Diskrepanz zwischen Beobachtung und Theorie: Die allerersten Sterne im Universum waren zwar schwergewichtige Riesen – aber längst nicht so massereich wie es bisherige Modelle postulierten. Das zeigen neue Simulationen, nach denen Schwerkraft-Turbulenzen das Gas der frühen Sternenwiegen zerteilten. Dies verhinderte die Bildung extrem massereicher Sterne von bis zu 1.000 Sonnenmassen – und erklärt, warum Spuren solcher Mega-Riesen bisher nicht gefunden wurden.
Als vor mehr als 13,5 Milliarden Jahren die ersten Sterne im Kosmos aufleuchteten, veränderten sie unser Universum für immer. Denn diese Population-III-Sterne beendeten das „dunkle Zeitalter“ und schufen die ersten schweren Elemente im Universum. Ihre Strahlung leitete zudem die Reionisierung der primordialen Gase ein. Gängiger Annahme nach bildete sich diese erste Sternengeneration in sogenannten Mini-Halos – Klumpen aus verdichtetem Wasserstoff und Heliumgas, die durch lokale Ansammlungen Dunkler Materie akkumuliert wurden.
Diskrepanzen bei den allerersten Sternen
Doch wie sahen diese ersten Sterne aus? Und wie schwer waren sie? Letzteres ist entscheidend für die Lebensdauer und die Art der Supernova eines Sterns. Bisherige Modellsimulationen legten nahe, dass die Population-III-Sterne wahre Giganten waren, die zwischen 100 und 1.000 Sonnenmassen schwer wurden. Dem widersprechen jedoch Beobachtungsdaten.
„Zwar liegt die direkte Beobachtung der PopIII-Sterne weit außerhalb der Möglichkeiten selbst unserer Großteleskope“, erklären Ching-Yao Tang und Ke-Jung Chen von der Academia Sinica in Taiwan. Aber es gibt indirekte Belege, die Astronomen aus den Elementverhältnissen der stellaren Folgegenerationen ableiten können. Die Elementverhältnisse dieser sehr alten, metallarmen Sterne legt demnach nahe, dass die allerersten Sterne eher zwischen zwölf und 60 Sonnenmassen schwer gewesen sein müssen. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären?
Sind Turbulenzen schuld?
Um das zu beantworten, haben Tang und Chen eine mögliche Erklärung mithilfe neuer, hochaufgelöster Modelsimulationen überprüft. „Wir konzentrieren uns auf die Fragmentation der primordialen Wolken durch Turbulenzen“, erklären die Astronomen. „Wir vermuten, dass turbulente Strömungen im Zentrum dieser Mini-Halos das fehlende Puzzleteil sein könnten, das die Diskrepanz zwischen Beobachtung und Simulation erklärt.“
Solche Turbulenzen können die dichten Zentren der Gaswolken verteilen und so den kompletten Kollaps der Wolke verhindern oder hinauszögern. Statt eines massiven Sternengiganten entstehen dadurch mehrere dichte Gasklumpen, die zu mehreren, aber kleineren Sternen kollabieren. Für ihre Simulation nutzten die Forscher ein 3D-Modell, in dem sie die Entwicklung von zwei unterschiedlich massereichen Gaswolken aus 76 Prozent Wasserstoff und 24 Prozent Helium nachvollzogen.
Mehrere Klumpen statt eines gigantischen Gasballs
„In unserem Szenario wird das primordiale Gas durch die Schwerkraft ins Zentrum dieser Mini-Halos gezogen und dieser Prozess erzeugt dann Schwerkraft-Turbulenzen“, erklärten die Astronomen. Indem sie Geschwindigkeit und Stärke dieser Strömungen variierten, konnten sie beobachten, was nach dem Abkühlen des Gases und der Verdichtung des Gases geschah.
Und tatsächlich: Wenn die primordialen Sternenwiegen durch stärkere Schwerkraftturbulenzen gestört werden, verhindert dies den kompletten Kollaps der Gaswolken. „Unsere Resultate zeigen, dass Turbulenzen mit hoher Mach-Zahl und Kompression die Wolken erst in mehrere Klumpen zerteilen, jeder mit dichten Zentren von rund 23 bis 175 Sonnenmassen“, berichten die Forscher. Wenn dann diese Klumpen eine kritische Dichte erreichen, kollabieren sie unter ihrer eigenen Gravitation.
Riesensterne, aber keine extremen Giganten
Das bedeutet, dass auch die ersten Sterne deutlich masseärmer gewesen sein könnten als aufgrund bisheriger Modelle angenommen. Statt eines gigantischen Sternenriesen mit bis zu 1.000 Sonnenmassen entstanden in den von Turbulenzen zerteilten Gaswolken mehrere Sterne von acht bis 59 Sonnenmassen. „Dieser Massenbereich passt in etwa zu den Beobachtungen auf Basis von extrem metallarmen Sternen“, so Tang und Chen.
Nach Ansicht der Astronomen liefert ihr Szenario damit eine plausible astrophysikalische Erklärung dafür, warum die indirekten Beobachtungsdaten mehr Hinweise auf große, aber nicht überdimensionale Population-III-Sterne finden. Demnach könnten Turbulenzen in einem erheblichen Teil der primordialen Sternenwiegen die Bildung extremer Riesensterne verhindert haben. Nur in einigen Fällen entstanden solche Giganten. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2024; doi: 10.1093/mnras/stae764)
Quelle: Academia Sinica, Institute of Astronomy & Astrophysics (ASIAA), Taiwan