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Neurobiologie

Unser Gehirn hört auch im Schlaf zu

Schlafendes Hirn nimmt Geräusche wahr und filtert sie je nach Relevanz

Schlaf
Wie viel von unserer Umwelt bekommen wir im Schlaf noch mit? © wavebreakmedia/ iStock.com

Aufmerksam im Schlaf: Unser Gehirn ist im Schlaf offenbar empfänglicher für Informationen von außen als es den Anschein hat. Wie eine Studie zeigt, nimmt unser Denkorgan auch im Schlummerzustand Geräusche wahr – und filtert sie je nach ihrer Relevanz. Diese Unterscheidung zwischen Wichtigem und Unwichtigem könnte unter anderem sicherstellen, dass wir in einer Notfallsituation schnell wach werden. Sie scheint jedoch nur im Leichtschlaf möglich zu sein.

Menschen, die schlafen, scheinen förmlich von der Außenwelt abgeschnitten zu sein: Ihr Bewusstsein ist ausgesetzt und sie bekommen von ihrer Umgebung nichts mehr mit – so zumindest wirkt es. Doch dieser Eindruck täuscht. Studien belegen, dass wir auch im Schlaf Geräusche wahrnehmen und sogar darauf reagieren. Aber nur in bestimmten Fällen: So können Menschen leicht vom Klang ihres eigenen Namens oder dem Geschrei ihres eigenen Babys geweckt werden, während sie andere Geräusche friedlich weiterschlummern lassen.

Schlummernde Probanden

Wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Um das herauszufinden, haben Forscher um Guillaume Legendre von der École Normale Supérieure in Paris nun schlafenden Menschen ins Gehirn geblickt. Dabei spielten sie den schlummernden Probanden gleichzeitig zwei Stimmen vor. Beide ähnelten sich stark in ihren akustischen Eigenschaften wie der Stimmlage, unterschieden sich aber deutlich in Bezug auf den Inhalt. So rezitierte die eine Stimme Ausschnitte aus Dialogen oder Texten, die andere hingegen gab zwar französisch klingende, aber frei erfundene Worte ohne Bedeutung wieder.

Während des Experiments zeichneten die Wissenschaftler die Hirnaktivität der Teilnehmer mithilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) auf. Auf diese Weise konnten sie nachvollziehen, was die Schlafenden tatsächlich gehört hatten – und wie ihr Gehirn die Informationen von außen verarbeitet hatte.

Im Standby-Modus

Die Ergebnisse zeigten: Offenbar trennt unser Denkorgan selbst im Schlaf Wichtiges von Unwichtigem. So reagierten die Probanden im Experiment kaum auf das sinnlose Gerede, wohl aber auf die Stimme, die bedeutsamen Inhalt von sich gegeben hatte. Diese Signale schienen im Gehirn besonders verstärkt zu werden, wie das Team berichtet. Demnach befinden wir uns im Schlaf in einer Art Standby-Modus, in dem wir zwar nach innen gekehrt sind, aber weiterhin nach relevanten Reizen Ausschau halten.

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Diese Fähigkeit, relevante Signale herauszufiltern und gegebenenfalls darauf zu reagieren, besteht jedoch nur vorübergehend. So stellten die Forscher fest: Lediglich in der Leichtschlaf-Phase wurden Reize von Bedeutung im Gehirn entsprechend verstärkt. Im Tiefschlaf dagegen verschwand dieser Effekt.

Auf die Nacht übertragbar?

Wie Legendre und seine Kollegen betonen, macht der Leichtschlaf typischerweise immerhin die Hälfte unserer gesamten Schlafenszeit aus. „Relevante Signale in dieser Phase des Schlafes verarbeiten zu können, bringt erheblichen Nutzen mit sich. Vor allem kann damit die Präsenz von Ereignissen signalisiert werden, die ein rasches Wachwerden erforderlich machen“, schreiben sie.

Weitere Untersuchungen sollen nun klären, ob unser Gehirn nur bei tagsüber abgehaltenen Schläfchen derart wachsam ist, wie sie in der Studie untersucht wurden. „Unsere Daten stammen von Nickerchen am Tag. Es bleibt abzuwarten, ob relevante Signale im Nachtschlaf ebenfalls verstärkt werden“, schließen die Forscher. (Nature Human Behaviour, 2019; doi: 10.1038/s41562-018-0502-5)

Quelle: Nature Press/ CNRS

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