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Geowissen

Venedig sinkt noch immer

Boden gibt um zwei Millimeter pro Jahr nach

Blick auf Venedig vom Wasser aus © Snillet/CC-by-sa 3.0

Entgegen bisherigen Annahmen sinkt die Lagunenstadt Venedig noch immer: Um bis zu zwei Millimeter pro Jahr senkt sich der Untergrund der Stadt, im Süden der Lagune sind es sogar bis zu vier Millimeter jährlich. Das hat ein internationales Forscherteam mit Hilfe von GPS- und Satellitenmessungen festgestellt. Sie widerlegen damit frühere Messungen, nach denen sich der Untergrund Venedigs stabilisiert haben sollte. Mit dem Absinken verstärke sich die Überschwemmungsgefahr für Venedig, da gleichzeitig auch der Meeresspiegel weiter ansteige – um zwei Millimeter pro Jahr. In 20 Jahren könnte die Stadt weitere acht Zentimeter gegenüber dem Meeresspiegel verlieren, wenn die bisherigen Rate des Absinkens anhalte, berichten die Forscher im Fachmagazin „Geochemistry, Geophysics, Geosystems“.

Schon einmal musste Venedig gegen das Absinken ankämpfen: Jahrelanges Abpumpen von Grundwasser aus dem Untergrund der Stadt ließ bereits vor mehreren Jahrzehnten den Boden zunehmend zusammensacken. Behörden stoppten Ende des 20. Jahrhunderts das Abpumpen. Vor rund zehn Jahren ergaben dann Studien, dass sich damit auch der Boden stabilisiert hatte und die Stadt nicht weiter sank. Doch genau diese Messungen widerlegen die Forscher nun.

„Es ist möglich, dass der Untergrund für ein Jahrzehnt stabil war und jetzt wieder angefangen hat, abzusinken, aber es ist unwahrscheinlich“, sagt Erstautor Yehuda Bock von der University of California in San Diego. Wahrscheinlicher sei es, dass die früheren Messungen die Bewegungen des Untergrunds nicht genau genug erfasst hätten.

Erdplatte wird in die Tiefe gedrückt

Ursache des anhaltenden Absinkens ist nach Angaben der Forscher die Plattentektonik: Die Adriatische Erdplatte, auf der Venedig liegt, wird unter den Rest Italiens und den Apennin gedrückt. Dadurch sinkt der Untergrund leicht ab. Gleichzeitig kippe das Gebiet ein wenig: Es neige sich um ein bis zwei Millimeter pro Jahr nach Osten. Frühere Messungen hätten weder das Kippen noch das Absinken erfasst, berichten die Wissenschaftler. Wahrscheinlich, weil dabei nur Messungen mit Radarsatelliten gemacht worden seien. „Unsere kombinierten Messungen mit GPS und Radardaten haben die Bewegungen im letzten Jahrzehnt aufgefangen, die keine der beiden Methoden für sich hätten registrieren können“, sagt Mitautor Shimon Wdowinski von der University of Miami.

Satellitenbild der Lagune von Venedig, die STadt liegt im Norden der Lagune © NASA

Hochwasserschutz muss angepasst werden

„Die anhaltenden Bemühungen, Venedig vor Hochwasser zu schützen, müssen diese signifikanten lokalen und regionalen Absinkraten berücksichtigen – zusätzlich zum steigenden Meeresspiegel“, schreiben Bock und seine Kollegen. Nach Schätzungen der Wissenschaftler könnte auch die natürliche Abgrenzung der Lagune gegenüber der Adria in den nächsten 40 Jahren um bis zu 20 Zentimeter absinken. Behörden müssten daher unter Umständen darüber nachdenken, auch diese flachen Inseln und Landzungen durch Wälle gegen kommende Fluten aufzustocken.

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Schon jetzt erlebt Venedig vier bis fünf Hochwasser pro Jahr. In einem umstrittenen Projekt planen die Behörden, die Stadt in Zukunft durch millionenschwere Fluttore vor Überschwemmungen zu schützen. Die Tore schließen, wenn die Flut einen bestimmten Wert überschreitet. Doch auch der Untergrund unter den geplanten Toren sinke, sagen die Forscher. Das müsse man beim Bau der Anlagen beachten. Pietro Teatini von der Universität Padua betont hingegen in einem Kommentar, dass die Fluttore selbst bei einem weiteren Absinken ausreichend seien: Sie würden dann einfach häufiger schließen müssen, weil die auslösende Fluthöhe häufiger erreicht werde. (Geochemistry, Geophysics, Geosystems , 2012; doi: 10.1029/2011GC003976)

(AGU, 22.03.2012 – NPO)

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