netzentgelten, so dass der Wärmepumpenbetrieb in Zeiten genügenden Stromangebots günstiger wird – das schont auch das Stromnetz. Außerdem müssen lange Antragswege und aktuelle Förderrichtlinien optimiert werden. So sind bei der Förderung bisher strombetriebene Großwärmepumpen gegenüber fossil befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen benachteiligt.

Hier müsse der regulatorische Rahmen ein attraktives und günstiges Angebot für die Fernwärme ermöglichen: „Mit einer Reform des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes und einer Aufstockung des Förderprogramms für Wärmenetze lässt sich diese Schieflage beheben und die Wärmewende beschleunigen“, sagt Müller. „Es bleiben noch gut 20 Jahre bis zur Klimaneutralität. Deshalb brauchen wir dringend Anreize für grüne Wärmelösungen, statt den Hochlauf durch unabgestimmte Fördersysteme zu blockieren. (Studie: Rollout von Großwärmepumpen in Deutschland: Strategien für den Markthochlauf in Wärmenetzen und Industrie, 2023)

Quelle: Fraunhofer IEG, Agora Wärmewende

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