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Medizin

Burnout – Entstehung und Folgen des unterschätzten Syndroms

Psychische Störungen

Symbolbild Arbeitsstress
© Kaspars Grinvalds (#92379769) / Adobe Stock

Burnout fristet in der Gesellschaft noch immer ein Schattendasein. Dabei ist das Syndrom weit verbreitet.

Das Burnout-Syndrom beschäftigt Wissenschaft und Gesellschaft seit Jahren. Das Gefühl des Ausgebranntseins, der Überlastung und der Erschöpfung ist längst kein Einzelfall in den Führungsetagen großer Unternehmen mehr, sondern hat sich zu einem weit verbreiteten Volksleiden entwickelt. Ärzte und Psychologen definieren das Burnout-Syndrom als Zustand totaler körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung, der so weit fortgeschritten und andauernd ist, dass er mit einer verminderten Leistungsfähigkeit einhergeht. Zentral ist dabei die enge Verknüpfung zwischen dem Burnout-Syndrom und Belastungen im Arbeitsalltag.

Als eigenständige Erkrankung war das Syndrom lange Zeit nicht anerkannt, was es für Betroffene schwierig machte, eine klare Diagnose zu erhalten und damit auch ein geeignetes Therapieangebot in Anspruch nehmen zu können. Bis 2019 sah die WHO im den Ausprägungen des Burnout nur einen „den Gesundheitszustand beeinflussenden Faktor“. Erst mit dem neuen Katalog der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) wird das Burnout-Syndrom offiziell mit einem eigenen Diagnoseschlüssel geführt. Im Januar 2022 trat der Katalog in Kraft.

Unter dem Diagnoseschlüssel QD85 ist aufgeführt:

„Burnout ist ein Syndrom, das als Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz konzeptualisiert wird, der nicht erfolgreich bewältigt wurde.

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Es ist durch drei Dimensionen gekennzeichnet:

1) Gefühle der Energieerschöpfung oder Erschöpfung

2) Erhöhte mentale Distanz zur Arbeit oder Gefühle von Negativismus oder Zynismus in Bezug auf die Arbeit

3) Ein Gefühl der Ineffektivität und des Mangels an Leistung.

Burnout bezieht sich speziell auf Phänomene im beruflichen Kontext und sollte nicht zur Beschreibung von Erfahrungen in anderen Lebensbereichen verwendet werden.“

(Quelle: https://www.burnout-fachberatung.de)

In Fachkreisen wird die Definition des Burnout-Syndroms durch die Neuauflage ICD-11 durchaus kritisch gesehen. Zu weit von der Lebenswirklichkeit der Betroffenen entfernt sei beispielsweise die Einschränkung auf den beruflichen Kontext. Dies lasse, so einige Experten, Faktoren wie die Erschöpfung durch die Pflege eines Angehörigen oder durch Mobbingerfahrungen in der Schule außen vor, die nicht selten als Auslöser für ein Burnout-Syndrom abseits der Arbeitswelt diagnostiziert werden können. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention kritisiert vor allem die mangelnde Abgrenzung gegenüber anderen psychischen Erkrankungen aus dem Bereich der depressiven Erkrankungen, die Fehldiagnosen und unzureichende Therapieangebote mit sich bringen könne:

Dabei ist der Begriff Burnout nicht klar definiert und in den maßgeblichen internationalen Klassifikationssystemen (wie ICD 11) gibt es keine Diagnose für Burnout. Es ist weiterhin als „Faktor, der die Gesundheit beeinträchtigen kann“ beschrieben, und wird nicht als eigenständige Erkrankung eingestuft.

Entsprechend liegen für die verschiedenen psychischen und körperlichen Symptome, die alle unter dem Begriff Burnout zusammengefasst werden, auch keine Behandlungen mit Wirksamkeitsbelegen aus methodisch guten Studien vor.

Ein Großteil der Menschen, die wegen Burnout eine längere Auszeit nehmen, leidet de facto an einer depressiven Erkrankung. Alle für die Diagnose einer Depression nötigen Krankheitszeichen liegen vor, wozu regelhaft auch das Gefühl tiefer Erschöpftheit gehört.

