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Medizin

Zoo begünstigt Entstehung neuer Krankheitserreger

Viren von Zebras machten Eisbären krank

Eisbär Lars überlebte das Zebravirus nur knapp © Zoo Wuppertal/ Barbara Scheer

Zoos können die Bildung neuer Krankheitserreger fördern: Im Wuppertaler Zoo litten 2010 mehrere Eisbären an einer rätselhaften Erkrankung. Jetzt zeigt sich, dass ein Virus schuld ist, der von Zebras auf die Bären übergesprungen ist. Er entstand durch die Kombination zweier Typen von Zebraviren. Diese Rekombination und der Sprung über die Artgrenze sei wahrscheinlich durch den nahen Kontakt so vieler verschiedener Tierarten begünstigt worden, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Current Biology“.

Normalerweise sind Krankheitserreger an einen bestimmten Wirt angepasst; allerdings können einige bei passender Gelegenheit auch neue Wirtsarten infizieren. Die vorliegende Studie von Forschern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung Berlin (IZW), der Freien Universität Berlin, der Universität Sydney und des Zoologischen Gartens Wuppertal berichtet von einem solchen Fall der Virenübertragung von einer Tierart auf die andere. Im Jahr 2010 starb ein Eisbärweibchen namens Jerka im Wuppertaler Zoo an einer Gehirnentzündung, trotz aller Bemühungen der Zootierärzte, sie zu retten. Ihr männlicher Artgenosse Lars zeigte ähnliche Krankheitssymptome, überlebte aber dank raschen Eingreifens und langfristiger tierärztlicher Betreuung.

Eisbären-Seuche sorgt für Rätselraten

Arne Lawrenz, Tierarzt im Wuppertaler Zoo, beschreibt die Situation wie folgt: „Die Symptome waren ziemlich schockierend, und zu diesem Zeitpunkt war die Krankheitsursache völlig unklar. Tagelang versuchten wir, den Zustand der beiden Tiere zu stabiliseren. Im Fall von Jerka blieben leider alle Bemühungen erfolglos. Ihr Artgenosse Lars erholte sich glücklicherweise nach einigen Wochen und erfreut sich noch heute bester Gesundheit.“ Gehirnentzündungen können durch eine Reihe von Viren und Bakterien verursacht werden, und die Identifizierung neuartiger Pathogene bei Wildtieren ist eine schwierige, oft unlösbare Aufgabe. Durch aufwendige Untersuchungen von Jerka, Lars und neun weiteren Eisbären konnte ein Herpesvirus als Ursache festgemacht werden, das normalerweise in Zebras vorkommt.

Interessanterweise stellte sich heraus, dass es sich bei diesem Virus um eine Rekombinante handelt, eine Kombination des genetischen Materials zweier verschiedener Viren, die beide Zebras infizieren. Dieses rekombinante Virus entstand dadurch, dass das Equine Herpesvirus EHV9 einen Teil seiner DNA auf das verwandte Virus EHV1 übertrug. Ob sich dieses Virus erst kürzlich in den Zebras im Zoo oder bereits vor langer Zeit in Afrika entwickelt hat, und ob dieses Rekombinationsereignis dafür verantwortlich ist, dass das Virus auf neue Wirte überspringen und tödliche Krankheiten verursachen kann, ist noch nicht bekannt.

Infektionsweg noch unbekannt

Noch ist auch unbekannt, wie sich die Eisbären infiziert haben. Eisbären und Zebras werden im Wuppertaler Zoo von verschiedenen Tierpflegern betreut. Darüber hinaus befindet sich das Gehege der Zebras etwa 70 Meter entfernt von dem der Eisbären; es ist also unwahrscheinlich, dass die Übertragung durch direkten Kontakt erfolgte. Allerdings sind Bären und Zebras nicht die einzigen Wirte, da die Ursprungsviren EHV 1 und EHV 9 als Erreger von schweren Gehirnentzündungen bei anderen Zootierarten wie Gazellen und Meerschweinchen gefunden wurden.

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Klaus Osterrieder von der Freien Universität Berlin erklärt: „Diese Viren scheinen viele Artgrenzen überwinden zu können – genaugenommen wissen wir jetzt nicht einmal, ob sie überhaupt Artgrenzen haben. Rätselhaft ist auch, dass diese Viren in der Umwelt nicht besonders stabil sind. Es ist also wichtig, herauszufinden, wie sie sich trotzdem zwischen Tierarten bewegen können.“ Eine Möglichkeit, die die Autoren der Studie derzeit erforschen, ist, dass die Viren durch freilebenden Mäuse oder Ratten übertragen wurden.

Für die meisten Krankheitserreger weiß man sehr wenig über ihre Fähigkeit, neue Arten als Wirte zu nutzen. Weitere Forschung auf dem Gebiet der Wildtierkrankheiten, besserer Informationsaustausch zwischen Zoos und anderen Einrichtungen sowie sorgfältige Kontrollen sind nötig, um den Erfolg der Artenschutzmission von Zoos zu sichern. Zumindest ein Fall wurde aber erfolgreich aufgeklärt, sagt Lawrenz: „Zusammen mit unseren Kollegen haben wir unsere Eisbären in Wuppertal auf EHV untersucht, um sicher zu gehen, dass sie das Virus nicht haben. Diese Untersuchungen werden wir regelmäßig wiederholen. Jetzt, da wir mehr darüber wissen, sind wir besser vorbereitet und können bereits im Vorfeld aktiv werden“.

(Forschungsverbund Berlin e.V., 17.08.2012 – NPO)

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