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Zellbiologie

Ältestes Enzym der Zellatmung isoliert

Rnf-Enzymkomplex könnte den ersten Zellen die ATP-Synthese ermöglicht haben

Bakterienkultur
Diese Flüssigkeit enthält kultivierte Thermotoga maritima-Bakterien – aus ihnen konnten die Forscher den Rnf-Enzymkomplex erstmals isolieren. © Uwe Dettmar/ Goethe-Universität Frankfurt

Endlich geschafft: Zehn Jahre nachdem eines der vielleicht ältesten Enzyme der Zellatmung entdeckt wurde, ist nun auch seine Isolierung gelungen. Forscher haben das fragile Ur-Enzym erstmals aus einem hitzeliebenden Bakterium isoliert und konnten so seine Funktion als zentraler Energielieferant beweisen. Demnach pumpt dieser Enzymkomplex Natriumionen durch die Zellmembran nach außen und erzeugt so den Gradienten, der die ATP-Synthese antreibt.

Wo und wann genau das erste Leben auf der Erde entstand, ist bis heute strittig – ob an Tiefseeschloten, in heißen Tümpeln oder auch in Gesteinsporen. Klar scheint aber, dass die ersten Zellen ihre Energie wahrscheinlich anaerob gewinnen mussten, weil Sauerstoff auf der Urerde rar war. Dafür benötigten die ersten Lebensformen Enzyme, die über Elektronenaustausch-Prozesse elektrochemische Gradienten an ihren Membranen erzeugten. Aus diesen konnte dann ein weiteres Enzym den zellulären Energielieferanten ATP erzeugen.

Uralter Enzymkomplex

Doch was für Enzyme erlaubten den ersten Zellen ihre anaerobe Atmung? Schon länger vermuten Wissenschaftler, dass einfache Ferredoxin-Moleküle ein Teil dieser Urenzyme gebildet haben könnten. „Ferredoxin ist ein idealer Elektronendonor in der anoxischen Welt, weil es ein niedriges Redox-Potenzial besitzt“, erklären Martin Kuhns und seine Kollegen von der Goethe-Universität Frankfurt.

Kombiniert zu einem sogenannten Rnf-Komplex (Ferredoxin-NAD-Oxidoreduktase) transportiert dieses Enzym Natriumionen aus den Zellen nach außen. Wenn diese dann passiv wieder einströmen, erzeugt dies die Energie, die die ATP-Produktion antreibt. So die Theorie. Tatsächlich haben Forscher diesen Enzymkomplex schon bei einigen anaeroben Bakterien nachgewiesen. Bislang fehlte aber der Nachweis, dass der Rnf-Komplex diese Atmungsfunktion ausübt.

Zu fragil für die Isolierung?

Das Problem: Der Rnf-Komplex ließ sich nicht aus den Bakterien isolieren, so dass auch seine Funktion nicht im Labor überprüft werden konnte. „Der Komplex war zu fragil und fiel bei jedem Versuch, ihn aus der Membran zu isolieren, auseinander“, erklärt Seniorautor Volker Müller. „Die Bruchstücke wurde gefunden, ließen sich aber nicht wieder zusammensetzen.“

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Doch nun haben Kuhns und seine Kollegen dafür eine Lösung gefunden. Sie wählten für ihren Isolierungsversuch ein Rnf-tragendes Bakterium, Thermotoga maritima, das noch bei Temperaturen von bis zu 90 Grad gedeiht. „Wir haben gehofft, dass das Rnf-Enzym in diesem Bakterium etwas stabiler ist“, sagt Kuhns Kollege Dragan Trifunovic. „Über die Jahre hinweg haben wir es dann geschafft, ein Verfahren zu entwickeln, um das komplette Rnf-Enzym aus der Membran dieser Bakterien zu isolieren.“

Wie eine Pumpe

Erstmals war es damit möglich, die Funktionsweise dieses Ur-Enzyms näher im Labor zu untersuchen. Es zeigte sich: Der Rnf-Komplex transportiert tatsächlich Natriumionen aus den Zellen heraus und ermöglicht so die ATP-Synthese. Der Enzymkomplex funktioniert damit in etwa so wie eine Pumpe, das Wasser in den höher gelegenen See eines Pumpspeicherkraftwerks pumpt. Aus dem wieder nach unten fließenden Wasser gewinnt dann eine Turbine Strom.

„Unsere Studien liefern damit den Beweis, dass der Rnf-Komplex tatsächlich ein Ionentransportierendes Atmungsenzym ist“, sage die Forscher. Damit könnte dieser uralte Komplex schon die ersten Lebensformen die Synthese der zentralen Energiewährung ATP ermöglicht haben. „Unsere Untersuchungen strahlen demnach weit über den Untersuchungsorganismus Thermotoga maritima hinaus und sind für die Physiologie der Bakterien äußerst wichtig“, sagt Müller.

Nun sei es wichtig zu verstehen, wie das Rnf-Enzym genau funktioniere und welche Rolle die einzelnen Teile hätten. Immerhin funktioniert das Rnf-Enzym offenbar so gut, dass es auch heute noch in vielen Bakterien und einigen Archaeen enthalten ist, auch in einigen pathogenen Bakterien, in denen die Rolle des Rnf-Enzyms noch vollkommen unklar ist. (Communications Biology, 2020; doi: 10.1038/s42003-020-01158-y)

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main

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