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Neurobiologie

Forscher fischen nach Alzheimer-Genen

Vergessliche Zebrafische helfen bei Entschlüsselung der Krankheit

Zebrafisch © Universität München

‚Danio rerio‘ heißt der gestreifte Zebrabärbling eigentlich. Als Zebrafisch und wichtiger Modellorganismus in der biologischen und medizinischen Forschung ist er besser bekannt. Nun soll diese Art auch bei der Entschlüsselung der Alzheimerschen Erkrankung helfen.

Durchgeführt werden die Experimente am Lehrstuhl für Stoffwechselbiochemie des Adolf-Butenandt-Instituts der LMU unter der Leitung von Professor Christian Haass. Er arbeitet seit vielen Jahren an der Alzheimerschen sowie der Parkinson-Erkrankung, die beide meist im Alter zu massiver Vergesslichkeit führen. Eine neue, modern angelegte Aquarienanlage mit bis zu 1.000 Einzelaquarien kann jetzt mehrere zehntausend Zebrafische beherbergen, was Experimente in einem weltweit einmaligen Umfang erlaubt.

Bei der Alzheimerschen Erkrankung bilden sich im Gehirn der Patienten kleine klebrige Eiweiße, die verklumpen und so Nervenzellen vernichten. Das Haass-Labor entdeckte bereits vor einiger Zeit ein Enzym, das als molekulare „Schere“ dieses Fragment aus einem Vorläuferprotein herausschneidet. Das Enzym setzt sich aus einem Presenilin-Protein und anderen Untereinheiten zusammen.

Neue Ansatzpunkte für Alzheimer-Therapie

Wie Haass und seine Mitarbeiter in der online-Ausgabe des Fachmagazins EMBO jetzt zeigen konnten, spielt das Endstück des Presenilins 1 unter anderem beim Zusammenbau des Enzyms und damit für dessen „Scheren“-Aktivität eine entscheidende Rolle. Besonders spannend in Hinsicht auf mögliche neue Ansatzpunkte für Alzheimer-Therapien war vor allem ein Ergebnis der Forscher: Es genügte, den letzten Baustein des Presenilins 1, also eine einzige Aminosäure, zu entfernen, um den Zusammenbau des Enzyms zu blockieren und damit auch die Aktivität als „Schere“ zu verhindern.

„Mensch und Fisch haben auf den ersten Blick nicht viel gemein“, meint Haass. „Es ist deshalb umso erstaunlicher, dass sich ihre Gene kaum unterscheiden. Informationen, die wir über Zebrafisch-Gene erhalten, können wir auch auf den Menschen übertragen.“

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Weiterführende Experimente sind dank der neuen Aquarienanlage jetzt möglich. „Es sind bereits einige Gene bekannt, die bei der Alzheimer- Erkrankung eine wichtige Rolle spielen“, so Haass. „Ihre eigentliche Funktion im Körper kennt man aber noch nicht genau. Wir werden jetzt Zebrafisch-Embryonen nach der Manipulation dieser Gene analysieren. Der sich sehr rasch außerhalb des Mutterleibs entwickelnde Embryo ist außerdem sehr gut geeignet, um neu entwickelte Medikamente zu testen.“

Erbgut wird verändert

Neue Gene werden gefischt, indem die Forscher mit Hilfe bestimmter chemischer Substanzen das Erbgut verändern. Die auf diese Weise mutierten Fische werden dann analysiert. In der Regel müssen sehr viele erbgutveränderte Fischlarven untersucht werden, um interessante Genmutationen zu finden. Die so entdeckten neuen Gene sollen dann – so hoffen die Wissenschaftler -, die Entwicklung neuer Therapien gegen Alzheimer ermöglichen. Ganz oben auf Haass‘ Wunschliste steht der vergessliche Zebrafisch: „Möglicherweise können wir einen Fisch generieren, der ähnlich vergesslich ist wie Alzheimer-Patienten und entsprechende Ablagerungen im Gehirn hat“, so Haass. „Dann können wir auch nach weiteren Genen „fischen“, die diese Ablagerungen und die Vergesslichkeit verhindern.“

Christian Haass wurde 2002 mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet. Ein Teil des Preisgeldes floss in die neue Aquarienanlage. Ermöglicht wurde das Projekt aber nur dank der finanziellen Unterstützung mehrerer Geldgeber. So übernahm die LMU die erheblichen Umbaukosten der Laborräume. „Die Universität hat uns trotz der schweren Zeiten bei diesem Unternehmen wirklich stark unterstützt“, so Haass. Bereits vor vier Jahren gründete Haass einen Sonderforschungsbereich (SFB) zu ähnlichen und oft altersabhängigen Gehirnerkrankungen wie Alzheimer und Parkinson, aber auch BSE und Chorea Huntington. „Im Rahmen des SFBs wurde jetzt eine Nachwuchsgruppe genehmigt, die mit einem Zebrafischspezialisten besetzt werden soll“, berichtet Haass. „Die Ausstattung durch die DFG dafür ist sehr gut: Mehrere Mitarbeiter und Mittel für fünf Jahre.“

(idw – Universität München, 30.11.2004 – DLO)

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