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Zoologie

Blühender Nusshandel im Kakadu-Käfig

Papageien zeigen überraschende Selbstbeherrschung beim Tauschen von Futter

Schematische Darstellung des Experiments: Zunächst werden dem Vogel beide Futterstücke präsentiert. Das weniger präferierte Stück darf mit dem Schnabel aufgenommen werden (1). Nun muss der Kakadu die Entscheidung treffen, das Futterstück entweder sofort zu verspeisen, oder bis zu 80 Sekunden lang abzuwarten. Während der Wartezeit verschließt die Experimenterin ihre Hand (2). Entschließt sich der Vogel, zu warten, öffnet die Experimenterin ihre Hand. Dem Vogel steht nun frei, die Nuss in die geöffnete Hand zu retournieren (3) und dafür mit einer stärker präferierten Nuss belohnt zu werden (4). © Alice Auersperg

An der Universität Wien blüht der Nusshandel. Und zwar der im Kakadu-Labor: Dort jonglieren 14 junge Goffin-Kakadus mit sofortigen und späteren Gewinnen, wägen deren Werte gegeneinander ab und rechnen auch ein, wie lange sie auf eine Gewinnauszahlung warten müssen. Häufig tolerieren sie dabei eine deutliche Verzögerung – vorausgesetzt, das Warten lohnt sich. Dass sie dazu überhaupt in der Lage sind, ist eine kleine Sensation: Außer Hunden, einigen wenigen Affenarten und ein paar Krähenvögeln kennt man bisher keine Tiere, die über ausreichend Selbstbeherrschung für ein derartiges Handeln verfügen.

Nagetiere schaffen es gerade einmal ein paar Augenblicke, und auch die meisten Affen halten weniger als eine Minute durch. Die Rede ist von der Fähigkeit, ein appetitliches Häppchen nicht sofort zu verschlingen, sondern es aufzuheben und später gegen einen noch besseren Snack einzutauschen. Nur wenige Affen und, vermutlich infolge ihrer langen Domestizierung, Hunde sind bereit, mehr als eine Minute Verzögerung in Kauf zu nehmen – und das auch nur, wenn die zu erwartende Belohnung wirklich außergewöhnlich gut ist.

Warum das so ist, versteht man besser, wenn man sich klar macht, wie viele kognitive Fähigkeiten für eine solche Selbstbeherrschung notwendig sind: eine gute Impulskontrolle, die Fähigkeit, dem Gewinn und dem Einsatz ihren korrekten Wert zuzuordnen sowie das Vermögen, die Wertedifferenz mit der Wartezeit zu verrechnen. Schlussendlich muss auch noch eingeschätzt werden, ob man dem Handelspartner überhaupt vertrauen kann.

Ungeduldige Graupapageien

Vögeln hat man diese Fähigkeiten lange überhaupt nicht zugetraut. Erst in jüngster Zeit beginnt sich diese Einstellung zu wandeln – nicht zuletzt, weil sowohl Krähenvögel als auch Papageien ganz erstaunliche Leistungen beim Werkzeuggebrauch und bei Problemlösungen zeigen. Als Forscher die Selbstbeherrschung bei Graupapageien untersuchten, gab es allerdings die erste Enttäuschung: Mickrige drei Sekunden schafften es die ansonsten sehr intelligenten Tiere, auf eine größere Belohnung zu warten.

Die Experimenterin eröffnet dem Goffini-Kakadu den "Marktplatz": Ihre Hände enthalten unterschiedliche Futterstücke. © Alice Auersperg

Raben und Aaskrähen schnitten da schon besser ab: Sie harrten teilweise bis zu beeindruckenden fünf Minuten aus, um ein weniger leckeres Häppchen gegen etwas Besseres einzutauschen. Das funktionierte aber nur, wenn der Gewinn den Einsatz an Qualität übertraf – war es einfach nur mehr des ursprünglichen Futters, waren die Vögel nicht bereit, darauf zu warten.

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Tausche Pekan- gegen Cashewnuss

Die neuesten Mitglieder in dem exklusiven Klub der handelsfähigen Tiere sind nun die Goffin-Kakadus. Unter Beweis gestellt haben die hübschen weißen Papageien ihre Fähigkeiten im Goffin-Lab an der Universität Wien. Dort wurden sie zunächst mit nicht essbaren Objekten trainiert, bevor die eigentlichen Tests begannen. Diese verliefen wie folgt: Der Experimentator hielt in einer offenen Hand das Einsatz-Futter – etwa Pekannüsse, die auf der Lieblingsfutterliste der meisten Vögel auf Platz drei rangieren – und in der anderen, außerhalb der Reichweite des Schnabels, aber innerhalb der Sichtweite des Vogels, den potenziellen Gewinn. Dabei handelte sich entweder um gebratenes Fleisch, Platz zwei der Liste, oder sogar um Cashew-Kerne, für die meisten Kakadus unangefochten Platz eins unter den Lieblingssnacks.

Schnappte sich der Vogel die Pekannuss, schloss der Forscher die nun leere Hand, und die Zeit begann zu laufen. Nach einer bestimmten Verzögerung öffnete sich die Hand wieder. Legte der Vogel die Nuss unangetastet wieder hinein, bekam er den in Aussicht gestellten Gewinn aus der anderen Hand. Hatte er den Happen jedoch angeknabbert, blieb der Gewinn für ihn unerreichbar. In anderen Varianten des Tests gab es nicht Fleisch oder Cashews als mögliche Belohnung, sondern zwei oder sechs Pekannüsse. Und in einigen Kontrollexperimenten bekamen die gefiederten Probanden gleich als Einsatz die beliebten Cashew-Kerne und konnten diese gegen Pekannüsse tauschen.

Isabelle Laumer (Experimenterin). © Philipp Stöger-Haselböck

Überraschend große Selbstbeherrschung

Die Testergebnisse: Alle Kandidaten waren bereit, zwei oder fünf Sekunden auf die Cashews oder das Fleisch zu warten. Die Hälfte der Tiere nahm auch eine Verzögerung von 40 Sekunden in Kauf, und drei Vögel warteten sogar 80 Sekunden auf ihren Gewinn. Auch die Aussicht auf eine größere Menge an Pekannüssen reizte acht der vierzehn Vögel – sie warteten bis zu 20 Sekunden darauf. Einen Cashew-Kern gegen die unbeliebtere Pekannuss einzutauschen, kam allerdings für kaum einen der Testvögel infrage – da wurde der Kern lieber sofort verzehrt.

Es gibt also durchaus auch Papageien, die lieber auf die Taube auf dem Dach warten als mit dem Spatz in der Hand vorlieb zu nehmen. Dabei schneiden sie beim Test mit verschiedenen Mengen sogar besser ab als Krähen, halten jedoch allgemein nicht ganz so lange durch. Das erklärt sich vielleicht daraus, dass Krähen die Häppchen während der Wartezeit auf dem Boden ablegen, während die Kakadus sie im Schnabel behalten – direkt neben ihren Geschmacksorganen. „Stellen Sie sich vor, Sie würden einem Kleinkind einen Keks in den Mund stecken und ihm ein Stück Schokolade dafür in Aussicht stellen – und das Kind dürfte über eine Minute nicht an dem Keks knabbern“, illustriert Alice Auersperg, die Leiterin des Goffin Labs, das Problem. (Journal of the Royal Society: Biology Letters, 2013; doi: 10.1098/rsbl.2012.1092 )

(Biology Letters, 13.03.2013 – KBE)

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