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Physik

Einstein und die Frage des fahrenden Kaffees

Temperatur eines Körpers hängt nicht von dessen Bewegungszustand ab

Die Temperatur eines im Zug eingeschlossenen Gases ist unabhängig von seiner Geschwindigkeit relativ zum Beobachter. © Universität Augsburg

Physikern ist es gelungen, ein offenes und vielfach kontrovers diskutiertes Problem der Thermodynamik und der Einsteinschen Relativitätstheorie zu klären. Mittels molekular-dynamischer Simulationen belegten sie, dass bei Wahl eines geeigneten Thermometers die Temperatur eines Körpers nicht von dessen Bewegungszustand abhängt. Mit anderen Worten: Die Kaffee-Temperatur in einem sehr schnell fahrenden Zug erscheint weder höher noch niedriger als in einem langsam fahrenden. Die Ergebnisse sind sowohl in „Nature“ als auch in den „Physical Review Letters“ erschienen.

Thermodynamik und Einsteinsche Relativitätstheorie sind neben der Quantenmechanik die Eckpfeiler der modernen Physik. Im Gegensatz zu speziellen Teilgebieten wie der Akustik oder der Optik bilden sie ein allgemeines Rahmenwerk, das sämtliche Aspekte der Physik umfasst und beeinflusst.

Einstein wirft Fragen auf

Die Spezielle Relativitätstheorie besagt unter anderem, dass sich die Länge eines bewegten Stabes vom ruhenden Beobachter aus gesehen verringert. Im Jahre 1907 schlugen Planck und Einstein vor, dass sich analog auch die absolute Temperatur eines bewegten Körpers verringern sollte. Andere große Physiker wie Eddington argumentierten demgegenüber für eine Temperaturerhöhung, während einige Autoren die Auffassung vertraten, dass sich die Temperatur nicht ändere.

Um hier Klarheit zu schaffen, haben die Augsburger Physiker Jörn Dunkel, Professor Peter Talkner und Professor Peter Hänggi am Lehrstuhl für Theoretische Physik I der Universität Augsburg in Zusammenarbeit mit ihren spanischen Kollegen David Cubero und Jesus Casado von der Universität Sevilla umfangreiche Simulationen zur Molekulardynamik relativistischer Gase durchgeführt.

Die Computer-Experimente klären in anschaulicher Weise, wie sich das Konzept der Temperatur in die Relativitätstheorie einbetten lässt. Sie zeigen, wie man anhand statistischer Daten ein Thermometer konstruieren kann, das die Temperatur schneller relativistischer Teilchen zu bestimmen vermag. „Unsere Simulationen geben zumindest für Systeme in einer Dimension eine klare Antwort“, so Hänggi: „Bei Verwendung eines geeigneten statistischen Thermometers hängt die Temperatur eines Gases nicht von seiner Bewegung relativ zum Beobachter ab, ein mit konstanter Geschwindigkeit bewegtes Gas erscheint also weder erhitzt noch abgekühlt.“

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Könne Teilchen mit Überlichtgeschwindigkeit fliegen?

Und noch ein Problem konnte die neue Simulation lösen: Vor Bekanntwerden der speziellen Relativitätstheorie im Jahre 1905 wurde angenommen, dass sich die Teilchengeschwindigkeiten in einem Gas gemäß einer Gaußschen Statistik verteilen. Letztere erlaubt prinzipiell auch Geschwindigkeitswerte, die die Lichtgeschwindigkeit überschreiten. Wie bereits Planck richtig erkannte, steht dies jedoch im Widerspruch zur Einsteinschen Relativitätstheorie, derzufolge massenbehaftete Teilchen sich nicht schneller als Licht bewegen dürfen. Damit ist also im Rahmen der Relativitätstheorie die ursprünglich angenommene Gaußsche Geschwindigkeitsverteilung so zu ersetzen, dass keine Überlichtgeschwindigkeiten mehr auftreten können.

Doch wie sieht nun die tatsächlich richtige relativistische Geschwindigkeitsverteilung aus? Zu dieser Frage finden sich in der wissenschaftlichen Literatur verschiedene kontrovers diskutierte Vorschläge. Jetzt ahben die Expiermenten der Augsburger und spanischen Physiker mit hoher Genauigkeit eine Verteilung bestätigt, die bereits im Jahre 1911 von Ferencz Jüttner postuliert wurde.

(Universität Augsburg, 07.11.2007 – NPO)

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