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Evolution

Wann lebte der Urahn allen Lebens?

Letzter gemeinsamer Vorfahre aller Lebewesen auf Zeit vor über 4,3 Milliarden Jahren datiert

Ursuppe
Forschende haben neue Details über die Ursprünge des Lebens ans Licht gebracht. © picturist/ Getty Images

Reise in die Vergangenheit: Der letzte gemeinsame Vorfahre aller irdischen Organismen könnte schon vor 4,32 bis 4,52 Milliarden Jahren gelebt haben – und damit kurz nach der Entstehung unseres Planeten, wie Forschende in „Nature“ berichten. Bei diesem Urahn aller Bakterien, Archaeen, Tieren und Pflanzen handelte es sich demnach um einen Einzeller, der bereits den Energieträger ATP herstellen konnte. Die Linie der Eukaryoten, zu denen auch wir Menschen gehören, hatte ihren letzten gemeinsamen Vorfahren wiederum vor 1,84 bis 1,93 Milliarden Jahren.

Wann und wo das erste Leben auf unserem Planeten entstand, ist bisher unklar. Rekonstruktionen auf genetischer und physiologischer Basis legen aber nahe, dass diese ersten Zellen extrem genügsam und nur mit einem Minimum an Zellfunktionen und Enzymen ausgestattet waren. Bisheriger Annahme nach könnte der Vorläufer allen heutigen Lebens vor mindestens 3,8 Milliarden Jahren entstanden sein.

Auf der Suche nach LUCA

Die Wissenschaft ist schon länger auf der Suche nach diesem „Mister X“ beziehungsweise „LUCA“, was die englische Abkürzung für „letzter universeller gemeinsamer Vorfahre“ ist. Um ihm auf die Schliche zu kommen, haben Forschende um Tara Mahendrarajah vom Königlichen Niederländischen Institut für Meeresforschung nun einen neuen Weg eingeschlagen. Die Idee: Alle heutigen Organismen – egal ob Bakterium, Hund oder Mammutbaum – besitzen mindestens eine Variante der ATP-Synthase, einem Enzym, das den zellulären Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) herstellt.

Es liegt somit nahe, dass auch LUCA zur ATP-Synthese fähig war. Mahendrarajah und ihr Team haben daher die verschiedenen Formen der ATP-Synthase bis tief in die Vergangenheit zurückverfolgt, um schließlich jenen Zeitpunkt zu finden, an dem die verschiedenen Varianten zusammenlaufen. So konnten sie datieren, wann LUCA einst lebte, aber auch wann sich die verschiedenen Organismengruppen jeweils vom Baum des Lebens abgespalten haben.

LUCA ist über 4,3 Milliarden Jahre alt

Das Ergebnis: Der Datierung von Mahendrarajah und ihrem Team zufolge muss LUCA schon vor 4,32 bis höchstens 4,52 Milliarden Jahren gelebt haben. Ihre Rekonstruktion verlagert die Entstehung des irdischen Lebens damit noch weiter in der Vergangenheit. Demnach könnte sich der erste Organismus schon kurz nach der Entstehung unseres Planeten entwickelt haben.

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Die neue Datierungsmethode half außerdem dabei, genauer zu bestimmen, wann sich Bakterien und Archaeen voneinander getrennt haben – mit überraschendem Ergebnis. Denn bisher galten die Archaeen als die älteste Organismengruppe der Erde, dicht gefolgt von den Bakterien. Doch der neuen ATP-Rekonstruktion nach könnte es umgekehrt gewesen sein: Der älteste Bakterien-Vorfahre existierte demnach schon vor 4,05 bis 4,49 Milliarden Jahren, der gemeinsame Vorfahre aller Archaeen dagegen „erst“ vor 3,37 bis 3,95 Milliarden Jahren, wie das Team berichtet.

Aktualisierter Stammbaum des Lebens
Nach Ansicht des Forschungsteams muss so der frühe Baum des Lebens ausgesehen haben. © Tara Mahendrarajah

Wann lebte der Eukaryoten-Urahn?

Auch die Geschichte der Eukaryoten konnten Mahendrarajah und ihre Kollegen präziser entschlüsseln – des Stammbaumastes, dem alle zellkerntragenden Lebewesen inklusive uns Menschen angehören. Ihrer Datierung zufolge muss der letzte gemeinsame Vorfahre der Eukaryoten vor 1,84 bis 1,93 Milliarden Jahren gelebt haben. Dieser Urahn aller Zellkernträger entstand neueren Theorien nach aus den sogenannten Asgard-Archaeen, einer kleinen, heute noch vorkommenden Untergruppe der Archaeen.

Allerdings waren diese Archaeen vermutlich nicht die einzigen Vorfahren der Eukaryoten. Die Endosymbiontentheorie geht davon aus, dass die Ur-Eukaryoten damals durch die Fusion zweier einzelliger Lebensformen entstanden sind, wie Mahendrarajah erklärt: „Die Eukaryoten sind aus dem bakteriellen und dem archäischen Zweig hervorgegangen. Wir haben ein bisschen von beidem in uns.“

Vergangenheit zeigt die Zukunft

Die neuen Erkenntnisse zur Geschichte des Lebens helfen aber nicht nur bei der Rekonstruktion der Vergangenheit, sondern könnten ebenso Aufschluss über die Zukunft geben. „Einblicke in die Rolle sowohl alter als auch neuer Mikroben im Nährstoffkreislauf können helfen, die künftige Biodiversifizierung in einer sich verändernden Umwelt, einschließlich der Klimaerwärmung, besser zu verstehen und vorherzusagen“, erklärt Spang. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-42924-w

Quelle: Royal Netherlands Institute for Sea Research

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