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Evolution

Eine Frage des Verhaltens

Gefahrenkenner und clevere Erfinder leben länger

Unser Einfluss auf die Tierwelt lässt sich aber nicht nur am veränderten Aussehen der Tiere ablesen, sondern auch an ihrem Verhalten. Denn genauso wie bestimmte anatomische Merkmale für das Überleben einer Art unerlässlich sein können, sind es vielerorts angepasste Verhaltensweisen, die über Leben und Tod entscheiden.

Reh Straße
Straßen sind für Rehe und andere Wildtiere eine gefährliche Todesfalle. © 4FR/ Getty Images

Verhalten als Sofortmaßnahme

Tatsächlich kann Verhalten sogar eine deutlich wirkungsvollere Waffe gegen Veränderungen der Umwelt sein als anatomische Anpassungen. Denn selbst wenn Letztere verhältnismäßig schnell ablaufen, braucht es immer noch mehrere Generationen, bis sie endgültig vollzogen sind. Veränderungen im Verhalten können sich jedoch auch in ein und demselben Individuum ereignen.

„Das Verhalten ist eines der variabelsten und sich am schnellsten entwickelnden Merkmale, mit bemerkenswerten Unterschieden selbst zwischen eng verwandten Arten“, betonen Forschende um Damián Hernández von der Emory University. „Variable Verhaltensweisen und eine schnelle Evolution des Verhaltens erleichtern wahrscheinlich die Anpassung an neue oder veränderte Umgebungen.“

Verkehrssichere Kojoten

Eine solche veränderte Umgebung sind zum Beispiel die zahllosen Straßen, die mittlerweile alle vom Menschen bewohnten Kontinente durchziehen. Beim Versuch, sie zu überqueren und so von einem Lebensraum-Fragment ins nächste zu gelangen, ereilt jedes Jahr viele Tiere der Tod. Vom Wildschwein, das mit der Stoßstange kollidiert, über den Salamander, der unter dem Reifen landet, bis hin zum Schmetterling, der an der Windschutzscheibe kleben bleibt.

Um diesem Schicksal zu entgehen, bringen den Tieren rein anatomische Anpassungen nicht viel. Schließlich finden selbst diejenigen mit Flügeln regelmäßig den Tod durch Autos. Der einzige Weg, diesem Schicksal zu entkommen, ist eine Veränderung des eigenen Verhaltens. Die Kojoten machen es vor. In den USA wurden sie bereits häufiger dabei beobachtet, wie sie vor dem Überqueren einer Straße zunächst nach links und rechts schauen oder sich in ganz seltenen Fällen sogar an der Schaltung der Fußgängerampeln orientieren.

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Manche Kojoten warten mit dem Überqueren der Straße sogar, bis die Fußgängerampel auf Grün springt. © RichmondNews1

Solche verkehrssicheren Kojoten haben in einer vom Menschen geformten Welt höhere Überlebenschancen, und zeugen somit den meisten Nachwuchs. Zwar können sie diesem ihre erlernten Verhaltensweisen nicht weitervererben, doch sie können sie ihren Jungen beibringen. Auf diese Weise überdauert auch vorteiliges Verhalten die Generationen und schafft so einen langfristigen Selektionsvorteil.

Heuschrecke
Heuschrecken, die in der Nähe von Autobahnen leben, zirpen in höherer Frequenz. © Eileen Kumpf/ Getty Images

Von Butterdochten und Hundefutter

Auch von vielen anderen Tieren sind bestimmte Verhaltensweisen bekannt, die ihnen einen evolutionären Vorteil in der Menschenwelt bringen. So zirpen zum Beispiel Heuschrecken, die in der Nähe von Autobahnen leben, in einer höheren Frequenz, um damit den Verkehrslärm zu übertönen. In Indien wurden Wanderbaumelstern bereits dabei beobachtet, wie sie brennende Kerzen aus Tempeln stehlen, um die Butterreste am Docht abzufressen.

Einige tropische Amseln erleichtern sich dagegen die Futtersuche, indem sie trockenes Hundefutter aus Näpfen klauen und vor dem Verzehr in Pfützen einweichen. Wenn Tiere diese cleveren Tricks anwenden, erhöht das ihre Überlebens- und somit Fortpflanzungswahrscheinlichkeit im Vergleich zu jenen, die sich nicht derart an uns Menschen angepasst haben.

Folgenreiche Anpassung

Doch ähnlich wie bei anatomischen Anpassungen können auch Verhaltensänderungen einzelner Arten mitunter ganze Ökosysteme umkrempeln. Ein Beispiel dafür sind die Wildtierpopulationen im Bow Valley-Provinzpark in Kanada. „Dort führten Veränderungen im Verbreitungsmuster von Wölfen, mit denen sie menschliche Aktivitäten auf Wanderwegen mieden, auch zu Veränderungen in den Beweidungsmustern von Wapiti-Hirschen und in der Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaft“, berichten Margaret Wilson von der University of California und ihre Kollegen.

Das sorgte schließlich dafür, dass sich die Biber in der Gegend nicht mehr so wohl fühlten und weniger Dämme bauten. Ohne Dämme, die das Wasser stauen, sanken wiederum Vielfalt und Häufigkeit von Singvögeln in den Uferbereichen.

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Inhalt des Dossiers

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