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Forscher / Entdecker

Die Kehrtwende

Hiroshima, Oppenheimer und die Wasserstoffbombe

Der Trinity-Test am 16. Juli 1945 hat demonstriert, dass eine Bombe auf Basis der Kernspaltung funktioniert – und wie groß ihre Zerstörungskraft sein kann. So groß die Erleichterung und Freude der Los-Alamos-Wissenschaftler über die erfolgreich absolvierte Aufgabe ist: Selbst in ihrem wissenschaftlichen „Elfenbeinturm“ ist vielen Physikern jetzt klar, was für eine schreckliche Waffe sie hier erschaffen haben.

Szilard-Petition
Die im Juli 1945 an US-Präsident Truman gerichtete Petition von Leo Szilard wurde von 70 Mitarbeitenden des Manhattan Project unterzeichnet. © historisch

Die Szilard-Petition

Noch im Juli 1945 verfassen der Physiker Leo Szilard und sein Kollege Glenn Seaborg – beide arbeiten in einem Chicagoer Labor des Manhattan Project – einen Brief an US-Präsident Harry Truman. In ihm appellieren sie an den Präsidenten, die Atombombe nicht gegen Japan einzusetzen. Angesichts der enormen Zerstörungskraft solcher Atomwaffen würde dies „das Tor zu einer Ära der Zerstörung unvorstellbaren Ausmaßes öffnen“. Szilard, Seaborg und die insgesamt 70 Unterzeichnenden des Manhattan Project sehen die USA in der moralischen Verantwortung, eine solche, für die gesamte Welt gefährliche Situation zu vermeiden.

In dieser „Szilard-Petition“ warnen die Wissenschaftler auch bereits vor einem atomaren Wettrüsten, bei dem es keine Gewinner geben könne. „Wenn nach diesem Krieg eine Situation entsteht, in der rivalisierende Mächte im unkontrollierten Besitz dieser neuen Vernichtungswaffen sind, wären die Städte der USA und anderer Nationen in ständiger Gefahr der plötzlichen Auslöschung…“

Robert Oppenheimer ist nicht unter den Unterzeichnern. Er teilt zwar einige Befürchtungen seiner Kollegen, sieht aber in einem Atombombenabwurf über Japan das einzige Mittel, um den Krieg schnell zu beenden. „Es musste getan werden“, rechtfertigt er sich wenig später in einem Brief gegenüber seinem Freund Haakon Chevalier. Oppenheimer berät deshalb das US-Militär dazu, wie sie die Bombe einzusetzen haben.

Hiroshima und Nagasaki
Explosionswolken der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki. © US National Archives

Hiroshima und Nagasaki

Am 6. August 1945 um 08:15 Uhr Ortszeit ist es soweit: Der US-Bomber „Enola Gay“ wirft die Atombombe „Little Boy“ über der japanischen Stadt Hiroshima ab. Anders als das „Gadget“ vom Trinity Test handelt es sich bei dieser Waffe um eine einfacher konstruierte Uranbombe. Innerhalb von Sekunden verwandelt sie den Sommermorgen in eine tödliche Hölle aus Feuer, Strahlung und radioaktivem Regen. Rund 80.000 Menschen sterben sofort, getötet durch den tausende Grad heißen Feuerball und die Druckwelle der Explosion, insgesamt werden es mehr als 200.000 Tote sein. Das gesamte Stadtzentrum von Hiroshima wird zerstört.

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In Los Alamos sind die Reaktionen gemischt: Oppenheimer tritt noch am gleichen Abend vor seine Kollegen und berichtet vom erfolgreichen Einsatz der Bombe in Japan. Er sei stolz darauf, was sie erreicht hätten, so der Physiker. Auch die meisten seiner Mitarbeiter jubeln zunächst, erleichtert über den erfolgreichen Einsatz, sollte er doch den Krieg mit Japan endlich beenden. Doch dies weicht schnell der Ernüchterung: Japan weigert sich zu kapitulieren und am 9. August 1945 wirft das US-Militär eine zweite Atombombe über Nagasaki ab, diesmal eine Plutoniumbombe wie beim Trinity-Test.

„Wir haben ein Ding erschaffen…, das etwas Böses ist“

Spätestens jetzt wandelt sich auch Oppenheimers Einstellung: Wenige Tage nach dem Atombombenabwurf auf Nagasaki verfasst er einen Brief an den US-Präsidenten, in dem er dringend vom weiteren Einsatz von Atombomben und einer atomaren Aufrüstung abrät. Bei einem Gespräch mit Mitgliedern der US-Atomkommission in Washington spricht sich Oppenheimer sogar dafür aus, Atomwaffen für illegal zu erklären, ähnlich wie beim Giftgas nach dem Ersten Weltkrieg. Diese Haltung verstärkt sich noch, nachdem die ersten Bilder und Berichte aus Hiroshima und Nagasaki eintreffen.

