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Botanik

Schatz im Schlamm

Samen vermeintlich ausgestorbener Pflanzen blieben mehr als 100 Jahre im Schlamm erhalten

Keimling
Keimender Pflanzensamen – einige Arten können 100 Jahre im Schlamm überdauern.© GeorgeManga/ iStock.com

Verborgene Reservoire der Artenvielfalt: In Schlammböden können Pflanzensamen weit länger überdauern als bisher angenommen – mehr als 100 Jahre. Das haben Forscher entdeckt, als sie im schlammigen Grund von Teichen nach keimfähigen Samen suchten. Dabei fanden sie sogar intakte Samen von Pflanzen, die an diesen Standorten längst als ausgestorben galten. Schlammböden sind demnach eine wichtige Samenbank“ der Artenvielfalt.

Ob Kirschkern, Nuss oder winziger Blumensamen: Die Früchte und Samen von Pflanzen dienen ihrer Vermehrung, sind aber auch Überdauerungskünstler. Im Boden geschützt können sie selbst ungünstige Witterungsperioden oder den kalten Winter überstehen und dann unter günstigere Bedingungen wieder neu auskeimen. Die Samen einiger Wildkräuter können sogar Jahre unbeschadet im Boden bleiben.

Wie lange überdauern Samen?

Doch echte Langzeit-Überdauerer unter den Pflanzensamen galten bisher als rar: Biologen kannten beispielsweise im Nordwesten Europas nur 14 Pflanzenarten, meist Ackerwildkräuter, die mehr als 100 Jahre im Boden überleben können. Doch sind es wirklich nur so wenige? Um das herauszufinden, haben Peter Poschlod von der Universität Regensburg und sein Team nun einen speziellen Bodenlebensraum untersucht: schlammige Böden in Feuchtgebieten und Teichen.

Für ihre Studie nahmen die Forscher Schlammproben aus 108 Fischteichen in Bayern und Baden-Württemberg. Im Labor untersuchten sie, wie viele und welche Pflanzensamen im Schlamm steckten und testeten, ob sie noch keimfähig waren.

Tausende Samen im Schlamm

Das Ergebnis: Im Teichschlamm versteckte sich eine erstaunliche Menge und Vielfalt an Pflanzensamen. Die Forscher fanden bis zu 3.000 Samen pro Liter Sediment. Viele der gefundenen Pflanzensamen stammten dabei von gefährdeten Arten: „In allen Teichen bis auf drei haben wir Arten von der nationalen oder regionalen Roten Liste gefunden“, berichten die Forscher. In einigen Teichen waren sogar elf verschiedenen gefährdete Spezies in Form ihrer Samen erhalten.

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Die Schlammböden fungieren demnach als wichtiges Reservoir für die Artenvielfalt – als eine Art Samenbank im Schlamm. Wichtig ist dies unter anderem dann, wenn ein Areal renaturiert werden soll oder wenn man seltenen Arten wieder ansiedeln will, wie die Wissenschaftler erklären. Denn das schlammige Reservoir könnte dann genutzt werden, um solche Pflanzenarten wieder gezielt auszusähen.

Keimfähig noch nach 100 Jahren

Überraschend auch: Ein Großteil der in den Schlammböden entdeckten Pflanzensamen keimte auch nach 50 bis über 100 Jahren im Boden noch aus. Unter diesen „wiedererweckten“ Spezies waren viele, die bisher als verschollen, ausgestorben oder an diesen Standorten nicht vorkommend galten, wie Poschlod und seine Kollegen berichten.

„Rote Listen sollten ihre Einträge daher revidieren und für Arten mit sehr langlebigen Samen statt ‚ausgestorben‘ schreiben: ‚möglicherweise versteckt'“, so die Forscher. Dieser versteckten Vielfalt müsse in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. (Biological Conservation, 2018; doi: 10.1016/j.biocon.2018.06.024)

Quelle: Universität Regensburg

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