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Energie

Aus Wind wird Wasserstoff

Neues Projekt will Windstrom „zwischenlagern“

Strom aus Wind ist eigentlich eine feine Sache. Er schont Ressourcen wie Kohle und Erdgas und erspart der Atmosphäre Kohlendioxid. Dumm nur, dass das Lüftchen unstet weht. Für Kritiker ist die Öko-Energie damit seit eh und je unkalkulierbar und inakzeptabel. Das Windstromangebot sei wechselhaft wie das Wetter. Doch das könnte sich in Zukunft ändern. Denn Forscher der Universität Oldenburg wollen künftig im Projekt HyWindBalance Windstrom in Form von Wasserstoff speichern.

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Die Zukunft beginnt in einer kalten, zugigen Kammer an der Universität Oldenburg. Der Raum mit den nackten Betonwänden ähnelt eher einem ausgedienten Fahrradstand, als einem Labor. Drei Stahlschränke thronen darin. In ihnen wandelt sich Wind in Wasserstoff – die Energiewährung der Visionäre. Die Anlage wurde vor kurzem in Betrieb genommen und das Projekt HyWindBalance offiziell gestartet. Es soll dem Windstrom das Schwanken austreiben und ihn so regelbar wie ein schnurrendes Kohlekraftwerk machen.

Für gewöhnlich lässt sich elektrischer Strom nicht speichern – zumindest nicht in großen Mengen. Er muss deshalb direkt und sofort ins Netz eingespeist werden. HyWindBalance will einen anderen Weg gehen. Der Windstrom wird genutzt, um in einem Elektrolyseur Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Die Anlage pumpt den Wasserstoff anschließend in 24 knallrote mannshohe Stahlflaschen. Bei Bedarf versorgt dieser Speicher eine Brennstoffzelle. Die wandelt den Wasserstoff zurück in Strom. „Nach diesem Prinzip kann man Windstrom künftig in Form von Wasserstoff speichern, wenn er an windigen Tagen im Überfluss vorhanden ist“, sagt Projektleiter Igor Waldl von der Firma Overspeed in Oldenburg. Bei Flaute schaltet sich die Brennstoffzelle ein – und gleicht den Windenergiemangel aus.

Fünf kleine Unternehmen, allesamt Spin-Offs der Universität, haben das Projekt gemeinsam mit Forschern aus dem „Energielabor“ der Hochschule erdacht – mit von der Partie sind Ingenieure, Physiker aber auch Wirtschaftsexperten. Sie wollen herausfinden, wie man eine solche Anlage so steuert, dass sie sich optimal an die schwankende Nachfrage im Stromnetz anpassen kann. Es liegt auf der Hand, dass der Stromverbrauch an einem Sonntagnachmittag geringer als am Montag ist, wenn in Büros und Fabriken gearbeitet wird.

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Zwischenspeicherung nötig

Die Energieversorger stellen sich darauf ein, prognostizieren den Bedarf einen Tag im Voraus und berücksichtigen dabei Sommerferien oder Millionen eingeschaltete Fernseher zur Tagesschau-Zeit. Kraftwerke werden entsprechend hoch- oder heruntergefahren. Mit Wind- oder auch Solarenergie ist das bislang nicht machbar. Über die Zwischenspeicherung von Wasserstoff aber sehr wohl, hoffen die Entwickler. Einen Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde liefert der Elektrolyseur. Die Brennstoffzelle bringt es auf fünf Kilowatt Leistung, das würde reichen, um ein kleines Motorboot anzutreiben.

„Die Anlage ist natürlich noch sehr klein.“, sagt Waldl, „aber an ihr können wir bereits viele offene Fragen klären.“ Davon gibt es reichlich. Denn eine Wind-Wasserstoff-Anlage zum Ausgleich von Windenergie-Schwankungen im Stromnetz hat bislang noch niemand kreiert. Brennstoffzelle und Elektrolyseur sind längst nicht alles.

Die Forscher haben an ihr System eine selbst entwickelte Software zur meteorologischen Windprognose gekoppelt. Erst dadurch lässt sich die Zwischenspeicherung von Windstrom exakt planen und rechtzeitig auf den Bedarf abstimmen.

