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Genetik

Arterienverkalkung durch Gen-Defekt

Genetische Ursache für eine der häufigsten Gefäßerkrankungen entschlüsselt

Rauchen, Diabetes, hoher Blutdruck – das sind bekannte Risikofaktoren für Herzinfarkt oder Schlaganfall, die häufig als Folge von Arterienverkalkung entstehen. Einem internationalen Ärzteteam ist es jetzt gelungen, einen Gendefekt zu entschlüsseln, der das Risiko, an Arteriosklerose zu erkranken, bestimmt.

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In einer Studie mit mehr als 400 Patienten haben die Forscher erstmals die funktionelle Bedeutung einer Genvariation für die Entstehung der Arteriosklerose aufgeklärt. Minimale Sequenzvariationen wie der Austausch einer einzelnen Base kommen bei den meisten menschlichen Genen vor. Manche von ihnen stehen im Verdacht, Ursache für chronische Erkrankungen zu sein. Ein wesentliches Ziel der medizinischen Forschung ist es deshalb, solche krankmachenden Sequenzvariationen zu identifizieren und funktionell aufzuklären. Mithilfe der dabei gewonnenen Erkenntnisse sollte es zukünftig möglich sein, kausale Therapien für genetisch bedingte Erkrankungen zu entwickeln.

Übersetzungsfehler

Die Forscher fanden heraus, dass bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit, der Vorstufe zum Herzinfarkt und zur Herzmuskelschwäche, gehäuft ein Einzelbasenaustausch in der Kontrollregion des Gens für die endotheliale Stickstoffmonoxid-Synthase vorkommt. An die Kontrollregion von Genen binden Regulatorproteine, welche die Transkription, also die Rate, mit der das Gen abgelesen wird, stimulieren oder hemmen können. Im Fall der homozygoten Variation, wenn beide Ausprägungen des für die Stickstoffmonoxid-Synthase kodierenden Gens betroffen sind, konnten die Forscher die verstärkte Bindung eines Hemmproteins an die Kontrollregion nachweisen. Folge ist, dass die Transkription des Gens nicht mehr durch den Blutstrom beeinflusst wird und es zu einer generalisierten Verminderung der Bildung von Stickstoffmonoxid im Gefäß-Endothel kommt. Die ordnungsgemäße Funktion dieser Zellschicht, die die Blutgefäße innen auskleidet, ist bei der Arteriosklerose von besonderer Bedeutung.

Die Arteriosklerose, umgangssprachlich auch Arterienverkalkung genannt, ist die häufigste krankhafte Veränderung der Blutgefäße. Arteriosklerosebedingte Herz-Kreislauf-Erkrankungen und deren Folgen Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzmuskelschwäche sind die häufigsten Todesursachen und ihre Behandlung ist für einen Großteil der Kosten im Gesundheitswesen verantwortlich. Beim Gesunden ist es insbesondere die kontinuierliche, durch den Blutstrom stimulierte Bildung von Stickstoffmonoxid in den Endothel-Zellen, die der Degeneration der Gefäßwand durch Arteriosklerose entgegenwirkt. Insofern wird eine gestörte Aktivität dieses Botenstoffs unter anderem für das erhöhte Arterioskleroserisiko bei Patienten verantwortlich gemacht, die die klassischen Risikofaktoren wie hoher Blutdruck, hoher Cholesteringehalt im Blut, Zigarettenrauchen und Diabetes aufweisen.

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Gen wird repariert

Was die im Universitätsklinikum und im Krankenhaus NeuBethlehem in Göttingen sowie im John Radcliffe Hospital in Oxford, Großbritannien, durchgeführte Studie besonders interessant macht ist, dass die untersuchte Genvarianz mit bis zu 15 Prozent homozygoter Träger in der kaukasischen Bevölkerung einerseits recht häufig ist, andererseits durch den Einsatz von so genannten Decoy-Oligonukleotiden funktionell repariert werden kann. Diese Nukleinsäure-basierten Wirkstoffe werden unter anderem von der AVONTEC GmbH, einer Ausgründung aus dem Herzzentrum der Universität Göttingen, bei verschiedenen Indikationen klinisch geprüft. Speziell auf die veränderte Gensequenz zugeschnitten, neutralisierten die Decoy-Oligonukleotide in der nun veröffentlichten Studie das in den Endothelzellen der Träger des Gendefekts wirksame Hemmprotein und ermöglichen so eine Normalisierung der fehlgesteuerten Genexpression.

Medikament anvisiert

„Auch wenn es sicher noch zu früh ist, um über die Marktchancen eines Medikamentes zur Verhinderung der Arteriosklerose auf dieser Basis zu spekulieren“, resümieren die Leiter der Studie, „so unterstreicht die Kenntnis um die Funktionsweise eines solchen Einzelbasenaustausches das Potenzial der funktionellen Genomanalyse für die Medizin von Morgen. Zumindest eine Risikoreduktion durch Änderung ihres Lebensstils sollten die betroffenen Patienten bereits jetzt in Erwägung ziehen“.

(Universität Göttingen, 20.09.2004 – ESC)

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