Problematisch und nicht selten in gefährlicher Weise irreführend ist jedoch, dass der Begriff eine Selbstüberforderung oder Überforderung von außen als Ursache suggeriert.“

(Quelle: https://www.deutsche-depressionshilfe.de )

Trotz der besseren Integration des Burnout-Syndroms im neuen Katalog der Internationalen Klassifikation der Krankheiten durch die WHO gehen Ärzte und Psychologen davon aus, dass auch in Zukunft häufig zusätzliche Diagnosen wie ICD 6A70, die depressive Episode, ICD 6B43, die Anpassungsstörung oder ICD MD22, Fatigue gestellt werden müssen, um die Ursachen und Auswirkungen des Burnout-Syndroms medizinisch ausreichend erfassen zu können.

Die vielfältigen Ursachen des Burnout-Syndroms

Der Begriff des Burnout-Syndroms wird heute schnell verwendet, um eine durch hohe Belastung im Alltag ausgelöste Erschöpfung zu umschreiben. Das kann zu einem inflationären Gebrauch der Problematik und gleichzeitig zu einer Verharmlosung der schwerwiegenden Auswirkungen eines echten Burnout-Syndroms führen. Die Ursachen, die zu einem Zustand chronischen Ausgebranntseins und tiefgreifender, anhaltender Erschöpfung führen können, sind vielfältig und ähneln vielfach denen vorübergehender Phasen hoher Belastung. Das Burnout-Syndrom ist in der Regel aber weitaus vielschichtiger und häufig eng mit anderen depressiven Erkrankungen verwoben. Die Auslöser liegen deshalb oft in einem belastenden Arbeitsalltag, lassen sich aber nicht ausschließlich darauf beschränken.

Besonders häufig betroffen sind Menschen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. In dieser Lebensphase ist der Druck oft besonders hoch, wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern, Verantwortung in verschiedenen Lebensbereichen zu tragen und berufliche und private Verpflichtungen miteinander in Einklang zu bringen. Diese vielfältige Belastung kann verschiedene Auslöser hervorbringen, die die Entwicklung eines Burnout-Syndroms begünstigen.

Dies sind die Faktoren, die Ärzte und Psychologen häufig mit der Diagnose eines Burnout-Syndroms verknüpfen:

  • Eine hohe Arbeitsbelastung durch regelmäßige Mehrarbeit, anhaltenden Zeit- und Leistungsdruck und fehlende Ressourcen in Form von Arbeitsmitteln, personeller Unterstützung und Finanzmitteln
  • Eine fehlende Work-Life-Balance, zu wenig Freizeitausgleich zu belastenden Arbeitsphasen
  • Schichtarbeit mit Nacht- und Wochenenddiensten, die keinen regelmäßigen Lebensrhythmus ermöglicht
  • Eine mangelhafte oder fehlende Abgrenzung zwischen Arbeitsleben und Privatleben, zum Beispiel durch Tätigkeiten im Home Office oder ständige Erreichbarkeit in der Freizeit
  • Mangelnde Wertschätzung und Bestätigung im Arbeitsalltag
  • Mangelnde Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte, zum Beispiel aufgrund von Einzelkämpfertum und schlechter Teamarbeit
  • Hohes Konfliktpotenzial im Arbeitsalltag, zum Beispiel im Kontakt mit Kunden, Kollegen, Vorgesetzten, Behörden
  • Zu hohe, unrealistische oder nicht eindeutig definierte Erwartungen und Zielvorgaben, die dazu führen, dass Betroffene sich selbst stark unter Druck setzen und ständig von außen unter Druck gesetzt fühlen
  • Unzureichende Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz, wie zum Beispiel fehlende Ressourcen, ineffiziente Strukturen und Prozesse, fehlende Absprachen, keine klare Kompetenzenverteilung, unklare Verantwortlichkeiten
  • Mobbing durch Vorgesetzte oder Kollegen
  • Sich ständig verändernde und komplexe Aufgabenbereiche, die den Arbeitsalltag unberechenbar machen und Betroffene immer wieder vor Herausforderungen stellen, von denen sie nicht sicher sind, sie meistern zu können
  • Persönliche Neigung zu Perfektionismus, Kontrollzwang und zu hohen und unrealistischen Ansprüchen an sich selbst
  • Mangelndes Selbstwertgefühl und eine starke Definition des eigenen Selbstwertes über Leistungen und Wertschätzung am Arbeitsplatz
  • Eine mangelnde Fähigkeit, sich abzugrenzen, nein zu sagen, ein tiefsitzendes Bedürfnis, anderen zu helfen oder Verantwortlichkeiten zu übernehmen oder ein Hang dazu, sich über die Übernahme von Verantwortung oder die Hilfe für andere zu definieren
  • Ein hohes Maß am beruflichem Ehrgeiz, hoch gesteckte Ziele und Ideale
  • Eine finanziell angespannte Situation durch hohe wirtschaftliche Belastungen und / oder eine geringe Vergütung am Arbeitsplatz, damit einhergehende Existenzängste
  • Die Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Degradierung am Arbeitsplatz, die mit Verlust des Status / Ansehens und wirtschaftlichen Einbußen einhergehen