Windlast im Dauereinsatz

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Schwankungen sind das eine. Das Projekt aber strebt nach mehr. Es will Windstrom zum kalkulierbaren Wirtschaftsgut machen. Immerhin wird Strom im liberalisierten Markt seit rund einem Jahrzehnt gehandelt wie eine Ware und über das europäische Verbundnetz munter hin- und hertransportiert – je nach Bedarf. Besonders teuer wird Strom, wenn wider Erwarten viel Energie benötigt wird. Diese Bedarfsspitzen werden an den internationalen Strombörsen EEX oder Nord Pool für viel Geld veräußert. Ökostrom konnte an den Börsen bisher nicht wirklich mitspielen, eben weil er kaum planbar war. Dank des Wasserstoff-Rückgrats könnte er künftig aber so verlässlich wie Energie aus dem Gaskraftwerk sein. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Noch müssen Elektrolyseur und Brennstoffzelle zeigen, wie lange sie die schwankende Windlast im Dauereinsatz überstehen.

Die Größte Herausforderung ist die Abstimmung und Optimierung der alles koordinierenden Software – des Moduls für die „Optimierte Betriebsführung“. Sie speist die Windprognosen ein. Sie regelt Elektrolyseur und Brennstoffzelle je nach Windstrommenge auf und ab. Und aus den Wirtschaftsdaten von der Strombörse errechnet sie, wann Strom am teuersten gehandelt wird. Dann lohnt es sich, den gespeicherten Wasserstoff in elektrische Energie zu wandeln und ins Netz zu schicken; trotz des geringen Gesamtwirkungsgrads der Anlage von derzeit nur 35 Prozent.

Treibstoff für Wasserstofffahrzeuge

Der Oldenburger Energieversorger EWE unterstützt das Projekt personell und finanziell. Die Möglichkeit, künftig Strom aus Sonne und Wind zu hohen Preisen am Markt zu verkaufen, ist verlockend.

Im Gebiet der EWE stehen Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 2.500 Megawatt. An windigen Sonntagen, wenn sich die Anlagen mit Volllast drehen, werden im Verbund des Versorgers aber nur etwa 1.000 Megawatt verbraucht. Die Differenz von 1.500 Megawatt muss das Unternehmen für wenig Geld ins Netz einspeisen. Eine sonntägliche Überkapazität könnte man künftig in Wasserstoff wandeln und später teurer verkaufen. Ein weiterer Vorteil: Wasserstoff ließe sich nicht nur als Strom, sondern auch für andere Zwecke nutzen – etwa als Treibstoff für Wasserstofffahrzeuge.

„Wir rechnen allerdings damit, dass eine Anlage zur Wandlung derart großer Mengen erst zur Mitte des Jahrhunderts zur Verfügung stehen wird“, sagt Jörg Buddenberg von EWE. Das Unternehmen erforscht deshalb zugleich Alternativen für die Konservierung von Windstrom – etwa unterirdische Druckluftspeicher.

Testanlage im Stahlschrank

Dass die Wind-Wasserstoff-Wandlung im großen Stil noch ein wenig auf sich warten lassen wird, ist freilich auch den Partnern klar. Selbst ein einziges mittelgroßes Windrad mit zwei Megawatt Leistung wäre noch viel zu groß für die Testanlage im Stahlschrank. Es würde den kleinen Wasserstoffspeicher im Energielabor in nur sechs Minuten füllen.

Die Forscher ziehen den Strom für den Elektrolyseur in der Startphase ihres Projektes deshalb lieber noch aus der herkömmlichen Steckdose. Windschwankungen werden dem System vorerst über eine Simulationssoftware vorgegaukelt. Bereits in zwei Jahren aber soll an der Universität eine 300 Kilowatt-Maschinerie in Betrieb gehen, ein wichtiger Schritt in die große Wasserstoffzukunft. „Ob Technik und Software wie geplant funktionieren, muss sich jetzt an unserem Forschungssystem zeigen“, sagt Waldl.

(idw – Oldenburg, 29.12.2006 – DLO)

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