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Paläontologie

Säugetier fraß Dino

Doppeltes Fossil verewigt überraschenden Todeskampf vor 125 Millionen Jahren

Fossil
Vor 125 Millionen Jahren griff das Säugetier Repenomamus den Dinosaurier Psittacosaurus an, wie ein Fossilfund in China zeigt. © Gang Han

Von wegen klein und harmlos: Einige Säugetiere der Kreidezeit waren bereits gefährliche Räuber, die sogar Dinosaurier jagten, wie ein in China entdecktes Fossil aus der Zeit vor 125 Millionen Jahren belegt. Es hat den Todeskampf eines hundegroßen Psittacosaurus konserviert, der von einem dachsgroßen Säugetier angegriffen wurde. Bevor es jedoch zum finalen Biss kam, wurden beide Tiere von einer vulkanischen Schlammlawine überrollt und detailgetreu konserviert.

Vor rund 230 Millionen Jahren erschienen die ersten Säugetiere auf der Bildfläche, damals noch winzig und mausähnlich. Doch die Tiere lebten gefährlich, denn sie mussten ihre Welt mit den viel größeren Dinosauriern teilen. Bisher nahmen Paläontologen daher an, dass die frühen Säugetiere im Schatten der Urzeit-Echsen lebten und auch auf deren Speisekarte standen. Den Spieß umdrehen konnten die kleinen Pelztiere wahrscheinlich nur, wenn sie am Kadaver eines Dinosauriers fraßen – so die gängige Annahme.

Im Todeskampf vereint

Doch der Fund eines neuen Fossils zeichnet nun ein anderes Bild unserer frühen Vorfahren. Es stammt aus dem Liujitun-Fossilienbett der Yixian Formation im Nordosten Chinas. Diese Fundstätte ist auch als chinesisches Dinosaurier-Pompeji bekannt, denn eine Reihe kreidezeitlicher Vulkanausbrüche begrub und konservierte viele der dort lebenden Tiere einst in der Position, die sie bei ihrem Tod eingenommen hatten. Dadurch liefern die Funde spannende Schnappschüsse der einstigen Lebenswelt.

Dies gilt auch für den neuen Fossilfund, der einen dramatischen Todeskampf aus der Zeit vor 125 Millionen Jahren zeigt. Damals wurden ein zweibeiniger, gehörnter Schnabeldinosaurier der Art Psittacosaurus lujiatunensis und ein kleines Urzeit-Säugetier namens Repenomamus robustus wahrscheinlich von einer vulkanischen Schlammlawine überrascht und gemeinsam begraben. Das Ungewöhnliche daran: Die beiden Tiere waren zu diesem Zeitpunkt in einem erbitterten Todeskampf ineinander verheddert.

Fossil Details
Der Todeskampf der beiden, verewigt in einem Fossil. Die Detailaufnahmen zeigen den Biss von Repenomamus und wie er sich am Körper seiner Beute festhielt. © Gang Han

Säugetier griff Dinosaurier an

Das ungewöhnliche Paar und ihren Todeskampf haben nun Paläontologen um Gang Han von der Vocational University of Science and Technology in Hainan erstmals genauer erforscht und beschrieben. Demnach liegt der Dinosaurier auf dem Bauch, hat seine Hinterbeine angezogen und Hals und Schwanz nach links gedreht. Das Säugetier hockt dagegen auf dem Körper des Dinosauriers und packt dessen Unterkiefer mit seiner linken Pfote. Gleichzeitig versenkt es seine Zähne tief in einige Rippen des Dinos, während sein Hinterbein unter dem des Psittacosaurus eingeklemmt ist.

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Da der Psittacosaurus dreimal so groß ist wie der Repenomamus, könnte man vermuten, dass das Säugetier gerade an seinem Kadaver fraß. Doch das ist unwahrscheinlich, wie Han und seine Kollegen erklären. Denn in diesem Fall müsste es Zahnabdrücke auf den Knochen des Dinosauriers geben, die jedoch fehlen. Außerdem hätten sich die Tiere wahrscheinlich nicht derart verheddert, wenn eines von ihnen längst tot gewesen wäre. Und drittens hätte Repenomamus den Kadaver dann eher von der Seite statt von oben angefressen.

