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Biologie

Eiweiß als Landeplattform

Wie Teile einer molekularen Maschine passgenau zusammengefügt werden

Darstellung der dreidimensionalen Struktur des untersuchten Molekülkomplexes im Spleißosom. Das 15.5K-Protein (rotes Molekül) und die U4 snRNA (gelb) sind in einer Oberflächendarstellung gezeigt, das Prp31-Protein (blau) als Modell seiner Strukturmotive. Das 15.5K-Protein und die RNA verbinden sich zu einer Landeplattform für das Prp31-Protein, das an beiden Molekülen jeweils etwa zur Hälfte andockt. © Markus Wahl, MPI für biophysikalische Chemie

Für das Verständnis der Vorgänge in der Zelle ist es wichtig zu wissen, wie die beteiligten Moleküle miteinander in Verbindung treten. Wissenschaftler haben jetzt mit biochemischen und biophysikalischen Methoden einen solchen Verband aus zwei Proteinen und einem RNA Molekül im Detail analysiert und dabei ermittelt, wie die Teile einer molekularen Maschine passgenau zusammengefügt werden. Der untersuchte Molekülkomplex ist, so die Forscher in Science, Teil des „Spleißosoms“, das eine zentrale Rolle bei der Genexpression in höheren Lebewesen spielt.

Gemeinsamkeit macht stark – dieses Prinzip gilt auch für Moleküle in lebenden Zellen. Die meisten biochemischen Prozesse werden dort von Verbänden biologischer Makromoleküle vermittelt. Einige solcher Molekülverbände sind mit zahlreichen Komponenten wahre Giganten des zellulären Nanokosmos. Um die Funktionsweise dieser molekularen Maschinen zu verstehen, ist es notwendig, ihre Konstruktion im atomaren Detail aufzuklären, vergleichbar mit der Erstellung einer technischen Zeichnung.

Das Spleißosom ist eine solche molekulare Maschine, die sich aus über hundert Proteinkomponenten und einer kleineren Zahl von RNA-Molekülen zusammensetzt. Spleißosomen bewerkstelligen einen wichtigen Schritt bei der Genexpression in höheren Organismen. Hierbei müssen aus einer „prä-mRNA“, der Abschrift eines Gens der DNA, bestimmte Teile, die keine Information für die Proteinproduktion tragen, herausgeschnitten werden; die Protein-kodierenden Bereiche hingegen müssen präzise zusammengefügt werden. Durch dieses „prä-mRNA-Spleißen“ entsteht eine reife mRNA (für engl. messenger ribonucleic acid), die als Grundlage für die Proteinproduktion dient.

Spleißosoms bildet sich immer wieder neu

Eine Besonderheit des Spleißosoms ist, dass es für jeden Spleißvorgang auf einer prä-mRNA neu zusammengesetzt wird. Hierzu sind die Mehrzahl der spleißosomalen Protein- und RNA-Komponenten bereits im voraus zu Untereinheiten, so genannte snRNPs (für engl. small nuclear ribonucleoprotein particles), zusammengefügt, die als Baumodule fungieren. Drei dieser Module sind im U4/U6-U5 tri-snRNP zusammengefasst, das die größte Baueinheit des Spleißosoms bildet.

Wenn alle Untereinheiten auf einer prä-mRNA zusammengekommen sind, werden molekulare Umbaumaßnahmen vorgenommen. Erst in deren Folge entsteht eine funktionstüchtige Spleißmaschinerie. Insbesondere muss das U4 snRNP von den U6 und U5 snRNPs abgetrennt und entfernt werden. Das Spleißosom wird dabei gleichsam entriegelt. Auf diese Weise wird der Startschuss zur Spleißreaktion erst gegeben, wenn alle Komponenten ihre funktionalen Positionen eingenommen haben.

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Bei der Aktivierung des Spleißosoms könnten zwei Proteine an der Schnittstelle der U4, U6 und U5 snRNPs eine wichtige Rolle spielen: das „15.5K“-Protein, das direkt an ein RNA-Molekül (die U4 snRNA) bindet, und das „Prp31“-Protein, das eine molekulare Brücke vom U4 zum U5 snRNP schlägt. Wissenschaftler am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie haben sich nun diesen Teil der Spleißmaschinerie genauer angeschaut. Das Team von Professor Reinhard Lührmann hatte durch biochemische Analysen herausgefunden, dass erst nach der Bindung des 15.5K-Proteins an die U4 snRNA der Einbau weiterer Proteinmoleküle, darunter Prp31, vonstatten gehen kann.

Eiweiß als Ordnungshüter

Solche geordneten Aufbauwege waren bereits aus anderen Protein-RNA-Komplexen bekannt. Dort fungiert das zuerst eingebaute Protein als eine Art Ordnungshüter, der die RNA in eine bestimmte Form bringt. An diese formierte RNA können dann die später bindenden Proteine andocken.

Erste Hinweise, dass im gegebenen Fall ein anderes Prinzip den Aufbau steuert, lieferte die Kernspinresonanzspektroskopie (NMR). Die Gruppe von Teresa Carlomagno stellte über dieses Verfahren fest, dass das 15.5K-Protein selbst einen Teil der Bindeoberfläche für das Prp31 zur Verfügung stellt. Die Arbeitsgruppe um Markus Wahl konnte anschließend ein genaues atomares Bild des Molekülverbandes über die Röntgenkristallographie anfertigen. Details dieses Bildes wurden durch weitere biochemische Tests in der Lührmann-Gruppe, beispielsweise durch die Analyse gezielt veränderter Komponenten, untermauert.

Kombinierte Protein-RNA-‚Landeplattform‘

Nach den neuen Befunden wirkt das 15.5K-Protein formgebend auf einen Teil der RNA und präsentiert so dem Prp31 eine kombinierte Protein-RNA-‚Landeplattform‘. Im Kernbereich dieser Landeplattform passt das Prp31 zu der kombinierten Protein-RNA-Grundlage wie ein Schlüssel zum Schloss. Einen weiteren, zunächst unstrukturierten Bereich der RNA bringt das Prp31 hingegen erst bei seinem Einbau in eine stabile Form. Beim Andocken nimmt Prp31 genau Maß – es kann nur binden, wenn die RNA eine bestimmte Länge aufweist. So „weiß“ Prp31, wo genau in der Zelle es „hingehört“.

Die Aufklärung von Struktur-Funktionsbeziehungen zwischen biologischen Makromolekülen bildet nach Angaben der Forscher eine wichtige Grundlage für unser Verständnis biochemischer Prozesse in lebenden Zellen. Forschungsergebnisse wie hier dargestellt sind aber nicht nur aus grundlagenwissenschaftlicher Sicht wichtig. Beispielsweise ist eine große Zahl menschlicher Erbkrankheiten auf fehlgeleitetes prä-mRNA-Spleißen zurückzuführen. Es besteht die Hoffnung, dass durch eine genauere Kenntnis der molekularen Maschinerie, die diesem zellulären Prozess zugrunde liegt, letztendlich auch ein besserer Einblick in Krankheitsmechanismen möglich wird.

(idw – Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, 13.04.2007 – DLO)

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