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Mikrobiologie

Erstmals Verbindung zweier Viren beobachtet

Neuer Kooperationsmechanismus zwischen unterschiedlichen Viren entdeckt

Ein koloriertes Bild des neu entdeckten Satellitenvirus, das an sein Helfervirus gekoppelt ist.
Ein koloriertes Bild des neu entdeckten Satellitenvirus, das an sein Helfervirus gekoppelt ist. © Tagide deCarvalho

Fotobeweis: Ein Forschungsteam hat erstmals beobachtet, wie sich zwei unterschiedliche Viren aneinander anlagern und verbinden. Bisher war eine solche Form des Kontakts zwischen verschiedenen Viren nicht bekannt. Wie genetische Analysen ergaben, helfen sich diese Bakteriophagen so gegenseitig, eine Wirtszelle zu befallen und sich zu vermehren. Es ist der erste Beleg dieser Art von Beziehung zwischen Viren, wie das Team berichtet. Der Interaktionsmechanismus könnte jedoch weiter verbreitet sein als gedacht.

Viren brauchen bekanntermaßen einen Wirtsorganismus, um sich zu vermehren. Das kann zum Beispiel eine menschliche Zelle sein oder im Falle von Bakteriophagen ein Bakterium. „Einige Viren, sogenannte Satelliten, sind außerdem auf ein anderes Virus, einen ‚Helfer‘, angewiesen, um ihren Lebenszyklus abzuschließen“, erklärt Seniorautor Ivan Erill von der University of Maryland. Das Satellitenvirus benötigt den Helfer demnach entweder zum Aufbau seiner Schutzhülle, die das genetische Material des Virus umschließt, oder um ihm bei der Replikation seiner DNA zu helfen.

Dafür müssen sich das Satellitenvirus und das Helfervirus zumindest vorübergehend in der Nähe zueinander befinden. Bisher sind jedoch keine Nachweise bekannt, in denen sich ein Satellit tatsächlich an einen Helfer gebunden hat.

Erstes Bild von Satelliten-Helfer-Bindung

Dem Forschungsteam um Tagide deCarvalho von der University of Maryland sind nun erstmals detaillierte Bildaufnahmen von solchen Satelliten-Helfer-Kontakten gelungen. Dafür beobachteten die Forschenden mit einem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) Proben von Bakteriophagen, die Bakterien der Gattung Streptomyces befallen und deren genetische Analysen zuvor Unstimmigkeiten ergeben hatten.

Auf den Aufnahmen war zu sehen, dass 40 von 50 Helferviren nicht einzeln vorlagen, sondern mit einem Satellitenvirus verbunden waren. „Als ich das sah, konnte ich es kaum glauben“, sagt deCarvalho. „Keiner hat je zuvor einen Bakteriophagen oder irgendein anderes Virus gesehen, der sich an ein anderes Virus anheftete.“

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Wie das Team beobachtete, lagerten sich die Satelliten-Bakteriophagen mit ihrem „Schwanz“ an den „Hals“ eines Helfer-Bakteriophagen an – dem Verbindungsstück zwischen dem Erbgut enthaltenden „Kopf“ und dem Schwanz des Virus. Bei einigen einzelnen Helferviren waren zudem am Hals Reste von Schwanzproteinen der Satelliten vorhanden, die die Forschenden als „Bissspuren“ beschreiben. Auffällig auch: Die Satellitenviren waren in den Aufnahmen nie direkt an ihre bakterielle Wirtszelle gebunden, sondern immer nur indirekt über das Helfervirus.

Wozu dient das Viren-Doppelpack?

Doch welchem Zweck dient diese Kopplung der Viren? Um mehr über die virale Interaktion zu erfahren, sequenzierten die Wissenschaftler die Genome der Satellitenviren, der Helferviren und der Wirtszellen. Dabei fanden sie in den Satellitenviren Gene für deren Schutzhüllen, jedoch nicht für ihre Replikation. Dazu passt, dass diese Satellitenviren für ihre Vermehrung auf die Zellmaschinerie ihrer bakteriellen Wirte angewiesen sind.

Damit dies funktioniert, müssen die Satellitenviren aber ihr eigenes Erbgut in das der Bakterienzelle einfügen. Dafür sorgt normalerweise ein spezielles Gen des Virus, das bei bereits bekannten Satellitenviren und bei einigen der neu untersuchten Satelliten, die ohne direkten Kontakt mit ihren Helferviren auskommen, auch vorhanden ist. Allerdings kann sich der Satellit trotzdem erst dann reproduzieren, wenn zusätzlich ein Helfervirus die Wirtszelle entert, das weitere genetische Informationen mitbringt.

Hilfe für die Co-Infektion

Anders ist dies aber offenbar bei den nun entdeckten, an ihren Helfern anhaftenden Satellitenviren. Wie deCarvalho und ihre Kollegen feststellten, fehlt diesen „MiniFlayer“ getauften Satelliten das Integrationsgen zum einschleusen ihres Erbguts in das des Wirts. Deswegen sind diese Satellitenviren auf die gleichzeitige Präsenz der Helferviren im Wirt absolut angewiesen – ohne seine genetische Hilfeleistung können sie sich nicht ins Wirtsgenom einschleusen.

„Das Anhängen macht jetzt absolut Sinn“, sagt Erill, „denn wie wollen die Viren sonst garantieren, dass sie gleichzeitig in die Zelle eintreten?“ Dazu passt die Beobachtung der Forschenden, dass diese MiniFlayer-Satellitenviren spezialisierte, aus faserförmigen Proteinen bestehende Schwanzkomponenten, aufweisen, mit denen sie sich an die Helferphagen binden können. Dies könnte eine Co-Infektion durch gleichzeitigen Eintritt in den Wirt sicherstellen, erklären die Forschenden. Ein direkter Beweis für diese Erklärung fehlt allerdings noch.

Ein weit verbreitetes Phänomen?

Mit bioinformatischen Methoden untersuchten die Forschenden auch die evolutionäre Entwicklung dieser Viren. Die Analysen ergaben, dass sich die MiniFlayer-Satellitenviren und ihre Helferviren seit langem gemeinsam weiterentwickelt haben. „Dieser Satellit hat sich seit mindestens 100 Millionen Jahren darauf eingestellt und sein Genom so optimiert, dass es mit dem Helfer assoziiert wird“, sagt Erill. Das deute darauf hin, dass es möglicherweise noch viele weitere Fälle dieser Art von Beziehung zwischen Viren gibt.

„Es ist möglich, dass viele der Bakteriophagenproben, von denen man dachte, sie seien kontaminiert, tatsächlich diese Satelliten-Helfer-Systeme waren“, sagt deCarvalho. Denn auch ihre Analysen hätten mit einer vermeintlich kontaminierten genetischen Analyse eines Bakteriophagen begonnen, der die Forschenden dann auf den Grund gegangen sind. Zukünftige Arbeiten könnten genauer untersuchen, wie häufig dieses Phänomen vorkommt und wie sich der Satellit mit dem Helfer verbindet. (ISME Journal, 2023; doi: 10.1038/s41396-023-01548-0)

Quelle: University of Maryland

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