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Biologie

Vogel schützt sich mit Nervengift im Gefieder

Biologen entdecken in Neuguinea zwei weitere Vogelarten mit Batrachotoxin in den Federn

Pachycephala schlegelii
Dieser hübsche Vogel ist der in Neuguinea beheimatete Bergdickkkopf (Pachycephala schlegelii). Er trägt das Nervengift Batrachotoxin in seinen Federn und seiner Haut – wenn auch nicht in tödlichen

Nicht anfassen: Dieser hübsche Vogel hat es in sich, denn seine Federn enthalten das tödliche Nervengift Batrachotoxin – das Gift der Pfeilgiftfrösche. Bei einer Expedition in den Dschungel Neuguineas haben Forschende solche Giftfedern bei zwei neuen Vogelarten entdeckt. Fasst man die Vögel an oder isst sie, löst das Nervengift im Extremfall Schmerzen und Hautreizungen aus. Wie die Giftfrösche reichern auch die Vögel das Toxin aus ihrem Futter an. Eine spezielle Mutation schützt sie dabei vor der Giftwirkung.

Ob Schlangen, Spinnen, Fische, Frösche oder der australische Stechbaum: Viele Lebewesen schützen sich mithilfe tödlicher Gifte vor Fressfeinden und anderem Ungemach. Häufig kommen dabei potente Nervengifte zum Einsatz, die bei den Opfern Lähmungen, Krämpfe und tödliches Muskelversagen auslösen. Besonders berüchtigt ist das Neurotoxin der südamerikanischen Pfeilgiftfrösche. Batrachotoxin ist schon in kleinen Dosen tödlich und wurde deshalb schon vor Jahrhunderten von Menschen für Giftpfeile genutzt.

Aleadryas rufinucha
Auch der Rotnackenpfeifer (Aleadryas rufinucha) hat Nervengift im Gefieder, wie das Team entdeckte. © Knud Jønsson

Zwei neue Arten gefiederter Giftträger

Jetzt haben Forschende das hochgiftige Batrachotoxin auch bei zwei Vogelarten in Neuguinea entdeckt. Bei einer Expedition im Dschungel der tropischen Insel hatten Kasun Bodawatta von der Universität Kopenhagen und seine Kollegen Federproben von 27 verschiedenen Vogelspezies gesammelt und auf ihren Gehalt an Giften hin untersucht. Denn in Neuguinea waren schon zuvor einige wenige Vogelarten mit Giftfedern entdeckt worden, darunter der zu den Sperlingsvögeln gehörende Pitohui.

Bei der Untersuchung der Federproben erwiesen sich zwei weitere, bisher als harmlos geltende Vogelarten als Träger des Batrachotoxins. Einer ist der durch einen auffällig gelben Bauch gekennzeichnete Bergdickkopf Pachycephala schlegelii, der zweite der Rotnackenpfeifer (Aleadryas rufinucha), der einen roten Fleck am dunklen Hinterkopf trägt. „Wir waren wirklich überrascht, dass auch diese Spezies giftig sind, weil sie in diesem Teil der Welt sehr häufig vorkommen“, sagt Knud Jønsson von der Universität Kopenhagen. Die Forschenden gehen davon aus, dass die wahre Vielfalt der Giftvögel in Neuguinea bisher stark unterschätzt worden ist.

Nicht tödlich, aber spürbar

Bei beiden Vogelarten war das Pfeilgift Batrachotoxin in Haut und Federn nachweisbar, wenn auch in vergleichsweise geringen Konzentrationen von weniger als einem Nanogramm pro Milligramm Federmaterial. Damit sind diese Vögel für uns Menschen weder tödlich oder gefährlich. Sie können aber ähnlich wie andere, noch toxischere Giftvögel Neuguineas Haut- und Schleimhautreizungen verursachen. Biologen vermuten, dass das Gift den Vögeln primär dazu dient, Parasiten abzutöten, vielleicht aber auch zur Abwehr von Fressfeinden.

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„Man kann das Gift spüren, wenn man einen solchen Vogel in der Hand hält, es ist wenig angenehm“, berichtet Jønsson. „Viele Einheimische lassen diese Vögel in Ruhe, weil deren Fleisch im Mund wie Chili brennen soll. Das könnte darauf hindeuten, dass dieses Gift den Vögeln als Abschreckung gegen diejenigen dient, die sie fressen wollen.“

Nervengift aus der Nahrung angereichert

Doch woher haben diese Vögel das hochgradig toxische Batrachotoxin? Bei den Pfeilgiftfröschen weiß man, dass diese das Gift nicht selbst produzieren, sondern es mit der Nahrung aufnehmen. Berichten von Einheimischen nach stammt das Gift der Frösche von noch nicht näher bestimmten Insekten. In ähnlicher Weise scheinen auch die Giftvögel in Neuguinea ihr Gift zu bekommen: Im Magen einiger dieser Spezies wurden Käfer der Gattung Choresine gefunden, die Batrachotoxin enthalten.

Das aber bedeutet, dass Frösche und Vögel einen Weg gefunden haben müssen, um gegen das aufgenommene Nervengift immun zu sein. Bei den Pfeilgiftfröschen geschieht dies durch spezielle Mutationen im Erbgut. Sie verhindern, dass das Toxin die Natriumkanäle in der Membran ihrer Muskelzellen dauerhaft öffnet und so die Krämpfe und Lähmungen verursacht. „Es war daher naheliegend zu schauen, ob die Vögel Mutationen in den gleichen Genen tragen“, sagt Bodawatta.

Klassischer Fall konvergenter Evolution

Die Genanalysen bei den Giftvögeln enthüllten: „Die Vögeln haben tatsächlich Mutationen in den Genen, die die Natriumkanäle regulieren – aber sie liegen an anderen Stellen als bei den Fröschen“, berichtet Bodawatta. Das spreche dafür, dass Frösche und Vögel ihre Resistenz gegenüber dem Nervengift unabhängig voneinander, aber auf sehr ähnliche Weise entwickelt haben – ein klassisches Beispiel für eine konvergente Evolution.

Den Anstoß für diese parallele Entwicklung gab die chemische Abwehr der Käfer und anderer Insekten, die sich mit dem Gift gegen Fressfeinde schützen wollten. „Dann entwickelt ein Prädator plötzlich die Fähigkeit, diese giftigen Insekten trotzdem zu fressen – er trägt eine Mutation. die ihn immun macht“, erklärt Jønsson. Dies wiederum ermögliche es dem Vogel, nun seinerseits das Gift anzureichern und es zum Schutz gegen seine Fressfeinde zu nutzen. „So setzt sich das evolutionäre Wettrüsten die Nahrungskette hinauf fort.“ (Molecular Ecology, 2023; doi: 10.1111/mec.16878)

Quelle: University of Copenhagen

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