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Astronomie/Kosmologie

Quantenfluktuationen am Ereignishorizont

Das Phänomen der Hawking-Strahlung

Ein halbes Jahrhundert nach der Veröffentlichung von Schwarzschilds Arbeiten beginnen Physiker, die Theorie schwarzer Löcher um eine Komponente zu erweitern, die bereits einige Jahre zuvor unserer Vorstellung der Welt des ganz Kleinen revolutioniert hat: die Quantenmechanik.

Raumzeit am Schwarzen Loch
Auch wenn ein Schwarzes Loch den Raum maximal krümmt – die Quantenmechanik bietet ein Schlupfloch. © Rost_9D/ Getty images

Das Schwarze Loch im Licht der Quantenmechanik

Dass in der modernen Physik nichts ist, wie es scheint, wird in kaum einem Bereich deutlicher als in der Quantenmechanik. Schrödingers Katze, die bis zu ihrer Beobachtung gleichzeitig tot und lebendig zu sein scheint, oder die Heisenbergsche Unschärferelation, nach der man niemals Ort und Geschwindigkeit (oder genauer: den Impuls) eines Teilchens gleichzeitig beliebig genau bestimmen kann, erschüttern unser Grundverständnis der Welt.

Es ist daher wenig verwunderlich, dass quantenmechanische Erkenntnisse auch eine der Grundfesten der Theorie Schwarzer Löcher auf den Kopf zu stellen vermag: Entkommt wirklich nichts einem Schwarzen Loch? Ein Schwarzes Loch, so das Modell von Schwarzschild, saugt alles ein und lässt nichts wieder entweichen. Folglich steigt die Masse eines Schwarzen Lochs unaufhaltsam an und nimmt niemals ab.

Diese Grundannahme wird jedoch von einem Forscher herausgefordert, der auch außerhalb der wissenschaftlichen Community ein bekanntes Gesicht ist und dessen Leben sogar in einem Oscar-prämierten Film porträtiert wird: Stephen Hawking. Kaum ein Wissenschaftler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist so sehr von der Frage nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, fasziniert wie der 2018 verstorbene britische Physiker.

Teilchenpaare im Vakuum

Hawkings Forschung dreht sich um eine der Leitfragen der modernen Physik: Die Frage nach der Vereinbarkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik, also die Vereinbarkeit der Welt des ganz Großen mit der Welt des ganz Kleinen. Schwarze Löcher sind für Hawking die idealen Objekte, um das Zusammenspiel der beiden Theorien zu erforschen.

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Stephen Hawking
Der britische Physiker Stephen Hawking revolutionierte unsere Sicht Schwarzer Löcher. Hier bei einem Vortrag zum 50. Jubiläum der NASA im Jahr 2008. © NASA/ Paul Alers

Worum geht es Hawking? Nach der Quantenfeldtheorie existiert das aus der klassischen Physik bekannte Vakuum nicht, weil pausenlos Paare von Teilchen und Antiteilchen scheinbar aus dem Nichts entstehen und sich sofort wieder gegenseitig neutralisieren. Dieses Phänomen wird als Quantenfluktuation bezeichnet. „Überall im Universum werden also ständig Paare von Teilchen und Antiteilchen erzeugt und vernichtet“, erklärt die Physikerin Lotte Mertens vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung.

Die Hawking-Strahlung

Direkt messbar ist diese Quantenfluktuation nicht – zu schnell sind die Aufhebungseffekte, zu kurz ist die Lebensdauer der Teilchen. Doch in der Nähe des Ereignishorizonts kann die Quantenfluktuation nach Hawkings Theorien einen seltsamen Effekt verursachen: Taucht ein Teilchenpaar aus dem Nichts auf, kann es passieren, dass ein Teilchen den Ereignishorizont übertritt und für immer verschwindet. Das andere steht nun ohne Partner da. Dieses Ungleichgewicht kann als Strahlung aufgefasst werden, die das Schwarze Loch – paradoxerweise – ausstrahlt.

„Die Teilchen tragen so Energie aus dem Schwarzen Loch ab, was die Verdampfung des Schwarzen Lochs bedeuten würde“, erklärt Mertens. Nach Hawkings Theorie ist diese Strahlung umso stärker, je masseärmer das Schwarze Loch ist. Bei mikroskopisch kleinen Löchern sorgt diese Strahlung sogar dafür, dass sie komplett zerstrahlen. Gleichzeitig jedoch widerlegt diese Strahlung die Annahme, dass auch jegliche Information in einem Schwarzen Loch unwiederbringlich verschwindet. Denn die Teilchen der Hawking-Strahlung tragen Information über ihre ins Schwarze Loch gezogenen Anti-Partner – so Hawkings Theorie.

Es fehlt der experimentelle Beweis

Als theoretisches Konzept ist die Hawking-Strahlung heute weitestgehend anerkannt. Ein experimenteller Nachweis fehlt jedoch bisher. Schwarze Löcher sind zu weit entfernt, um sie genau beobachten zu können – selbst das erdnächste Exemplar liegt mehr als 1.500 Lichtjahre weit weg. Und selbst wenn sich ein Schwarzes Loch im Wohnzimmer befände: Die Hawking-Strahlung wäre viel zu schwach, um sie mit unseren Methoden messen zu können.

Doch Lotte Mertens ist der mysteriösen Strahlung auf der Spur…

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Schwarze Löcher: Kein Entrinnen?
Der Hawking-Strahlung auf der Spur

Alles verschlingende Objekte
Von "Dunklen Sternen" zur Singularität

Schwarzschild, Kerr und M87*
Von der theoretischen Beschreibung zum ersten Foto

Quantenfluktuationen am Ereignishorizont
Das Phänomen der Hawking-Strahlung

Teilchenketten statt Ereignishorizont
Suche nach der Hawking-Strahlung im Labor

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