„Die Gesamtheit der Beweise deutet darauf hin, dass hier ein aktiver Angriff im Gange war“, schlussfolgert Koautor Jordan Mallon. Entgegen gängigen Erwartungen war in diesem Kampf das kleine, unscheinbare Säugetier der Aggressor. Bisher war aufgrund versteinerter Mageninhalte zwar bekannt, dass Repenomamus auch Psittacosaurus-Babys gefressen hat, aber nicht, dass er auch aktiv auf die Jagd nach großen Exemplaren dieser Art ging.

Kampf Säugetier Dinosaurier
Der Kampf zwischen Repenomamus und Psittacosaurus ging nicht gut für den Dinosaurier aus. © Michael Skrepnick

Klein gegen Groß

Überraschend ist dies auch deshalb, weil es zwischen den beiden Tieren erhebliche Größenunterschiede gab. Konnte der dachsgroße Repenomamus mit seinen 46,7 Zentimetern Länge und 3,5 Kilogramm Gewicht tatsächlich einen Psittacosaurus erbeutet haben, der mit seinen 119,6 Zentimetern Länge und 10,5 Kilogramm Gewicht deutlich größer und schwerer war und schon eher an einen großen Hund erinnerte?

Um dem auf den Grund zu gehen, führten Han und sein Team statistische Analysen auf Basis moderner Tiere durch und ermittelten so, ab welcher relativen Körpermasse ein Beutetier eine Nummer zu groß für einen kleineren Jäger ist. Demnach lag das kreidezeitliche Paar unterhalb dieser Grenze. Der Repenomamus hätte also definitiv eine Chance gehabt, den größeren Dinosaurier zu erlegen, so die Forschenden. Sie vergleichen seine Ausgangssituation mit der heutiger Vielfraße, die gelegentlich sogar Elche oder Karibus reißen. Und auch kleine Wiesel wurden schon dabei beobachtet, wie sie Auerhühner oder Hasen überwältigen.

Da beide versteinerten Tieren zum Zeitpunkt ihres Todes noch nicht ganz ausgewachsen waren, fragten sich Han und sein Team außerdem, ob ein ausgewachsener, 23 Kilogramm schwerer Psittacosaurus damals vor Angriffen durch Repenomamus sicher gewesen wäre. Doch auch diese Paarung lag statistisch betrachtet noch im Bereich des Möglichen. „Es ist daher plausibel, dass P. lujiatunensis während seines gesamten Lebens durch R. robustus gefährdet war“, fassen die Paläontologen zusammen.

Rekonstruktion Todesposition
In dieser Position wurden Repenomamus und Psittacosaurus wahrscheinlich einst begraben. © Michael Skrepnick

Bei lebendigem Leib gefressen

Das Fossil demonstriert auch, dass das kreidezeitliche Säugetier in seinen Jagdmethoden nicht gerade zimperlich war. Denn Han und sein Team halten es für möglich, dass es den Psittacosaurus gerade bei lebendigem Leib fraß, als beide von der Schlammlawine überrollt wurden. Dieses Verhalten ist auch bei heutigen Löwen und Hyänen gut dokumentiert.

„Nach einem anfänglichen Kampf kann es vorkommen, dass das Beutetier die Selbstverteidigung aufgibt und sich stattdessen in einem Zustand der Erschöpfung und des tiefen Schocks passiv hinlegt. Diese Darstellung ist der Position, die der hier beschriebene Dinosaurier einnimmt, nicht unähnlich“, so die Paläontologen.

Neben dem skurrilen Todeskampf zwischen Dinosaurier und Säugetier vermuten Han und seine Kollegen noch viele weitere spektakuläre Fossilien im chinesischen Liujitun-Fossilienbett, die nie gesehenes Verhalten aus der Kreidezeit offenbaren könnten. (Scientific Reports, 2023; doi: 10.1038/s41598-023-37545-8

Quelle: Canadian Museum of Nature, Scientific Reports

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