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Biologie

Fliegen: Staubsauger sammelt Nervenbotenstoff ein

Vesikulärer Monoamintransporter erstmals in Stützzellen nachgewiesen

Immunologischer Nachweis von Histamin (magenta) und DVMAT-B (grün) in Gehirn-Schnittpräparaten der Taufliege Drosophila melanogaster mit dem Komplexauge (Retina: Re), dem ersten (Lamina: La) und zweiten (Medulla: Me) optischen Ganglion. Doppelfärbung in C zeigt die Co-Lokalisation von Histamin und DVMAT-B in der Fensterglia (weiß). © RUB

Histamin ist ein wichtiger Botenstoff der Nervenzellen – auch bei Insekten. Forscher vermuten seit langem, dass Histamin nach „Gebrauch“ recycelt wird. Einen Schritt auf diesem noch ungeklärten Weg hat jetzt ein Wissenschaftlerteam aufgedeckt: Sie wiesen bei der Fruchtfliege erstmals Transporterproteine in Stützzellen des Nervensystems nach, die Histamin wieder einsammeln.

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Der Fund den Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) zusammen mit internationalen Kollegen gemacht haben, kam überraschend, denn solche Transporter waren bisher nur in Nervenzellen identifiziert worden.

Wohin wandert der Botenstoff nach „Gebrauch?

Nervenzellen kommunizieren miteinander, indem sie Botenstoffe ausschütten, die von anderen Nervenzellen erkannt werden. Die Kommunikation geschieht an speziellen Verbindungsstellen, den Synapsen. Eine bedeutende Botenstofffamilie sind die Monoamine Dopamin, Serotonin und Histamin.

Bestimmte Transporterproteine, die so genannten vesikulären Monoamintransporter (VMATs), sorgen für die Speicherung der Stoffe in Nervenzellen. Nach „Gebrauch“, also der Freisetzung des Histamins aus den Nervenzellen, kann es chemisch verändert einem Recyclingprozess zugeführt werden. Für den Verbleib von freiem Histamin verliert sich allerdings die Spur: Wege der Wiederaufnahme von freiem Histamin, wie sie für andere Botenstoffe bekannt sind, hat man aber bisher nicht gefunden.

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Fliegenaugen brauchen einen ununterbrochenen Fluss von Histamin

Licht ins Dunkel brachten nun Untersuchungen von Biochemikern der RUB um Professor Bernhard Hovemann an den Augen der Fruchtfliege Drosophila.

Die Signalweiterleitung im Insektenauge ist ein ideales System um die Histaminfreisetzung und -wiederaufnahme zu untersuchen. Histamin ist der wichtigste Botenstoff, der von Photorezeptorzellen der Augen freigesetzt wird. Wie auch bei Säugetieren wird bei Fruchtfliegen das Histamin durch das Enzym Histidin Decarboxylase bereitgestellt. Bei der Taufliege wird es in der Nähe der Synapsen in Zellräumen der Nervenzellen (Vesikeln) gelagert. Das ständig ausgeschüttete Histamin wird nach chemischer Veränderung einem Recycling zugeführt: Wo immer freies Histamin entsteht, muss verhindert werden, dass es verloren geht und dem System nicht mehr zur Verfügung steht. Es ist aber bis heute nicht geklärt, wie das funktioniert.

Neuer Transporter ist unverzichtbar

Die Bochumer Wissenschaftler konnten jetzt nachweisen, dass bei den Fliegen eine bisher unbekannte Form des vesikulären Monoamintransporters in den Stützzellen des Nervensystems, der Glia, gebildet wird. Dieser Transporter sammelt freies Histamin wie ein Staubsauger wieder ein. Für die Aufrechterhaltung der Histaminkonzentration im Auge der Taufliege Drosophila stellte sich dieser Transporter mit dem Namen DVMAT-B als unerlässlich heraus.

Modellvorstellungen zur Funktion der Fensterglia (dunkelgrün) für die Homöostase von Histamin im ersten optischen Ganglion (Lamina) des Drosophila-Auges; rot: Photorezeptorneuron, grau: postsynaptisches Neuron, gelb: Epithelglia, grüne Punkte: Histamin. © RUB

„Eine Mutation der Transporterfunktion führte zu einer deutlich reduzierten Histaminkonzentration in Fliegenköpfen“, beschreibt Hovemann die Ergebnisse. Für die exakte Funktion von DVMAT-B bei der Aufrechterhaltung der Sehfunktion der Fliegen werden verschiedene Modellvorstellungen diskutiert. Die überraschende Lokalisation des Transportes in Gliazellen und seine Rolle bei der Regulation der Histaminmenge bei der Fliege legt nahe, zu untersuchen, ob Säugetiere einen ähnlichen, neuen Mechanismus zur Speicherung von Histamin nutzen könnten.

(idw – Ruhr-Universität Bochum, 17.11.2008 – DLO)

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