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Fischfett gegen Blutfett

Was sind und wie wirken Omega-3 Fettsäuren?

Am Anfang stand ein scheinbares Paradox: Im Jahr 1944 beobachtete der britische Biochemiker Hugh Sinclair, dass kanadische Inuit fast nie unter Arteriosklerose litten und Herzinfarkte nur selten auftraten. Und das, obwohl sie sich extrem ungesund ernährten – zumindest nach geltender Lehrmeinung: Fettreiches Wal- und Robbenfleisch, Tran, ölhaltige Fische standen nahezu täglich auf den Speiseplan, frisches Gemüse oder Obst dagegen fast nie. Eigentlich hätten daher die Arterien der Inuit geradezu am Cholesterin ersticken müssen – doch davon keine Spur. Wie war dieser Widerspruch zu erklären?

Lange Zeit tappte man komplett im Dunkeln, bis in den 1970er Jahren zwei dänische Wissenschaftler weitere Untersuchungen an grönländischen Inuit durchführten. Sie stellten die Theorie auf, dass ein häufiger Inhaltsstoff der fettreichen Fischnahrung, die Omega-3-Fettsäure, möglicherweise für den rätselhaften Herzschutz verantwortlich sein könnte. Inzwischen haben Studien und Labortests diese Theorie bestätigt.

Die Position entscheidet

Omega-3 und -6 Fettsäuren © MMCD

Mit der täglichen Nahrung nehmen wir eine Mischung verschiedenster Fette und Fettsäuren auf. Besonders wichtig für den Körper sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren, da sie vom Körper nicht oder nur eingeschränkt synthetisiert werden können. In ihrer chemischen Struktur finden sich jeweils mehrere Doppelbindungen zwischen Kohlenstoffatomen. Je nachdem, an welchem Kohlenstoffatom die erste dieser Doppelbindungen sitzt, spricht man von Omega-3, -6 oder –9 Fettsäuren.

Diese wiederum unterscheiden sich nicht nur in ihrer Struktur sondern auch in ihrer Wirkung und Funktion im Stoffwechsel. Omega-6 Fettsäuren wie beispielsweise die in Sonnenblumen- oder Distelöl enthaltene Linolsäure, werden in den Zellwänden durch Enzyme zu bestimmten Botenstoffen, den Omega-6 Eicosanoiden umgewandelt. Diese gelangen ins Blut und fördern hier die Blutgerinnung, wirken aber auch verstärkend auf Entzündungsvorgänge.

„Gute“ Eicosanoide

Die gleichen Enzyme wandeln auch die aus dem Fischöl stammenden Omega-3 Fettsäuren zu Eicosanoiden um. Diese Omega-3 Eicosanoide allerdings unterscheiden sich in ihrer Wirkung eklatant von ihren „Vettern“: Sie dämpfen Entzündungen und hemmen die Entstehung von Blutgerinseln oder Ablagerungen in den Arterien. Gleichzeitig senken sie den Cholesterinspiegel und beschleunigen den Abbau der Triglyzeride und Lipoproteine im Blut, der Transportform der Blutfette.

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In Langzeitstudien, in denen Herzpatienten täglich drei bis vier Gramm Omega-3 Fettsäuren einnahmen, wurde eine Absenkung des „schlechten“ LDL-Cholesterins um zehn Prozent, und der Triglyzeridwerte um sogar 20 bis 25 Prozent erreicht. Die Konzentration des „guten“ HDL-Cholesterins blieb gleich oder stieg sogar an.

Wundermittel gegen Cholesterin?

Angesichts der Tatsache, dass rund zwei Drittel der Deutschen erhöhte Cholesterinwerte haben und Herz-Kreislauferkrankungen zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern gehören, sorgten diese und andere Studien für entsprechendes Aufsehen. Es schien fast, als sei – mal wieder – ein neues Wundermittel gefunden – und noch dazu ein ganz natürliches. Und nicht nur die Medizin, auch die Lebensmittelindustrie sprang sofort darauf an: Galt bisher immer die Devise: Hauptsache ungesättigte Fette, bevorzugt in Form von Oliven- oder Distelöl, sind jetzt Omega-3 Fettsäuren der neueste Schrei.

Heringe enthalten viele Omega-3 Fettsäuren © NOAA

Um mit der normalen Nahrung therapeutisch wirksame Mengen an Omega-3 Fettsäuren aufzunehmen, müsste jeder mindestens zweimal in der Woche 150 bis 200 Gramm Kaltwasserfisch wie Hering, Lachs, Makrele oder Thunfisch verzehren. Dummerweise sind – im Unterschied beispielsweise zu den Norwegern – gerade die Deutschen bisher eher Fischmuffel. Der durchschnittliche Verzehr liegt nach Angaben der DGE gerade einmal bei rund 7,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr.

Abhilfe verprechen hier Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittelzusätze: Fischöl- und Omega-3 Kapseln werden bereits seit einigen Jahren eifrigst angeboten und beworben. Als Zusatz in Functional Food scheint der Boom zumindest in Deutschland erst langsam zu beginnen. In Frankreich dagegen gibt es seit einigen Jahren „Functional Milk“ und Nudeln mit Omega-3 Zusatz und auch in Großbritannien sind Omega-3-Brot, Omega-3-Eier und mit Fettsäuren angereicherte Getränke längst auf dem Markt.

Die Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik rät zwar durchaus dazu, Eicosan-Präparate einzunehmen, empfiehlt aber gleichzeitig, eher auf hochwertige Produkte aus der Apotheke zurückzugreifen als auf die im Supermarkt erhältlichen. Ob allerdings die vielgepriesenen Omega-3 Fettsäuren tatsächlich wirken und ob nicht doch möglicherweise langfristige Nebenwirkungen eintreten können, ist bislang weder untersucht noch bekannt. Klar ist allerdings, dass auch Omega-3 Fettsäuren Fette sind und ihr Zusatz den Kaloriengehalt von Lebensmitteln erhöhen kann. Dem Absatz der Kapseln wie auch der angereicherten Lebensmittel tut dies jedoch offenbar keinen Abbruch….

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Stand: 23.04.2004

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Functional Food
Fitmacher oder Mogelpackung?

Was ist Functional Food?
Definitionen, Gesetze, Geschichte

Margarine gegen Arteriosklerose
Phytosterine als cholesterinsenkende Zusatzstoffe

Allheilmittel Probiotika?
Was können die hilfreichen Bakterien – und was nicht?

„Futter“ für die Guten
Inulin und andere Präbiotika

Fischfett gegen Blutfett
Was sind und wie wirken Omega-3 Fettsäuren?

Viel hilft viel?
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Von A bis K
Die fettlöslichen Vitamine im Überblick

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