Viele der häufigen Ursachen für ein Burnout-Syndrom lassen sich nicht nur auf den Arbeitsalltag beschränken, sondern treffen auch auf eine anhaltende Belastungssituation zum Beispiel im Rahmen der Pflege eines Angehörigen oder Mobbing im schulischen Bereich zu. Dazu gehört vor allem die hohe anhaltende Belastung im Alltag, der Mangel an Abgrenzung, Freizeitausgleich und Wertschätzung und die Auswirkungen von Mobbing auf die psychische und körperliche Gesundheit der Betroffenen. Vor diesem Hintergrund ist die Beschränkung des Burnout-Syndroms auf einen rein beruflichen Kontext durchaus kritisch zu betrachten und könnte in Zukunft zu Anpassungen in der Definition der WHO führen.

Burnout kann weitreichende Folgen haben

Ein Burnout-Syndrom ist mehr als eine vorübergehende Erschöpfung. Oft ist ein Burnout eng mit einer anderen depressiven Erkrankung verknüpft. Entsprechend weitreichend können die Folgen für die psychische und physische Gesundheit der Betroffenen und für ihren Alltag sein.

Häufige Auswirkungen eines Burnout-Syndroms sind

  • Mangelnde Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Die anhaltende Erschöpfung führt dazu, dass selbst einfache Tätigkeiten schwerfallen und nur langsam oder eingeschränkt ausgeführt
  • Kopfschmerzen bis hin zu Migräne
  • Schwindel und Koordinationsstörungen
  • Chronische Müdigkeit und Erschöpfung (psychisch und physisch)
  • Gestörter Schlaf und / oder verstärktes Schlafbedürfnis
  • Depressive Erkrankungen
  • Nervosität bis hin zu Angststörungen
  • Magen-Darm-Beschwerden und Verdauungsstörungen
  • Hoher Blutdruck und Herz-Kreislauf-Beschwerden

Betroffene neigen häufig auch dazu, sich von ihren Mitmenschen zu distanzieren und sich aus ihrem sozialen Leben zurückzuziehen, weil die soziale Interaktion ihnen große Mühe bereitet und sie befürchten, den Anforderungen ihres Umfeldes nicht mehr genügen zu können. Die Vernachlässigung von Hobbys, sportlichen Aktivitäten und sozialen Kontakten zu Familie, Freunden und Partnern kann dazu führen, dass sich die physischen und psychischen Beschwerden verstärken und die Betroffenen dadurch in eine Abwärtsspirale geraten, die nicht selten in einer schweren depressiven Erkrankung resultiert.

Für die Zukunft wird es wichtig sein, die schwerwiegenden potenziellen Folgen eines Burnout-Syndroms ernst zu nehmen und die Gesellschaft sensibel zu machen für mögliche Anzeichen und Auslöser eines Burnouts. Nur, wenn die Erkrankung erkannt und anerkannt wird, können Betroffene frühzeitig adäquate Therapiemöglichkeiten in Anspruch nehmen, um ihre psychische und physische Gesundheit wiederzuerlangen.

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