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Medizin

Gendefekt blockiert „Müllabfuhr“

Forschungsprojekt sucht Wirkstoff gegen Erbkrankheit Alpha-Mannosidose

Eine mit Abfallprodukten verstopfte Muskelzelle © CAU, Paul Saftig

Die zelluläre „Müllabfuhr“ ist für unsere Gesundheit entscheidend: Werden Abfallprodukte des Stoffwechsels nicht entsorgt, sind schwere Krankheiten die Folge. Eine davon ist die seltene Erbkrankheit Alpha-Mannosidose. Jetzt wollen Wissenschaftler in einem europäischen Forschungsprojekt ein Medikament entwickeln, dass den Gen-Defekt ausgleicht, der die „Müllabfuhr“ blockiert.

Rund 400 Menschen vorwiegend Kinder – leiden in Europa an Alpha-Mannosidose. Sie äußert sich in groben Gesichtszügen, Störungen in der Sprach- und Geistesentwicklung, Schwächen des Immunsystems und Schäden an Knochen und Muskeln. Ursache dieser so genannten lysosomalen Speichererkrankung ist ein Gen-Defekt: Lysosomale Enzyme – speziell auf den Abbau von Stoffwechselabfällen programmierte Zellbestandteile – zerlegen die Abfallstoffe so weit, dass die Zelle sie wieder verarbeiten kann. Ist ein Gen, das eines dieser Enzyme steuert, defekt, kann dieses Enzym nicht produziert werden. Die Abfallstoffe, im Falle der Alpha-Mannosidose so genannte Mannose-Zucker, reichern sich in der Zelle an und verstopfen sie regelrecht. Muskel-, aber auch Hirnzellen stellen dann ihre Arbeit ein.

"Ohne eine sehr riskante Knochenmarkstransplantation sterben heute viele dieser Patienten im Alter zwischen zehn und 20 Jahren" , erklärt der Biochemiker Professor Paul Saftig von der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel. Er leitet das jetzt beginnende europäische Forschungsprojekt HUE-MAN (Human Enzyme Replacement Mannosidosis). Das Wissenschaftlerteam baut auf seiner Grundlagenforschung in einem bereits abgeschlossenen EU-Projekt auf. Dabei fanden sie heraus, dass sich die "Abfallansammlung" in der Zelle auflöst, wenn man erkrankten Mäusen das fehlende Enzym regelmäßig alle zwei Wochen spritzt.

"Neu ist, dass wir bei den Tieren damit sogar die Defekte im zentralen Nervensystem therapieren können", erklärt der Kieler Biochemiker. Bis ein Medikament entwickelt ist, sei es jedoch noch ein langer Weg. "Wir hoffen aber, dass wir in drei Jahren so weit sind, dass wir in die erste klinische Phase einsteigen können."

Neben den Kielern arbeiten an dem Projekt noch zirka 15 Wissenschaftler – vornehmlich Kinderärzte aus Göttingen und Mainz, aus Norwegen, England, Frankreich und der Tschechischen Republik sowie ein Pharmaunternehmen aus Dänemark. Jeder hat dabei sein spezielles Aufgabengebiet: Während Saftig das Projekt koordiniert und die Medikamente an Tieren entwickelt, sind die Kinderärzte anhand der Patienten dem genauen Krankheitsverlauf auf der Spur. Die Kollegen der Göttinger Uni etwa erforschen, wie sich die umliegenden Gene verändern.

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(Universität Kiel, 31.05.2006 – NPO)

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