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Botanik

Pflanzen: Erste Blätter „wirbelten“ noch anders

Frühe Blattmuster waren doch noch keine Fibonacci-Spiralen

Asteroxylon
Die ersten Blattpflanzen wie diese Asteroxylon mackiei bildeten doch noch keine Fibonacci-Spiralen. © Matt Humpage, Northern Rogue Studios

Pflanzenmathematik im Wandel der Zeit: Heute sind die meisten Pflanzenblätter und Samen in Spiralen angeordnet, die der sogenannten Fibonacci-Folge entsprechen – einer mathematischen Reihe mit festen Gesetzmäßigkeiten. Doch das war nicht immer so, wie Wissenschaftler nun herausgefunden haben. Demnach besaßen die ersten Gefäßpflanzen noch andere wirbel- beziehungsweise spiralförmige Muster. Die heute dominierende Fibonacci-Anordnung ist demnach kein ursprüngliches Merkmal, sondern entwickelte sich erst im Laufe der Zeit.

Wer schon einmal eine Sonnenblume genauer angeschaut hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass ihre Kerne in einem spiralförmigen Muster angeordnet sind. Ähnlich spiralig sehen auch Pinienzapfen, der Schopf einer Ananas und viele sukkulente Zimmerpflanzen aus, wenn man sie von oben betrachtet. Tatsächlich besitzt die Mehrzahl aller Gefäßpflanzen ein derart spiraliges Spross-, Blatt- und Blütenmuster, auch bekannt als Fibonacci-Spirale.

Sonnenblume
Sonnenblumenkerne sind in einer Fibonacci-Spirale angeordnet. © böhringer friedrich /CC-by-sa 2.5

Der Geheimcode der Natur

Fibonacci-Spiralen sind nach dem italienischen Mathematiker Leonardo Fibonacci benannt. Auf ihn geht eine spezielle Zahlenreihe zurück, bei der immer die folgende Zahl die Summe der beiden vorangehenden bildet, nämlich: 1, 1, 2 ,3 ,5, 8, 13, 21, 34, 55, 89 und so weiter. Quasi nebenbei hatte Fibonacci mit dieser Folge aber auch einen „Geheimcode“ der Biologie geknackt, denn seine Zahlenreihe bildet die Grundlage für viele der effizientesten Muster der Natur.

Im Reich der Pflanzen zeigt sich die Fibonacci-Folge, wenn man Blätter-, Blüten- oder Samenstände in Aufsicht betrachtet. Je nach Betrachtungsweise bilden sie rechts- und linksdrehende Spiralen. Die Zahl der rechts- und linksdrehenden Wendel ist dabei stets unterschiedlich und bildet ein Paar benachbarter Fibonacci-Zahlen. So ist das Spiralenverhältnis bei der Sonnenblume zum Beispiel 34 zu 55 und beim Kiefernzapfen fünf zu acht. Die Fibonacci-Anordnung sorgt dafür, dass jedes Blatt einer Pflanze ausreichend Licht abbekommt und dass die Samen den zur Verfügung stehenden Platz optimal ausnutzen.

Da heute mehr als 91 Prozent aller bedeckt- und nacktsamigen Pflanzenarten Fibonacci-Spiralen bilden, scheint der Gedanke naheliegend, dass dies die ursprüngliche Blatt- und Blütenmusterung sein muss, die bereits bei den allerersten Blattpflanzen aufgetreten ist.

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Früheste Blattpflanzen in 3D

Doch stimmt das wirklich? Forschende um Holly-Anne Turner von der University of Edinburgh haben diese bislang unbestätigte Hypothese nun auf den Prüfstand gestellt. Dafür rekonstruierten sie die Blattmusterung von 407 Millionen Jahre alten fossilen Exemplaren des Bärlappgewächses Asteroxylon mackie aus der schottischen Fossilienfundstelle Rhynie Chert. Asteroxylon gilt als Mitglied der frühesten Gruppe von Gefäßpflanzen und spiegelt daher den Urzustand der Blattmusterung wider.

Mithilfe digitaler Rekonstruktionstechniken und 3D-Druck erstellten die Forschenden zunächst dreidimensionale Modelle von Asteroxylons Blattsprossen. Anhand der Modelle konnten Turner und ihre Kollegen dann erkennen, ob die Blätter der Pflanze einst als Fibonacci-Spirale oder doch in einem anderen Muster angeordnet waren und welche Musterung dementsprechend die ursprüngliche ist.

fossile Asteroxylon
Dieses fossile Asteroxylon-Exemplar hatte zwar spiralförmig angeordnete Blätter, doch sein Spiralenverhältnis von sieben zu acht reicht trotzdem noch nicht für eine Spirale á la Fibonacci. © Sandy Hetherington

Am Anfang war… doch keine Fibonacci-Spirale

Das Ergebnis: „Die Blattmusterung unterschied sich von Exemplar zu Exemplar und umfasste sowohl spiralige als auch gewirbelte Typen“, berichten Turner und ihr Team. Doch keiner der beiden Typen habe eine Fibonacci-Spirale dargestellt. Die gewirbelten Blattmuster kamen dafür nicht in Frage, weil die Anzahl ihrer rechts- und linksdrehenden Spiralen gleich war, was eine Fibonacci-Musterung eindeutig ausschließt, so die Wissenschaftler.

Bei den spiraligen Mustern kamen die beiden Spiraltypen zwar in unterschiedlicher Anzahl vor, doch sie entsprachen nicht den benachbarten Zahlen der Fibonacci-Reihe. So lag das Spiralenverhältnis der rechts- und linksdrehenden Wendel dieser Asteroxylon-Exemplare entweder bei sieben zu acht oder bei acht zu neun. Nach Ansicht von Turner und ihrem Team legen diese Ergebnisse nahe, dass sehr frühe Bärlapppflanzen anders als bislang angenommen noch keine Fibonacci-Spiralen bildeten. Diese sind demnach wahrscheinlich doch nicht die ursprüngliche Form der Blattanordnung.

Stattdessen gehen die Forschenden nun davon aus, dass sich die Fibonacci-Spiralen erst im Laufe der Zeit entwickelten. Dies geschah wahrscheinlich bei den beiden großen Gruppen der Gefäßpflanzen – Bärlappgewächsen und Euphyllophyten – unabhängig voneinander. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.adg4014

Quelle: University of Edinburgh, Science

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