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Biologie

Nachtigallen: Gesang auf Augenhöhe wirkt bedrohlich

Höhere Singposition ist überraschenderweise bei den Singvögeln kein Vorteil

Singendes Nachtigallenmännchen © K. Peiman

Auf den Standpunkt kommt es an – auch bei Singvögeln: Nachtigallenmännchen, die ihr Lied auf Augenhöhe mit ihren Rivalen schmettern, wirken auf diese bedrohlicher, als wenn sie von höher liegenden Ästen singen. Der Gesang aus gleicher Höhe brachte die Nachtigallen dazu, schneller zu singen oder ihrem Rivaln ins Wort zu fallen. Dieses Ergebnis sei unerwartet, berichten die Forscher im Fachmagazin „PLoS ONE“. Sie hatten erwartet, dass der höherer Standort eher Vorteile mit sich bringt.

Im Frühjahr fangen die Vogelmännchen wieder an zu singen, um ihr Revier gegen andere Männchen zu verteidigen. Dabei wenden die Revierinhaber allerlei Tricks an: Wenn ein Männchen signalisieren will, dass seine Geduld am Ende ist, singt es zum Beispiel besonders schnell oder fällt dem Rivalen ins Wort. Ähnlich wie beim Menschen verraten sich aufgeregte Vogelmännchen dadurch, dass sie mit Singen beginnen, wenn der andere noch nicht fertig gesungen hat.

Ob ein Rivale als bedrohlich empfunden wird, liegt nicht nur an seinem Gesang, sondern auch seinen Bewegungen. Laut früheren Studien lösen Rivalen, die beim Singen zwischen mehreren Orten (Singwarten) wechseln, beim Revierinhaber besonders starke vokale Reaktionen aus. Nicht untersucht wurde bisher aber, wie sich die subjektive Bedrohungslage für den Revierinhaber ändert, wenn der Rivale von oben herab oder aber auf der gleichen Höhe singt.

In ihrem Experiment in der elsässischen Petite Camargue spielten die Forscher revierbesitzenden Nachtigallen Gesang aus 15 Meter entfernten Lautsprechern vor. Befand sich der simulierte Rivale drei Meter höher als der Revierinhaber, sang dieser ziemlich ungerührt weiter. Wenn der Gesang jedoch aus gleicher Höhe vorgespielt wurde, reagierte der Revierinhaber, indem er schneller sang und dem Rivalen aus dem Lautsprecher ins Wort fiel. Damit empfanden die Nachtigallen die auf Augenhöhe singenden Rivalen offenbar als bedrohlicher.

Ergebnis unerwartet

„Wir hatten eigentlich das umgekehrte Ergebnis erwartet“, sagt der Zoologe Valentin Amrhein von der Universität Basel, der die Studie leitete. Denn Männchen, die von höheren Ästen aus singen, setzten sich stärkerem Wind und einer größeren Gefahr durch Greifvögel aus. Da sich nur Vögel in bester Kondition solche hohen Singwarten leisten können, hatten die Forscher vermutet, dass es eher die höher singenden Rivalen sind, die gefährlicher wirken.

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Nun spekulieren die Forscher, dass Revierinhaber hoch singende Rivalen deshalb nicht als bedrohlich empfinden, weil sie davon ausgehen, dass diese nur auf der Durchreise sind. Eine andere Erklärung ist, dass sich von hohen Büschen singende Nachtigallen gar nicht gegen andere Männchen richten, sondern vielmehr versuchen, ein Weibchen anzulocken. Denn ab Ende April kommen die Nachtigallenweibchen wieder aus Afrika zurück und suchen sich aufgrund des Nachtgesangs der Männchen einen Partner aus. Und dabei hat vermutlich jenes Männchen die besten Chancen, das von einem hohen Zweig aus singt und dadurch besonders weit zu hören ist. (PLoS ONE 2012; doi:10.1371/journal.pone.0032194)

(Universität Basel, 23.03.2012 – NPO)

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