Doch für die amerikanische Presse und Öffentlichkeit sind Robert Oppenheimer und seine Kollegen vom Manhattan Project jetzt Helden. Oppenheimer ziert die Titelblätter diverser Magazine und wird als „moderner Prometheus“ und als „Vater der Atombombe“ gefeiert. Der Physiker jedoch hält mit seinen Bedenken gegen eine weitere atomare Aufrüstung nicht hinter dem Berg: „Wir haben ein Ding erschaffen, eine schreckliche Waffe, die nach allen Standards der Welt, in der wir aufgewachsen sind, etwas Böses ist“, sagt Oppenheimer in einer Rede. Auch gegenüber US-Militär und dem US-Präsidenten warnt er vor einer Welt mit Atomwaffen.

Einstein und Openheimer
Robert Oppenheimer und Albert Einstein um 1950 am Institute of Advanced Study in Princeton. © US Government/ Defense Threat Reduction Agency

Von Los Alamos nach Princeton

Oppenheimers Appelle fallen jedoch auf taube Ohren: Während der „Vater der Atombombe“ und viele seiner Mitstreiter eine Ächtung von Atomwaffen vertreten, sehen andere, vor allem die US-Militärs und führenden Politiker, in den neuen Bomben das Mittel, um die Vormachtstellung der USA zu sichern – insbesondere gegenüber der Sowjetunion. Desillusioniert und nicht Willens, die atomare Aufrüstung durch seine praktische Mitarbeit weiter zu unterstützen, tritt Oppenheimer im Oktober 1945 als Direktor des Los Alamos Laboratoriums zurück.

Der Physiker kehrt zunächst ans Caltech zurück und wechselt dann 1947 als Direktor ans Institute of Advanced Study in Princeton, einem der renommiertesten Thinktanks für theoretische Physik. Auch Albert Einstein, John von Neumann oder Kurt Gödel sind dort Fakultätsmitglieder. Gleichzeitig wird Oppenheimer Vorsitzender des General Advisory Committee (GAC) – einem der neuen Atomenergiebehörde der USA unterstellten Beratergremium. Auch in dieser Funktion setzt sich der Physiker weiter für Abrüstung und eine internationale Rüstungskontrolle ein.

Die Wasserstoffbombe

Damit gerät Oppenheimer zunehmend in Konflikt mit führenden Vertretern der Atomkommission, des Militärs und der Regierung. Denn diese streben längst nach einer weiteren, noch mächtigeren Waffe: der Wasserstoffbombe. Nachdem im August 1949 auch die Sowjetunion ihren ersten Atombombentest durchführt, hat das nukleare Wettrüsten begonnen. Zwei ehemalige Mitstreiter von Oppenheimer im Manhattan Project, Edward Teller und Stanislaw Ulam, treiben diese Pläne voran und entwickeln 1951 ein erstes Konzept für eine solche thermonukleare Bombe.

Ivy Mike
Test der ersten Wasserstoffbombe „Ivy Mike“ im Pazifik. © US Department of Defense/ Defense Atomic Support Agency.

Während Atombomben ihre Energie aus der Kernspaltung beziehen, stammt sie bei der Wasserstoffbombe aus der Kernfusion, der Verschmelzung von Wasserstoffatomen. Dabei wird mehr Energie freigesetzt als bei einer atomaren Kernspaltung. Am 1. November 1951 testen die USA die erste thermonukleare Bombe auf dem Enewetak Atoll in der Südsee. Die „Ivy Mike“ getaufte Bombe setzt die Energie von 10,4 Megatonnen TNT frei – das 450-Fache der Nagasaki-Atombombe. Der Feuerball der Explosion hat einen Durchmesser von mehr als fünf Kilometern, die pilzförmige Wolke dehnt sich bis auf 160 Kilometer aus.

Damit ist Oppenheimer darin gescheitert, diese Eskalation der atomaren Aufrüstung zu verhindern. Auch wenn er noch in mehreren Gremien und Beraterstäben der US-Regierung sitzt, hat er sich mit seiner Opposition gegen die US-Rüstungspläne einflussreiche Feinde gemacht – und das wird Folgen haben.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Robert Oppenheimer
Vom Vater der Atombombe zum Sicherheitsrisiko

Wettlauf um die Bombe
Der Beginn des Manhattan Project

Los Alamos
Oppenheimer und das "Project Y"

Trinity Test
Die erste Atombombenexplosion

Die Kehrtwende
Hiroshima, Oppenheimer und die Wasserstoffbombe

Das Tribunal
Ist Robert Oppenheimer ein Sicherheitsrisiko?

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